Das Klimakartell
Große Krisen, die existentielle Lebensgrundlagen bedrohen, sind eine ideale Situation für Politiker. In einer Situation der Angst und der Sorgen ist plötzlich eine ganz andere Politik möglich, frei von den Diskussionen und Hemmnissen, die Politik sonst so schwerfällig machen. Dafür gibt es Gründe:
In den großen Krisen gibt es normalerweise kein Erkenntnisproblem, weil die Lage oft eindeutig ist und ein akutes Bedrohungsgefühl auslöst. Schon das ist eine gute Voraussetzung für politische Handlungsfähigkeit. Die Opposition und die Medien nehmen sich in solchen Krisen meistens zurück, weil Kritik dem eigenen Ansehen schadet.
Große Krisen, die akut auftreten, sind eine Zeit der Exekutive, weil sie meistens ein Gefühl der Hilf- und Ratlosigkeit auslösen. Von der Regierung erwartet man dann, dass sie schnell und beherzt handelt. Ein Beispiel ist die Bankenkrise aus dem Jahr 2008, in der es die große Koalition fertigbrachte, den Rettungsschirm für die Banken innerhalb einer Woche durch Bundestag und Bundesrat zu bringen.
Vorgezogene Bundestagswahl - Die Wahlprogramme der Parteien
(Stand: 17.12.2024)
CDU/CSU
Die Union will die Einkommensteuern um 41 Mrd. Euro senken und den Solidaritätszuschlag (-13 Mrd. Euro) abschaffen. Der Spitzensteuersatz soll erst bei einem höheren Jahreseinkommen gelten. Die Steuerlast der Unternehmen soll von aktuell rund 30 Prozent in Richtung 25 Prozent sinken (-20 Mrd. Euro). Außerdem sollen die Umsatzsteuer, die Stromsteuer und die Erbsachaftssteuer reduziert werden (-15 Mrd. Euro). Insgesamt sollen die Bürger nach dem Wahlprogramm der CDU/CSU um 89 Mrd. Euro entlastet werden.
Rentenkürzungen schließen CDU/CSU aus. Dafür will sie beim Bürgergeld kürzen. Außerdem soll es Anreize zum Weiterarbeiten im Rentenalter geben.
In der Asylpolitik wollen CDU/CSU Grenzkontrollen einführen. "Eine strikte Begrenzung der Migration ist dringend nötig", heißt es im Entwurf des Wahlprogramms. Es soll mehr sichere Herkunftsstaaten geben, und auch nach Syrien und Afghanistan soll abgeschoben werden.
Die Union will mehr Geld für die Verteidigung ausgeben. Außerdem sollen "Brennpunkte und Gefahrenorte" mit Videokameras und Systemen zur Gesichtserkennung ausgestattet werden.
Das von der Ampelkoalition umgesetzte Selbstbestimmungsgesetz will die Union vollständig aufheben.
Stromsteuer und Netzentgelte will die Union senken und Netze, Speicher und alle Erneuerbaren ausbauen. Das Heizungsgesetz der Ampelkoalition soll abgeschafft und an der "Option Kernenergie" festgehalten werden - inklusive Prüfung einer Wiederaufnahme der "zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke".
Die CDU trifft sich am 3. Februar 2025 zum vorgezogenen Bundesparteitag in Berlin, die CSU am 8. Februar zu einem Parteitag mit Blick auf die Bundestagswahl. Das Wahlprogramm gilt von heute an als beschlossen.
Warum gewann Trump die Präsidentschaftswahl?
Donald Trump gewann die Präsidentschaftswahl in den USA für viele überraschend mit einem klaren Sieg über seine Mitbewerberin Kamala Harris.
Um gewählt zu werden, benötigte er nach amerikanischem Wahlrecht die Mehrheit der Stimmen im sog. Wahlmännergremiums. Trump erhielt dort als Kandidat der Republikaner 312 Stimmen, Vizepräsidentin Kamala Harris von den Demokraten 226 Stimmen.
Das Wahlmännergremium besteht aus 538 Wahlmänner, die in den einzelnen Staaten der USA bestimmt werden: Jeweils zwei Senatoren plus die Mitglieder eines Staates im Repräsentantenhaus, deren Zahl wiederum von den Einwohnern des jeweiligen Staates abhängig ist.
Es gibt in den USA große Staaten wie Kalifornien oder New York mit traditionell demokratischen (blauen) Mehrheiten. Für republikanische (rote) Präsidentschaftskandidaten bedeutet das, dass sie einige der sieben „swing states“ gewinnen müssen, um Präsident der USA zu werden. Trump gewann alle sieben, obwohl Harris für die Wahlkampagne dreimal mehr Dollar einsetzen konnte als Trump.
ROLAND KOCH, VORSITZENDER DER LUDWIG-ERHARD-STIFTUNG
Subventionen – Hier muss der Staat sparen
Subventionen haben ihren Sinn, aber nur als Ausnahme und nicht als Regel. Dieser Grundsatz wird im Laufe der Zeit von Regierung und Parlament gern missachtet. Dennoch gehört das Thema Subventionskürzungen permanent auf die wirtschaftspolitische Tagesordnung. Auch jetzt ist die Zeit wieder reif.
Für die Politik ist es attraktiver, Subventionen zu verteilen, aber sehr unattraktiv, sie abzulehnen oder gar zu streichen. Mit Subventionen greift der Staat in vielfältiger Weise in das wirtschaftliche Geschehen ein. Das führt erfahrungsgemäß zu Fehlanreizen, Mitnahmeeffekten, Ineffizienzen. Die finanziellen Hilfen behindern den notwendigen Strukturwandel und verursachen einen erheblichen Verwaltungsaufwand. In besonders gravierenden Fällen wird Subventionierung zum Ärgernis, wie die offenbar verlorenen 620 Millionen Euro Subventionen für die Batteriefirma Northvolt gerade belegen.
Wachstumslücken in der Europäischen Union
Nicolai Tangen, Chef des norwegischen Staatsfonds, spricht Europa die Zukunftsfähigkeit ab. Die Europäer würden weniger hart arbeiten als die Amerikaner, seien weniger risikobereit und auch nicht so ehrgeizig wie Menschen in den USA, sagte er der „Financial Times“. Deshalb würde er auch eher Geld an der Wall Street als auf dem Alten Kontinent anlegen.
Ein Blick auf die Wertentwicklung der großen Aktien-Indizes illustriert, wovon Tangen spricht: In der vergangenen Dekade konnte der europäische Standardwertindex Stoxx 600 seinen Wert verdoppeln, der amerikanische Leitindex S&P seinen Wert aber mehr als vervierfachen. Erklären lässt sich dieser Unterschied mit der Entwicklung der jährlichen Wirtschaftsleistung: Agierte die EU im Jahr 2014 noch auf Augenhöhe mit den USA, ist der Abstand inzwischen auf neun Billionen Dollar angeschwollen, weil die amerikanische Wirtschaft entsprechend stärker als die europäische gewachsen ist.
Der Binnenmarkt der Europäischen Union ist auch nach dem Austritt Großbritanniens (Brexit) der größte Wirtschaftsraum der Welt. Er weist aber auch bedeutende Unterschiede hinsichtlich der nationalen und regionalen Wirtschaftsleistung auf. Während Luxemburg 2022 trotz Krise erneut die 100.000 Euro-Marke beim BIP pro Kopf deutlich übertrifft, rangiert Bulgarien am anderen Ende der Liste und generiert ein BIP pro Kopf von rund 12.400 Euro. Die Einkommensunterschiede zwischen den EU-Regionen mit dem höchsten und den Regionen mit dem niedrigsten BIP pro Kopf sind noch deutlicher.
Im Jahr 2023 veränderte sich das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) aller Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) nur noch um plus 0,4 Prozent, was bedeutet, dass der Wert aller in der EU hergestellten Güter und Leistungen im Vergleich zu Vorjahr nur marginal gestiegen ist. Der Internationale Währungsfonds (IWF) stellte deshalb zu Recht fest, dass die europäische Wirtschaft stagniert.
Die Stagnation der Wirtschaft in der Europäischen Union bedeutet aber nicht, dass es in den 27 Staaten der EU kein Wirtschaftswachstum gibt. Die Verhältnisse in den einzelnen Ländern der EU sind nämlich sehr unterschiedlich. So ist z.B. die Wirtschaft in Malta im Jahr 2023 um immerhin 5,6 % gewachsen, in Irland aber um minus 5,5 % geschrumpft.
Um sich ein realistisches Bild von der Wirtschaft in der EU zu verschaffen, ist es deshalb sinnvoll, die Entwicklung in den einzelnen Räumen bzw. Staaten in den Blick zu nehmen: 1. Die Mitte der EU mit Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Irland und Luxemburg und Österreich. 2. Der Süden mit Italien, Griechenland, Malta, Spanien und Portugal. 3. Der Norden mit Dänemark, Schweden, Finnland, Estland, Lettland und Litauen. 4. Der Osten mit Bulgarien, Rumänien, Kroatien, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn.
Roland Koch, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.
Der Staat wird zum bürokratischen Monstrum - Eine Herausforderung
Bei der vor uns liegenden Bundestagswahl wird es auch um die Rolle des Staates als stetig wachsendes Gebilde aus Personal, finanziellen Ressourcen und Regulierungen gehen. Man muss keine amerikanischen Verschwörungstheorien über den „Deep State“ unterstützen, um auch in Deutschland angesichts der Zahlen ein Problem zu erkennen.
Der Beamtenapparat wächst
In den 1970er-Jahren kam die alte Bundesrepublik noch mit 3,1 Millionen Staatsdienern aus. Diese Zahl ist bis heute deutlich gestiegen: Inzwischen sind wir bei 5,3 Millionen Beschäftigten angelangt. Allerdings hat auch die Teilzeitbeschäftigung zugenommen. Heute arbeiten etwas über 30 Prozent der Angestellten im öffentlichen Dienst in Teilzeit, 1991 waren es noch 16 Prozent.
Neue Energie-Agenda für Deutschland
Positionspapier der
CDU·CSU Fraktion im Deutschen Bundestag
Beschluss vom 12. November 2024 (in Auszügen)
Herausgeber: Thorsten Frei MdB • Alexander Hoffmann MdB
I. Unsere Zielsetzung: Industrie stärken, Klimaneutralität erreichen
Diese Neue Energie-Agenda für Deutschland markiert das größte zusammenhängende Infrastruktur-Investitionsprojekt in der Geschichte unseres Landes. Damit werden wir Deutschland als Industrieland wieder stärken und bis 2045 klimaneutral machen. Gelingen wird dies nur mit einer Agenda, die Wirtschaft, Energie und Klimaschutz konsequent zusammendenkt. Denn nur wenn die Wirtschaft wieder spürbar wächst, können Unternehmen in Deutschland in neue Klimaschutz-Technologien investieren.
Die Energiepolitik spielt auf diesem Weg eine Schlüsselrolle. Bezahlbare, saubere und sichere Energie ist eine Grundvoraussetzung für unsere Zukunft als Industrie- und Handelsnation.
Dies ist umso bedeutender, da wir in Deutschland Technologien entwickeln und anwenden müssen, die auch international konkurrenzfähig sind – sowohl für eine erfolgreiche Klimapolitik als auch zur Stärkung Deutschlands als Wirtschafts- und Technologiestandort.
Wenn weitreichende Aufgaben auf knappe Ressourcen treffen, braucht es Kosteneffizienz und Innovationen. Diese erreichen wir durch eine echte Technologieoffenheit, mehr Marktwirtschaft und eine Forschungsoffensive. Deswegen gilt jetzt vor allem: Ohne eine Kostenwende hin zu mehr Effizienz scheitert die Energiewende.
Wir gestalten Energie- und Klimapolitik aus einem Guss, der Wirtschaftlichkeit, Pragmatismus und Verbindlichkeit vereint. Wir werden den weiteren Anstieg der Strompreise verhindern und der Industrie und dem Mittelstand einen wettbewerbsfähigen Rahmen bieten. Die CO2-Bepreisung werden wir im Instrumentenmix zum Leitinstrument ausbauen und die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an Verbraucher und Wirtschaft zurückgeben.
Kann die CDU mit den Grünen koalieren?
Nach dem Bruch der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hat Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, am 16. Dezember 2024 im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Scheitert er damit erwartungsgemäß, ist der Weg für Neuwahlen frei.
Die Bundestagswahl soll dann am Sonntag, dem 23. Februar 2025, stattfinden.
Auf diesen Termin haben sich die SPD- und die Unionsfraktion im Bundestag geeinigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gab für den Zeitplan bereits grünes Licht.
Nach den derzeitigen Umfragen ist davon auszugehen, dass CDU/CSU aus dieser Wahl als Sieger hervorgehen und mit Friedrich Merz den Bundeskanzler stellen werden. Sicher ist aber auch, dass CDU/CSU für eine Mehrheit im Bundestag einen oder sogar zwei Koalitionspartner benötigen.
Da CDU/CSU eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen haben, kommen als Koalitionspartner nur die SPD und die Grünen in Frage, wenn die FDP oder das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an der 5 %-Klausel scheitern. Mit der SPD als Koalitionspartner würde Deutschland erneut von einer Großen Koalition regiert werden. Eine Koalition von CDU/CSU mit den Grünen auf Bundesebenen wäre demgegenüber Neuland, so dass sich die Frage stellt, ob es dafür eine gemeinsame Basis gibt.
Die Grünen haben sich auf ihrem Parteitag vom 15. - 17. November 2024 in Wiesbaden bereits für den Regierungswechsel positioniert und wollen erkennbar mit ihrem Frontmann Robert Habeck an der Spitze mit der CDU koalieren. Die Frage ist, ob die CDU/CSU sich darauf einlassen sollte.
Zweifel an der Unabhängigkeit der Wissenschaft
Umfrageergebnis
Viele Menschen in Deutschland sehen die Unabhängigkeit der Wissenschaft in Gefahr. Das jedenfalls zeigt das aktuelle „Wissenschaftsbarometer“, eine repräsentative Umfrage der „Initiative Wissenschaft im Dialog“. Demnach glaubt weniger als die Hälfte der Befragten, dass Wissenschaftler hierzulande unabhängig zu jedem beliebigen Thema forschen, lehren und kommunizieren dürfen (FAZ vom 06.11.2024).
Warum das Vertrauen in die Wissenschaft so niedrig ist, ergibt sich nicht direkt aus der Studie. Ein Grund dafür ist offensichtlich der unterschiedliche Bildungsstand der Befragten: Während Menschen mit hohem Bildungsabschluss zu drei Vierteln der Wissenschaft vertrauen, sind es unter denjenigen mit Haupt- und Volksschulabschluss weniger als die Hälfte.
Ein weiterer Grund für das fehlende Vertrauen in die Wissenschaft ist darin zu sehen, dass die Mehrheit der Befragten den Einfluss von Politik und Wirtschaft auf die Wissenschaft für zu groß hält: Zwei Drittel sind es beim Einfluss der Wirtschaft, mehr als die Hälfte beim Einfluss der Politik.
In allen Bevölkerungsgruppen ist jedoch der Glaube an die Aussagen von Wissenschaftlern zum menschengemachten Klimawandel und zu erneuerbaren Energien gewachsen: Im Jahr 2014 waren es 37 Prozent, die die Klimaforscher für glaubwürdig hielten, heute sind es 59 Prozent; bei Menschen im Alter von unter 30 Jahren sogar 80 Prozent. Bei den Aussagen zu erneuerbaren Energien war es vor zehn Jahren weniger als die Hälfte, heute sind es mehr als zwei Drittel.
„Es gibt das Verständnis, dass wir ein Problem haben und dass dieses Problem nur mit dem besten Wissen gelöst werden kann“, heißt es dazu von der „Initiative Wissenschaft im Dialog“. Auch bei Corona habe man gesehen, dass die Gesellschaft bei komplexen Problemen auf die Wissenschaft setzt. Bei den Themen Klima und Energie sei das offenbar ähnlich (siehe FAZ vom 17. Nov. 2024).
Der Wutanfall des Bundespräsidenten
Auf der Festveranstaltung zum 35. Jahrestag des Mauerfalls im Schloss Bellevue hielt der Schriftsteller Marko Martin eine bemerkenswert kontroverse Rede zur deutschen Russlandpolitik, in der er nicht mit Kritik am Gastgeber, Bundespräsident Steinmeier, sparte. Der Festredner nahm sich die Freiheit, offen und offensiv zu reden. Dem Bundespräsidenten warf er vor, dass er als früherer Außenminister Deutschlands gegenüber Wladimir Putin eine naive Friedenspolitik betrieben habe und insbesondere bei dem Projekt Nord Stream 2 die berechtigten Bedenken der osteuropäischen Länder nicht beachtet habe.
Der Bundespräsident reagierte auf diese Rede beim Empfang nach der Veranstaltung mit einem Wutanfall. „Er ist angerauscht gekommen, um mir qua Amtes die Leviten zu lesen. Er hat ziemlich die Fassung verloren“, sagte Marko Martin. Steinmeier habe ihn gefragt, ob es ihm Freude mache, Politiker zu diffamieren. „Offensichtlich fühlte er sich persönlich von meinen Worten getroffen“, erklärte Martin.
Die Sprecherin des Bundespräsidenten sagte dazu auf Anfrage, Steinmeier habe mit Marko Martin bei dem Empfang „kontrovers, aber sachlich über seine Rede diskutiert“. Martin blieb jedoch bei seiner Darstellung und Kritik an Steinmeier: „Wir haben einen Bundespräsidenten, der sich dieser Debatte verweigert, der Debatte über die deutsche Mitverantwortung für Putins Aggressionen."
Lindners Wirtschaftswende
Die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) geforderte Wirtschaftswende stellt die bisherige Wirtschafts-, Klima-, Fiskal- und Sozialpolitik der Ampel-Regierung grundsätzlich in Frage. Lindner wendet sich insbesondere gegen eine Wirtschafts- und Fiskalpolitik, die Ausnahmen von der Schuldenbremse zulässt und hohe Industriesubventionen zahlt. Stattdessen fordert er zur Entlastung der Unternehmen ein Regulierungsmoratorium, die Entschärfung des Klimaschutzes und die Senkung des Soli-Zuschlages sowie eine Korrektur der Frührente und die Reform des Bürgergeldes.
Lindner begründet seine Forderungen mit dem wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands, der bessere Antworten erfordert als die Ampelregierung sie bisher gegeben hat. Den Mut zu solcher Klarheit hätten sich viele von der FDP und der Union sicher schon früher erhofft. Denn die von Lindner jetzt geforderte Wirtschaftswende ist nichts anderes als der klare Schwenk von einer interventionistisch geprägten Nachfragepolitik hin zu einer die Produktivität fördernden Angebotspolitik. Das Programm geht über die im Frühsommer von der Ampelregierung verabredete „Wachstumsinitiative“ deutlich hinaus.
Der Finanzminister mutet seinen Partnern in der Regierung einiges zu, baut ihnen aber auch Brücken: So fehlt die Forderung auf den Verzicht des Rentenpakets, das 500 Milliarden Euro kosten wird. Eine weitere Brücke ist der Vorschlag, das Tempo des deutschen Klimaschutzes dadurch zurückzunehmen, dass es an die europäischen Vorgaben angepasst wird. Deutschland gewinnt dadurch mehr Zeit für den CO2-Umbau.
Sollten SPD und Grüne diese Brücken nicht gehen wollen, bleib der FDP – wenn sie glaubwürdig bleiben will – keine andere Wahl als die Ampelkoalition zu verlassen.
Das absehbare Ende des „Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)“
Die zwei bedeutsamsten Vorhaben der am 27. Oktober 1998 vereidigten rot-grünen Bundesregierung waren der Atomausstieg und das „Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)“. Das EEG hatte das Ziel, die Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse so massiv zu fördern, dass die Kernkraftwerke und die fossilen Kraftwerke (Kohle, Öl und Gas) eines Tages stillgelegt werden konnten.
Geworben wurde mit dem Versprechen, „dass Sonne und Wind keine Rechnung schicken, sondern als Geschenk des Himmels von jedem genutzt werden können“. Um das zu erreichen, verpflichtete das EEG die vier Netzbetreiber (Tennet, 50Hertz, Amprion und Transnet-BW), den erneuerbaren Strom mit Vorrang abzunehmen und den Erzeugern für den Strom 20 Jahre lang feste Vergütungen zu zahlen. Dafür durften die Netzbetreiber den Verbrauchern die Differenz zwischen den an die Erzeuger gezahlten Vergütungen und den Markterlösen für den erneuerbaren Strom als EEG-Umlage in Rechnung stellen.
Mit dem Inkrafttreten des EEG wurde der für alle Energieträger geltende einheitliche Strommarkt aufgegeben. Während die atomaren und fossilen Erzeuger weiter im alten System arbeiteten, galt für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien ein privilegiertes Sonderrecht mit einem Einspeisevorrang und garantierten Vergütungen. Nur diesem System verdanken die erneuerbaren Energien ihren rasanten Aufstieg. Die Rechnung dafür zahlten die Stromverbraucher.
Von Seiten der Bundesregierung wurde zwar gesagt, dass die Privilegien nur so lange gelten sollten, bis der regenerative Strom „den Weg in den Strommarkt“ findet. Es blieb aber ein streng gehütetes Geheimnis der Grünen und ihrer Anhänger, wie ein solches „Marktdesign“ aussehen sollte. Doch inzwischen wird immer deutlicher, wohin der Weg mit den erneuerbaren Energien führt:
Roland Koch, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.
Europas Zukunft nicht auf Schulden bauen!
Nach fünf Jahren Konzentration aller europäischen Kräfte auf den „Green Deal“ gibt es offenbar bei der Mehrheit des Europäischen Parlaments und der gewählten Kommissionspräsidentin ein erfreulich deutliches Bewusstsein, dass in den kommenden fünf Jahren das Thema Wettbewerbsfähigkeit klar auf Platz eins der europäischen Tagesordnung stehen muss. Der im September 2023 in Auftrag gegebene Bericht des früheren EZB-Präsidenten und ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi wurde gerade deshalb mit vielen Hoffnungen erwartet. Um es vorwegzunehmen: Der Bericht enttäuscht.
Sicherlich wurden viele der inzwischen dringenden Herausforderungen noch einmal gut zusammengetragen. Besonders in Bereichen wie Zukunftstechnologien und erneuerbare Energien bestehe großer Nachholbedarf. Europa hinke in der Entwicklung der Produktivität hinter den großen Konkurrenten USA und China hinterher. Bürokratie und die Vielzahl nationaler Regelungenbremsen würden das Wachstum europäischer Unternehmen hemmen. Dies führe dazu, dass schon Startups lieber in die USA abwandern. Die von Draghi propagierte Besserung: Die EU-Volkswirtschaft benötigt jährlich bis zu 800 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen, um gegenüber den USA und China wettbewerbsfähig zu bleiben. Nach der richtigen und kraftvoll formulierten Analyse fällt Draghi allerdings in alte dirigistische und schuldenfinanzierte Lösungen zurück. Das ist im Verständnis moderner Marktwirtschaften weniger ein europäisches, sicherlich kein deutsches, sondern eher ein französisches oder italienisches Denken.
Habecks Wette mit Klimaschutzverträgen
Deutschland wendet in der Klimapolitik erstmals das Instrument der Klimaschutzverträge an:
Am 15. Oktober 2024 versammelten sich im Bundeswirtschaftsministerium Vertreter von 15 Unternehmen, um sich auf der Grundlage solcher Verträge von Robert Habeck (Grüne) Förderbescheide übergeben zu lassen. Mit diesem Programm will der Staat den Übergang energieintensiver Branchen wie Chemie-, Glas- oder Papier von herkömmlichen Verfahren mit fossilen Energieträgern wie Öl und Gas zu klimafreundlichen Technologien fördern. „Super“ sei das, befand Habeck, „Es geht was in Deutschland.“
Für die erste Runde dieses neuen Fördermittels setzt das Bundeswirtschaftsministerium insgesamt 2,8 Milliarden Euro ein. Damit wird zum Beispiel die BASF, der weltgrößte Chemiekonzern, gefördert, um im Stammwerk Ludwigshafen bei der Herstellung von Ameisensäure die konventionelle Dampfproduktion durch eine mit grünem Strom betriebene Wärmepumpe zu ersetzen. Beiersdorf erhält für ihr Tesa Werk in Hamburg Fördermittel, um für die Produktion von Klebebändern den erdgasbetriebenen Dampfkessel durch einen wasserstofftauglichen sowie einen Elektrodampfkessel zu ersetzen. Den höchsten Betrag, nämlich 564 Millionen Euro, bekommt die Papierfabrik Adolf Jass aus Fulda für den Ersatz von Erdgas durch eine Direktelektrifizierung der Dampferzeugung.
Ausgewählt wurden die 15 Unternehmen über ein Auktionsverfahren: Die Firmen mussten bei ihrem Gebot angeben, wie viele Euros sie benötigen, um mit ihrer geplanten neuen Technologie eine Tonne CO2 einzusparen. Innerhalb der ausgelobten Gesamtsumme von 2,8 Milliarden Euro erhielten die jeweiligen Unternehmen den Zuschlag, die eine Tonne CO2 am günstigsten einsparen können. Für die erste Gebotsrunde gab es aber nur 17 Antragsteller, so dass bis auf zwei alle Unternehmen berücksichtigt werden konnten.
Das war nur der Anfang: Inzwischen ist eine zweite Runde angelaufen, die mit einer Fördersumme im „niedrigen zweistelligen Milliardenbereich“ mit deutlich mehr Bewerbern stattfinden soll. Rund 130 Unternehmen haben laut Habeck hierfür Interesse signalisiert. In der zweiten Runde sollen auch Projekte zur Kohlenstoffabscheidung (CCS) berücksichtigt werden. Wie es danach weitergeht, ist noch unklar. Man werde sehen, sagte Habeck vor den Medien, „solange, bis das Geld alle ist“. Finanziert wird das Programm aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) des Bundes.
EU-Zölle auf Chinas E-Autos
Schon Anfang 2024 warnte Tesla-Chef Elon Musk vor der Übermacht chinesischer Hersteller von Elektroautos: „Wenn es keine Handelsschranken gibt, werden sie die meisten anderen Autofirmen in der Welt so ziemlich zerstören.“
Im Mai 2024 kündigten die USA eine deutliche Erhöhung der Zölle auf eine Vielzahl von Produkten aus China an. Wie das Weiße Haus mitteilte, sind unter anderem Elektroautos, Halbleiter, Mineralien und Medizinprodukte betroffen. Der Zollsatz auf chinesische E-Autos wird zum Beispiel drastisch, nämlich von 25 auf 100 Prozent, steigen. Damit sollen Industriesektoren von „strategischer“ Bedeutung vor „unlauterem Wettbewerb“ durch China geschützt werden. China kündigte bereits Gegenmaßnahmen an.
Anfang Oktober 2024 entschied sich auch die Europäische Union - und zwar gegen den Widerstand der Bundesregierung - für Einfuhrzölle auf Elektroautos aus China. Damit hat es nunmehr die EU-Kommission in der Hand, auf chinesische E-Autos Zusatzzölle in Höhe von bis zu 35,3 Prozent zu erheben. Die Zölle können gestoppt werden, wenn noch rechtzeitig eine Lösung mit China am Verhandlungstisch erreicht wird.
Die deutschen Autobauer und Branchenverbände plädieren für eine Verhandlungslösung. "Gemeinsames Ziel muss es sein, etwaige Schutzzölle und damit einen Handelskonflikt zu verhindern", heißt es in einer Mitteilung von Volkswagen. Auch Mercedes befürchtet weitreichende negative Auswirkungen auf die Automobilbranche. Verhandlungen bräuchten Zeit, daher müsse die Erhebnung der Zölle aufgeschoben werden.
Das Außenministerium in Peking teilte auf Anfrage mit, die von Europe angekündigten Zölle seien unvernünftig und protektionistisch. Außerdem würden sie der Energiewende in der EU und dem Kampf gegen den Klimawandel schaden. China werde weiter auf Dialog setzen, gleichzeitig aber die Interessen chinesischer Unternehmen schützen.
Eurobonds im Streit
Eurobonds (auch EU-Anleihen oder Gemeinschaftsanleihen genannt) sind verbriefte Obligationen der Europäischen Union, für die die EU-Staaten gemeinsam als Gesamtschuldner haften. Den Vorteil solcher Anleihen sieht die EU-Kommission darin, dass durch die Risikoteilung insgesamt niedrigere Zinsen anfallen, als dies der Fall wäre, wenn die Länder einzeln Kredite aufnehmen. Gleichzeitig verspricht man sich von solchen Gemeinschaftsanleihen, dass sie bei den Investoren und Anlegern wegen des geringeren Ausfallrisikos und der guten Handelbarkeit auf besonderes Interesse stoßen, vergleichbar den Staatspapieren (Treasuries) in den Vereinigten Staaten.
Viele europäische Politiker knüpfen große Erwartungen an EU-Anleihen, nicht zuletzt aus politischen Gründen: Das Vertrauen der Anleger in die EU würde gestärkt und die europäische Integration in Richtung eines gemeinsamen Kapitalmarktes weiter vorangetrieben. Hierhin gehört auch die Aussage des früheren Finanzministers Olaf Scholz (SPD) aus den Jahr 2020, dass die gemeinsame EU-Verschuldung zur Finanzierung des Corona-Wiederaufbaufonds mit dem amerikanischem „Hamilton-Moment“ auf dem Weg zu einem europäischen Bundesstaat vergleichbar sei.
Die Forderung nach Gemeinschaftsanleihen der EU wird vor allem von Politikern aus Italien geäußert. Der frühere EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni wirbt nach Ablauf des Corona-Programms für neue EU-Anleihen; dieselbe Forderung erheben seine Landsleute Enrico Letta und Mario Draghi in ihren Berichten zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Der Grund dafür sind die italienischen Staatsschulden von 140 Prozent der Wirtschaftsleistung und die hohen Risikoaufschläge auf die Staatspapiere. Gemeinsame EU-Anleihen könnten – so die Hoffnung – Entlastung bringen.
Die Deutsche Bahn – ein Sanierungsfall?
Die Deutsche Bahn hat im Mai 2024 bekannt gegeben, dass im vergangenen Jahr nur 64 Prozent ihrer Fernzüge pünktlich waren – also weniger als sechs Minuten Verspätung hatten. Damit rangiert die Deutsche Bahn in Sachen Pünktlichkeit weit hinter den Bahnen in der Schweiz oder Dänemark. Die Shinkansen-Züge in Japan erreichen sogar eine Pünktlichkeit von 99 Prozent.
Der wohl größte Vorteil der japanischen Shinkansen gegenüber den ICE-Zügen ist, dass sie fast durchgehend auf eigenen Trassen fahren. Unterwegs müssen sie so gut wie nie warten oder abbremsen. In Deutschland teilen sich Fernzüge dagegen die Gleise oft mit Güterzügen und dem Regionalverkehr. Das sei der eigentliche Grund für die vielen Verspätungen, erklärt der Bahnvorstand. Er sagt damit aber nur die halbe Wahrheit:
Die Japaner haben ihre Bahn 1987 privatisiert und in sechs Regionalgesellschaften und eine Frachtgesellschaft aufgeteilt. Die meisten von ihnen arbeiten heute profitabel, auch weil damals die hohen Schulden der Staatsbahn und die überzähligen Mitarbeiter in eine Auffanggesellschaft ausgelagert wurden. Einige der Bahngesellschaften sind heute sogar an der Tokioter Börse notiert. Staatliche Gelder erhalten sie allenfalls für die Instandhaltung und den Ausbau des Schienennetzes.
Im Unterschied dazu handelt es sich bei der Deutschen Bahn um eine Staatsbahn, die 1994 aus der Fusion der Deutschen Bundesbahn mit der Deutschen Reichsbahn in der ehemaligen DDR entstand und zu 100 Prozent der Bundesrepublik Deutschland gehört. Pläne zur Privatisierung der Bahn sind an dem Widerstand aus der Politik gescheitert.
Die Folgen dieser Bahnpolitik sind offenkundig: Neben der notorischen Unpünktlichkeit und dem Ausfall von Zügen gibt es im Fernverkehr immer wieder Mängel, die auf fehlerhaftes Management hinweisen und die Bahnkunden ärgern: Falsch angezeigte Wagenreihung, überfüllte Bahnsteige und Züge, nicht funktionierende Toiletten, defekte Klimaanlagen, Speisewagen ohne entsprechendes Angebot etc.
Roland Koch, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung
Morgen fehlt uns Strom, schon heute fehlen Investoren
In Deutschland brechen die Direktinvestitionen aus dem Ausland ein. Die Zahlen entwickeln sich dramatisch. Nach einer Untersuchung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young sank die Zahl der von ausländischen Unternehmen in Deutschland angekündigten Investitionsprojekte 2023 um zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr, und damit auf den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2013.
Wie konnte es dazu kommen? Es wäre angesichts der globalen Krisen unseriös, die Ursache auf nur einen bestimmten Punkt zu konzentrieren. Aber die sehr spezielle deutsche Energiepolitik ist unbestreitbar ein zentraler Faktor. Dabei geht es um zweierlei: Zum einen um den Preis der Energie. Zum anderen aber noch mehr um die Frage, ob die nötige Energiemenge überhaupt zur Verfügung steht. Bei der in modernen Industriestaaten selbstverständlichen Anforderung, jederzeit ausreichend Strom für die unternehmerische Aktivität im Inland zur Verfügung zu haben, hat Deutschland entscheidendes Vertrauen verloren. Schließlich geht es bei Standortentscheidungen nicht um politische Sprüche, sondern um harte physikalische und ökonomische Fakten.
Industrie-Ikonen in der Krise
Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands beruht nicht zuletzt auf seiner starken und vielseitigen Industrie. Damit wird nach wie vor jeder fünfte Euro erwirtschaftet. Ob das so bleibt, ist mehr als ungewiss: denn in vielen Industriebetrieben kriselt es gewaltig.
Industrie-Ikonen wie Thyssenkrupp, BASF und VW sind dafür prominente Beispiele: die Aufträge gehen zurück, die Produktionsstätten sind nicht mehr ausgelastet, Investitionen werden verschoben, und die Gewinne sinken. Gleichzeitig steigt die Angst der dort Beschäftigten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
Das deutsche Geschäftsmodell ist also in Gefahr. Nichts verdeutlicht das so sehr wie die Krisen bei Thyssenkrupp, BASF und VW. Die Fälle gleichen sich und zeigen exemplarisch die Schwächen des deutschen Industriestandorts:
- Die von der Politik erzwungene Transformation der industriellen Produktion hin zur Klimaneutralität verursacht hohe Kosten (durch den Emissionshandel oder durch Investitionen), die in den Preisen der Produkte nicht weitergegeben werden können.
- Politisch gesteuerte Interventionen, zum Beispiel die Streichung der Kaufprämie für Elektroautos, nehmen den Unternehmen die Planungssicherheit und beeinträchtigen ihre Investitionsbereitschaft.
- Allgemeine Standortnachteile, wie hohe Energiepreise, schlechte Infrastruktur, hohe Steuern und Überregulierung, verschlechtern die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Es ist dieses Bündel an Ursachen, das am Fundament der deutschen Industrie nagt und Hundertausende Arbeitsplätze gefährdet. Die jüngsten Ereignisse bei Thyssenkrupp, BASF und VW sind dafür warnende Beispiele:
Deutschlands Industrie schrumpft
Die schlechten Nachrichten aus der Industrie kommen in immer kürzeren Abständen: Kaum eine Woche vergeht, ohne dass ein deutscher Konzern (z.B. Bayer, Bosch, Henkel) einen massiven Arbeitsplatzabbau ankündigt. Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen will mehr als 10.000 Mitarbeiter entlassen. Im Volkswagenwerk im sächsischen Zwickau müssen 1.000 Leute gehen, weil sich E-Autos schlecht verkaufen. Der Heizungshersteller Viessmann hat wegen der schwierigen Marktsituation für dieses Jahr Kurzarbeit angemeldet.
Gleichzeitig schnellen die Insolvenzzahlen in die Höhe: Nach IWH-Berechnungen meldeten im Juli 1406 Personen- und Kapitalgesellschaften Insolvenz an – so viele wie seit etwa zehn Jahren nicht mehr. Und last not least steigt auch die Arbeitslosigkeit. Die Bundesagentur für Arbeit meldet Ende August 2024 so viele Arbeitslose wie zuletzt 2021.
Solche Nachrichten stehen in krassem Gegensatz zu der Hoffnung der Ampel-Regierung, durch den Umstieg auf klimafreundliche Technologien diese miserable Entwicklung aufhalten zu können. Während die Politik immer noch über die Risiken einer Deindustrialisierung debattiert, ist diese Entwicklung bereits in vollem Gang, wie der Ifo-Chef Clemens Fuest jüngst im „Handelsblatt“-Interview feststellte.
Deutschlands Dax-Konzerne erwirtschaften ihre Gewinne zunehmend im Ausland. Die für den Arbeitsmarkt wichtige Automobilindustrie befindet sich in dem stärksten Strukturwandel ihrer Geschichte. Die energieintensiven Branchen sind auf dem Weltmarkt kaum noch wettbewerbsfähig. Gemessen an den Rekordwerten vom Sommer 2018 wird heute in der Industrie rund 20 Prozent weniger produziert.
Die Klimapolitik der Union
Zu den politischen Säulen, auf denen die Ära Merkel einst beruhte, zählte neben der Willkommenskultur auch der Konsens über den „ökologischen Umbau“ Deutschlands. Doch inzwischen sortiert das Land seine politischen Prioritäten grundsätzlich neu. Deutschland hat die Ära Merkel schon ein gutes Stück hinter sich gelassen.
So hat der vehemente Widerstand gegen das Heizungsgesetz der Partei der Grünen einen schweren Schlag versetzt. Sie musste die bittere Erfahrung machen, dass die Gefolgschaft dort endet, wo Eingriffe des Klimaschutzes als unangemessen empfunden werden. Denn es hat sich herumgesprochen, dass dirigistische Eingriffe wie das Vorschreiben eines Heizungstyps für deutsche Hausbesitzer teuer sind, aber wenig Einfluss auf den weltweiten Ausstoß von CO2 haben.
Offenkundig geworden sind auch die inneren Widersprüche der deutschen Energiewende, insbesondere des Atomausstiegs, mit dem sich das Land auf einen schwer durchzuhaltenden Sonderweg begeben hat. In ihrer Regierungserklärung vom Juni 2011 behauptete Merkel, der Reaktorunfall von Fukushima sei „ohne Zweifel ein Einschnitt für die Welt“. Dabei war er allenfalls ein Einschnitt für die deutsche Politik; anderorts wird der Ausbau der Kernenergie massiv vorangetrieben. Zweifel wachsen deshalb auch an der Idee, dass Deutschland mit nationalen Leuchtturmprojekten eine internationale Vorreiterrolle einnehmen müsse.
Es dürfte eine Frage der Zeit sein, bis sich auch die Parteien, die die Ära Merkel mitgestaltet haben, den neuen Gegebenheiten anpassen. Das wird ein schwieriger Prozess, wie das neue Grundsatzprogramm der CDU zur künftigen Klimapolitik eindrucksvoll zeigt.
Das Produktivitäts-Paradoxon
Das „Produktivitäts-Paradoxon“ beschreibt den Tatbestand einer längerfristig sinkenden Produktivitätsentwicklung in westlichen Volkswirtschaften trotz fortgesetzter technologischer Innovationen. Dieses Phänomen ist nicht auf Deutschland beschränkt. Es ist in vielen Industrieländern schon seit längerer Zeit zu beobachten und hat inzwischen auch die Schwellenländer erfasst.
In den 1950er-Jahren wuchs die Arbeitsproduktivität in Deutschland durchschnittlich um beinahe 7 Prozent pro Jahr. In den 1970ern waren es 4 Prozent, in den 1990ern dann nur noch 2 Prozent. Nach 1990 verringerte sich die Arbeitsproduktivität weiter und lag im Zeitraum von 2000 bis 2010 bei einem Jahresdurchschnitt von 0,9 Prozent. Im darauffolgenden Jahrzehnt bis 2020 verbesserte sie sich nur leicht auf durchschnittlich 1,2 Prozent.
Parallel zur Arbeitsproduktivität ist auch das Wirtschaftswachstum gesunken. Im Durchschnitt der Jahre 1950 bis 2022 ist die Wirtschaft in Deutschland um 3,1 % pro Jahr gewachsen. In den 1950er und 1960er Jahren wuchs das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt jedoch noch mit durchschnittlich 6,4 % im Jahr. Danach hat sich das Wirtschaftswachstum deutlich verlangsamt. Im Durchschnitt der letzten zwei Jahrzehnte von 2000 bis 2020 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) preisbereinigt nur noch um 1,0 % pro Jahr gewachsen. Inzwischen liegt die Wachstumsrate bei etwa 0,0 %.
Dieses Ergebnis wiegt schwer, da Wirtschaftswachstum die Grundlage unseres Wohlstands ist. Wenn das Wachstum abnimmt, bedeutet dies geringere Einkommenszuwächse für Arbeitnehmer und weniger Steuereinnahmen, mit denen der Staat seinen zahlreichen Verpflichtungen, ob Rentenzahlungen oder Schuldendienst, nachkommen kann.
Bürgerdialog mit der Politik – ehrlich gemeint?
Der Dialog mit dem Bürger gehört zu einer lebendigen Demokratie. Dazu gehört auch und insbesondere die Anhörung von Wissenschaftlern und Fachleuten in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages. Die Geschäftsordnung des Bundestages (§ 70 Abs. 1) enthält dazu folgende Regelung:
„Zur Information über einen Gegenstand seiner Beratung kann ein Ausschuss öffentliche Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vornehmen. Bei überwiesenen Vorlagen oder Anträgen ist der federführende Ausschuss auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder dazu verpflichtet; bei nicht überwiesenen Gegenständen im Rahmen des § 60 Abs. 2 Satz 3 erfolgt eine Anhörung auf Beschluss des Ausschusses. […]“
Es sind heute vor allem die Bundestagsausschüsse, die sich mit dem Klimaschutz, der Energieversorgung und dem Schutz der Umwelt beschäftigen und die wegen der Komplexität der Themen bei ihren Beratungen auf das Urteil von Experten angewiesen sind. Aber welchen Einfluss haben die Sachverständigen bei den politischen Beratungen wirklich? Die von Axel Bojanowski in der Tageszeitung DIE WELT vom 8 August 2024 geschilderten Beispiele sind ernüchternd.
Zukünftige Strommarktordnung im Streit
Der Strommarkt
Anfang der 2000er Jahre begann die damalige rot-grüne Bundesregierung, die Stromwende mit garantierten Einspeisevergütungen für Wind- und Sonnenstrom auf den Weg zu bringen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Fast 89 Gigawatt Solaranlagen sind inzwischen am Netz, hinzu kommen Windräder mit einer Kapazität von 70 Gigawatt. Kernkraftwerke produzieren seit April vergangenen Jahres keinen Strom mehr. Auch viele Kohlkraftwerke haben den Strommarkt verlassen, weil sich ihr Betrieb wegen der hohen Preise für Emissionszertifikate nicht mehr lohnt.
Im Jahr 2023 hatten die Erneuerbaren im Schnitt schon einen Anteil von 60 Prozent an der gesamten Nettostromerzeugung. Insbesondere Solaranlagen boomen: Viele Experten halten inzwischen für realistisch, dass Deutschland seine Ausbauziele für Photovoltaikanlagen – 215 Gigawatt bis 2030 und 400 Gigawatt bis 2040 – erreichen wird. Hinzu kommt der Ausbau der Windkraftanlagen auf See und zu Lande. Die Branche geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 die geplanten 30 Gigawatt Offshore am Netz sind.
Die Erzeugungsstruktur für Elektrizität hat sich durch diese Entwicklung radikal geändert. Früher wurden die großen Kohle- und Kernkraftwerke in den industriellen Zentren im Westen und im Süden Deutschlands angesiedelt, wo der meiste Strom verbraucht wurde. Das hatte für die Versorger den Vorteil, dass die Länge der Stromleitungen kurz blieb und dadurch Kosten gespart wurden. Den Verbrauchern garantierte es eine sichere und gleichmäßige Stromversorgung.
Dieses integrierte Versorgungsmodell hat sich durch die regenerativen Energien radikal gewandelt: Windräder stehen weit gestreut vor allem im Norden und Osten Deutschlands. Solaranlagen sind über das ganze Land verteilt. Allen ist inzwischen klar, dass die Stromnetze in den kommenden Jahren dringend ausgebaut werden müssen, um den zunehmenden Ökostrom transportieren zu können.Englands Blick auf Deutschland
Anfang des Jahres prognostizierte der Internationale Währungsfonds (IWF) für die deutsche Wirtschaft ein reales Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Damit bildet Deutschland unter den Industrienationen der Welt das Schlusslicht. Im Grunde tritt die Bundesrepublik seit Anfang 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie, wirtschaftlich auf der Stelle.
Für das Bild von Deutschland im Ausland hat das Folgen: So schreibt The Times, London (by Juliet Samuel), dass die „goldene Dekade“ für Deutschland vorbei ist und die Aussichten für den Kontinent ohne Energie und Reformen düster aussehen. Deutschlands Schwierigkeiten sind aber auch Englands Problem, merkt die Zeitung in der Überschrift des Artikels an.
Als Aufreißer für den Zustand Deutschlands beginnt der Artikel mit den notorischen Verspätungen der Deutschen Bundesbahn, die dem veralteten Schienennetz und den unzureichenden Investitionen zuzuschreiben sind. Erinnert wird auch daran, dass Deutschland schon einmal, in den späten 90er Jahren des Reformstaus, als der „sick man in Europe“ bezeichnet wurde. Danach habe Deutschland für eine Dekade lang vom billigen russischen Gas, dem unterbewerteten Euro und der chinesischen Nachfrage nach deutschen Maschinen profitiert. Diese Säulen des deutschen Wachstumsmodells sind jetzt aber gefallen, konstatiert das Londoner Blatt lapidar.
Andererseits, so die Times, muss Europa ein Interesse an einem erfolgreichen Deutschland haben, ob es einem gefällt oder nicht. Es mag seine wirtschaftliche Macht gegenüber schwachen Euro-Ländern zwar gelegentlich rücksichtslos und arrogant ausgeübt haben, seine Wettbewerbsfähigkeit und Zahlungsbilanz waren aber nie angreifbar. Deutschland bleibt für Times der Motor Europas, auch wenn der Abstand zu vielen seiner Nachbarn kleiner geworden ist. Wenn die deutsche Wirtschaft ihren Anteil am globalen Wachstum nicht halten kann, werden auch die Aussichten für das restliche Europa düster. Mit Deutschlands Abstieg würden die hoch entwickelten, innovativen und vernetzten Produktionskapazitäten in Europa erodieren.
Klimaschutzverträge – ein Plan mit Risiken
Mit Klimaschutzverträgen will Wirtschaftsminister Robert Habeck Industrieunternehmen, die auf eine klimaschonende Produktionsweise umrüsten, bis zu 15 Jahre lang die dadurch entstehenden Mehrkosten erstatten. Vor allem energieintensive Unternehmen zeigen großes Interesse am Abschluss von solchen Verträgen mit der Bunderegierung. Die erste Ausschreibungsrunde endete mit einem für das Wirtschaftsministerium erfreulichen Ergebnis: bis zum 11. Juli 2024 gingen 17 Gebote mit einem Volumen von 5,3 Milliarden Euro ein. Diejenigen Unternehmen, die zu den geringsten Subventionskosten die größte Treibhausgas-Einsparung erzielen, sollen den Zuschlag erhalten.
Unbestreitbar geht es um viel Geld, das an die Unternehmen zu verteilen ist. Das Geld stammt aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF). Für die erste Ausschreibungsrunde hat Habeck 4 Milliarden Euro bereitgestellt. Für eine weitere Runde im Herbst dieses Jahres stellt er noch einmal weitere 19 Milliarden Euro in Aussicht. „Heute ist ein guter Tag für den Klimaschutz“, so Robert Habeck. „Ein guter Tag für die Wirtschaft. Vor allem für die Industrie. Und ein guter Tag für den Produktionsstandort Deutschland.“
Es gehört zum Selbstverständnis deutscher Klimapolitik, sich gern als einer der globalen Vorreiter zu sehen. Und aus Sicht des Wirtschaftsministeriums setzt Deutschland mit den Klimaschutzverträgen international neue Standards. „Wir sind das erste Industrieland, das dieses Instrument einführt“, verkündete der grüne Wirtschafsminister Robert Habeck im März 2024 bei der Vorstellung des Programms.
Produktivitätsfortschritte statt „Wachstumsinitiative“ der Bundesregierung
Die Bundesregierung erwartet für 2024 ein Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von nur 0,2 Prozent. Das bedeutet zweifelsohne, dass die deutsche Wirtschaft stagniert. Dazu paßt die prekäre Auftragslage vieler Unternehmen: Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes sind die Auftragseingänge sowohl im Maschinenbau als auch bei den Autoherstellern und in der Pharmaindustrie deutlich zurückgegangen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärt diese Entwicklung mit dem überraschenden Einbruch der Exporte, der der Wirtschaft einen Dämpfer versetzt habe. „Erst im Zuge der weiteren Erholung des Welthandels und der allmählichen Belebung der Nachfrage nach Industrieerzeugnissen dürften sich die Auftragseingänge stabilisieren“, meint das Wirtschaftsministerium.
Konjunkturelle Gründe sind aber nicht die eigentliche Ursache für die anhaltende Schwäche der deutschen Industrie. Dass es trotz robuster Weltkonjunktur noch keinen Zuwachs bei den Auslandsbestellungen gibt, liegt nach Ansicht der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) an handfesten strukturellen Problemen, wie den hohen Kosten für Energie und Personal, bürokratischen Lasten und dem Fachkräftemangel. Mit einem baldigen Aufschwung sei daher erst einmal nicht zu rechnen.
Als Antwort auf diese Kritik hat sich die Ampelregierung deshalb im Rahmen der Haushaltsaufstellung für 2025 zu einer „Wachstumsinitiative“ durchgerungen, mit der die binnenwirtschaftlichen Kräfte angeregt werden sollen. Das soll über steuerliche Entlastungen, zinsgünstige Investitionskredite, Anreize zu Mehrarbeit, weniger Bürokratie und mehr Geld für den Wohnungsbau geschehen. Die Bundesregierung erhofft sich davon ein zusätzliches Wachstum von 0,5 Prozent (= 26 Milliarden zusätzliches BIP). Den großen Wurf sieht die Bundesregierung darin offensichtlich aber nicht.
Die wirtschaftspolitische Wende
Mit dem neuen Grundsatzprogramm hat die CDU unter ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz auch in der Wirtschaftspolitik ein neues Kapitel aufgeschlagen. An etlichen Stellen des Programms wird die Bedeutung der „Sozialen Marktwirtschaft“ hervorgehoben. Dass dies als bewusste Abgrenzung zu dem von Angela Merkel und den Grünen vertretenen Leitbild der „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ zu verstehen ist, hat die Programmkommission klar zum Ausdruck gebracht: „Die Soziale Marktwirtschaft ist und bleibt unser Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell. Sie umfasst auch eine ökologische Dimension.“
Dass sich die Wirtschaftspolitik einer CDU-geführten Bundesregierung in erster Linie um den Klimaschutz drehen wird, ist mit diesem Grundsatzprogramm nicht zu erwarten. Manche Sätze lesen sich wie eine Kritik an der Ampelkoalition. Zum Beispiel dieser: „Wir müssen Schluss machen mit der Idee, dass der Staat besser weiß, wie sich Menschen und Unternehmen für die Zukunft aufstellen. Freiheit ist Innovationstreiber, Verbote sind es nicht“.
Der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht das naturgemäß ganz anders. Im ZDF-Talk mit CDU-Chef Friedrich Merz erklärte er: Eine allgemeine Wirtschaftspolitik, die der Wirtschaft „die besten allgemeinen Bedingungen“ verschaffe, sei „ein Denken der Vergangenheit“. Er werde mit Subventionen aktiv dafür sorgen, dass „die Schlüsselindustrien, die wir haben, hier im Land bleiben“ und die Industrie ihre Klimaziele erreiche. Ideengeber für eine solche Wirtschaftspolitik sind linke Wirtschaftswissenschaftler, die der Politik zutrauen, der Wirtschaft den richtigen Weg zu weisen, wenn dafür die entsprechenden institutionellen Strukturen geschaffen werden. „Es ist die staatlich gelenkte Wirtschaft in neuem Gewand“, sagte der frühere Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch, zu einer solche Wirtschaftspolitik.
Einen grundlegenden Dissens zwischen der Ampelkoalition und der neuen CDU gibt es auch bei der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, die SPD und Grüne, aber auch CDU-Ministerpräsidenten lockern wollen. Friedrich Merz hat jedoch in das Grundsatzprogramm schreiben lassen, dass an der Schuldenbremse als Instrument der Nachhaltigkeit nicht gerüttelt werden soll. Am Rande des Programmparteitages sagte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn dazu: „Deutschland ist so wenig links wie seit Jahren nicht mehr. Der grüne Zeitgeist ist vorbei.“
Ausgebremste Abschiebungen
In einem Interview mit dem "Spiegel" vom Oktober 2023 äußert sich Kanzler Olaf Scholz für seine Verhältnisse ziemlich klar zur Notwendigkeit von Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. "Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben", sagte der SPD-Politiker dem Nachrichtenmagazin. Wer sich nicht auf Schutzgründe berufen könne und keine Bleibeperspektive habe, müsse gehen. "Wir müssen mehr und schneller abschieben."
Scholz sieht den Sozialstaat in Gefahr, wenn die Zuwanderung unbegrenzt bleibt. "Wer eine unbegrenzte Zuwanderung will, muss so ehrlich sein und sagen, dass wir dann unseren Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, nicht aufrechterhalten könnten." Die Regierung trage Verantwortung dafür, "dass unser Gemeinwesen funktioniert". Dazu gehöre auch "eine gewisse Härte". Eine Begrenzung der Zuwanderung mache "uns nicht zu Unmenschen", unterstrich der Kanzler.
ROLAND KOCH, VORSITZENDER DER LUDWIG-ERHARD-STIFTUNG, zu
"Habeck läuft mit seiner „Industriepolitik“ in die falsche Richtung"
Vor wenigen Tagen gab es in Maybrit Illners wöchentlichem ZDF-Talk eine spannende Auseinandersetzung zwischen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und CDU-Chef Friedrich Merz. Aus der grünen Community wurde später emsig getwittert, Habeck habe Merz jetzt einmal die Grundsätze moderner Wirtschaftspolitik erklärt. In der Tat hat der Bundeswirtschaftsminister die grüne Wirtschaftsideologie erläutert und diese verdient nähere Betrachtung.
Einige seiner Sätze am Ende der Sendung sollten wir uns genauer anschauen: „Es gab in der alten Bundesregierung nie Industriepolitik, eine strategische Herangehensweise an die Industrie. Weil man gesagt hat, wir machen nur allgemeine Wirtschaftspolitik. Ich sage, dass das ein Denken der Vergangenheit ist, weil bestimmte Sparten auch bei den besten allgemeinen Bedingungen nicht kommen werden oder abwandern. Andere Länder auf der Welt, wie USA und China, werden sie mit harten Subventionen abziehen... Dann müssen wir aktiv dafür sorgen, dass die Schlüsselindustrien, die wir haben, hier im Land bleiben. …dann zu sagen, das machen wir durch allgemeine Wettbewerbspolitik, wird der Realität nicht gerecht.“
Deutlicher kann man in der Tat den Unterschied zu den klassischen und erfolgreichen Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards nicht beschreiben. Zu Beginn weise ich vorsorglich das Argument zurück, dieses Denken in neuer staatlicher Industriepolitik sei den aktuellen Verwerfungen der Weltwirtschaft geschuldet und deshalb könne man die Maßstäbe Ludwig Erhards nicht mehr anlegen. Der Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft entstand jedoch gerade zu Zeiten einer zerklüfteten ökonomischen Welt, weit vor der Zollfreiheit in Europa und im Angesicht des Protektionismus vieler verschlossener Märkte.