Undemokratische Klimapolitik
Auf der Pariser Weltklimakonferenz im Dezember 2015 einigten sich die Teilnehmerstaaten darauf, die Erderwärmung "möglichst" nicht über 1,5 Grad steigen zu lassen. Um dieses 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, sollte spätestens bis zum Jahr 2050 „Klimaneutralität“ hergestellt werden. Das bedeutete, dass ab Mitte des Jahrhunderts nicht mehr Treibhausgasemissionen ausgestoßen werden sollen, als zum Beispiel durch Aufforstung, unterirdische Kohlenspeicher etc. aufgefangen werden können.
Artikel 4 des Übereinkommens der Klimakonferenz lautet: „Zum Erreichen des [...] langfristigen Temperaturziels sind die Vertragsparteien bestrebt, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen, [...] und danach rasche Reduktionen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen, um in der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken [...] herzustellen.“
Der abgeschlossene Klima-Vertrag war rechtlich nicht bindend, sondern legte die Umsetzung des vereinbarten Ziels in die Hände der Vertragsstaaten. Sie sollten sich konkrete Ziele zur Minderung des CO2-Ausstoßes setzen, die alle fünf Jahre überprüft und verschärft werden sollten. Sanktionsmöglichkeiten gab es nicht. Doch die Europäische Union (EU) und einige EU-Länder wie Deutschland, verpflichteten sich durch Gesetz, bis 2050 klimaneutral zu werden.
Bei der Wahl der Mittel zur Erreichung des 1,5 Grad-Zieles waren die Regierungen relativ frei. Das verpflichtende Ziel der Klimaneutralität sollte jedoch der Antrieb für die Vertragsstaaten sein, klimapolitische Aktivitäten zu ergreifen. So wurde in der EU ein Emissionshandelssystem geschaffen, um die Emissionen zu reduzieren. Zusätzlich setzte die EU im Verordnungswege insbesondere für den europäischen Verkehrssektor zahlreiche Grenzwerte für den Ausstoß klimaschädlicher Gase fest. Außerdem wurde ein CO2-Grenzausgleich eingeführt. Dieser erhebt eine CO2-Abgabe auf Importe bestimmter Waren aus Ländern mit geringeren Klimaaktivitäten.
CDU und Russlandpolitik
Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine Mitverantwortung für den Krieg in der Ukraine verneint und ist dafür u.a. von dem früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) kritisiert worden. Aus Schäubles Sicht haben alle Politiker den Fehler gemacht, die Bedrohung durch Wladimir Putin zu unterschätzen. "Wir wollten es nicht sehen. Das gilt für jeden." Er sei in diesem Punkt auch wütend auf sich selbst. Anzeichen für die Gefahr habe es nämlich gegeben.
So sieht es auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken: "Es war ein parteiübergreifender Fehler der deutschen Politik, die Entwicklung in Russland zu naiv zu beurteilen und die warnenden Stimmen aus Ost- und Mitteleuropa zu überhören. Wir hätten sehen können, was Putin vorhat, wir haben es aber alle nicht sehen wollen. Die günstigen Energiepreise haben uns für die Gefahren blind gemacht."
Für Wolfgang Schäuble ist es deshalb "bemerkenswert", dass Angela Merkel "auch jetzt in Bezug auf Russland nicht sagen kann, dass wir Fehler gemacht haben". Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sollte deshalb mit einer "selbstkritischen Reflektion" nicht länger warten - auch als Grundlage für eine neue Ost- und Russlandpolitik.
Der langjährige politische Berater der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim Falenski, hat dazu in der FAZ vom 20. Februar 2023 eine wichtige Vorarbeit geleistet, auf der die nachfolgenden Ausführungen beruhen.
Grüne Profiteure
Als Wirtschaftsminister Robert Habeck sich kurz nach seinem Amtsantritt mit dem Argument, "Wir haben eine Gas- und keine Stromkrise" gegen den Weiterbetrieb der letzten drei Atomkraftwerke aussprach, wusste er vermutlich noch nicht, dass der Gaspreis auch den Strompreis bestimmt. Inzwischen müsste er aber gelernt haben, dass der Preis für Strom auf dem Strommarkt nach dem "Merit-Order"-Verfahren festgelegt wird.
Die Höhe des Strompreises hängt danach von den Betriebskosten des teuersten Kraftwerks ab, das aktuell Strom liefert. Weil wegen des Ukraine-Kriegs der Gaspreis in die Höhe geschnellt ist, bestimmen die teuren Gaskraftwerke derzeit den Preis. Alle anderen Anbieter, die billigen Strom produzieren, verdienen dadurch sehr viel Geld. Das gilt besonders für erneuerbare Energien, weil Sonne und Wind nichts kosten.
Was das für den industriellen Mittelstand in Deutschland bedeutet, zeigt das Beispiel der Schonlau-Werke, einer familiengeführten Eisengießerei bei Paderborn. Der Betrieb mit 170 Mitarbeitern braucht jede Menge Energie für das Schmelzen des Eisens. Wenn das Unternehmen jetzt Strom für das nächste Jahr einkauft, kostet das dreizehnmal so viel wie bisher. Die Stromkosten drohen ein Mehrfaches des in normalen Zeiten erwirtschafteten Jahresgewinns des Unternehmens zu erreichen. Der geschäftsführende Gesellschafter Dürkes kalkuliert, dass er deshalb die Preise seiner Produkte um die Hälfte erhöhen muss. Sollten seine Kunden, darunter viele mittelständische Maschinenbauer, die selbst kämpfen müssen, das nicht akzeptieren, „wären wir innerhalb der ersten Quartals 2023 insolvent“, sagt der Gießerei-Besitzer (FAS 11.09.2022).
Jackson Hole 2022
Zum traditionellen Treffen in Jackson Hole kommen Notenbanker, Banker und Forscher aus aller Welt zusammen, um über Geldpolitik zu sprechen. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, reiste in diesem Jahr (2022) nicht an, sondern ließ sich von Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel vertreten.
Dabei brennt auch in Frankfurt die Hütte. 8,9 Prozent betrug die Inflation im Euroraum zuletzt, in einzelnen Euroländern mehr als 20 Prozent. Im Juli hatte die EZB erstmals die Zinsen um 0,5 Prozent angehoben; ohne dass irgendjemand glaubt, dass das jetzt reicht.
Lagarde will den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik möglichst behutsam vollziehen. Von einer Normalisierung der Zinspolitik ist die Geldpolitik aber noch weit entfernt. Wegen der hohen Inflation bleibt die Realverzinsung im tiefroten Bereich.
Noch im November 2011, als die Inflation schon über 5 Prozent gesprungen war, sagte Isabel Schnabel: „Wir wissen, dass die Preise im nächsten Jahr allmählich zurückgehen werden.“ Also musste die EZB nicht tätig werden, als andere Notenbanken die Leitzinsen bereits angehoben hatten.Der Gasnotstand kann vermieden werden!
Putin hat die Lieferung von russischem Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland und Europa um 60 Prozent gedrosselt. Mitte Juli will der russische Staatskonzern Gazprom diese Pipeline außerdem einer zehntägigen Wartung unterziehen. Was dann passiert, ist ungewiss und hat bei der Bundesregierung sowie in der Industrie zu großer Nervosität geführt. Auf dem Petersburger Wirtschaftsgipfel hat Putin jüngst in scharfen Worten deutlich gemacht, dass zukünftig nach russischen Regeln gespielt wird. Deswegen hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Alarmstufe ausgerufen.
Für Habeck ist sein Vertrauter Klaus Müller (beide Grüne) der Mann, der die Gas-Krise an entscheidender Stelle managen soll. Müller ist Präsident der Bundesnetzagentur, die für die zentralen Netze wie Gas, Strom, Telekommunikation, Post und Eisenbahn verantwortlich ist. Früher war Müller oberster Verbraucherschützer in Deutschland. Dem „Hamburger Abendblatt“ hat er jüngst in einem Interview dargestellt, wie er die Lage beurteilt und die Krise lösen will.
Laut Müller sind die Gasspeicher aktuell erst zu 60 Prozent gefüllt. Die Bundesregierung hat deshalb die Marktgebietsverantwortlichen mit 15 Milliarden Euro ausgestattet, damit auf dem Markt Gas eingekauft und eingespeichert werden kann – zu extrem hohen Preisen. Darüber hinaus sind vier schwimmende Flüssiggasterminals gechartert worden, wovon zwei im Winter in Betrieb gehen sollen. Müller wollte in dem Interview aber nicht ausschließen, dass Industriebetriebe oder Privathaushalte im nächsten Winter ohne Gas dastehen.
Die Herausforderung des liberalen Westens
Kalter Krieg
Wie der Westen dem russischen Expansionsdrang nach dem 2. Weltkrieg widerstehen konnte, hat der US-Diplomat und Historiker George F. Kennan, der als Vater der Politik des Containments (Eindämmung) gilt, in seinen Erinnerungen eindrucksvoll beschrieben. Über die russische Politik schreibt er ganz generell: „Der Logik der Vernunft unzugänglich, ist die russische Führung der Logik der Macht in hohem Maße zugänglich.“
Kennans zentrale Aussage über Russland besteht darin, dass sein Imperialismus mit den Verhältnissen außerhalb Russlands wenig zu tun hat, sondern sich „im Großen und Ganzen aus elementaren innerrussischen Notwendigkeiten“ ergibt. Die russischen Herrscher hätten im Grunde alle gewusst, dass ihre Herrschaft veraltet war, so dass sie den Vergleich mit den westlichen Ländern nicht aushalten konnten. „Aus diesem Grunde haben sie immer vor fremder Durchdringung Furcht gehabt.“ In dieser Angst sieht Kennan die Ursache für den russischen Argwohn gegenüber dem Westen und den Hang des Kremls, auf militärische Stärke zu bauen. So erklärt er auch, warum die Außenwelt für die russische Führung „böse, feindselig und drohend ist“.
Die Ukraine und Merkel
Angela Merkel hat den russischen Angriff auf die Ukraine am 25 Februar 2022 in einer schriftlichen Erklärung scharf verurteilt. Eine Mitverantwortung für den Krieg hat sie verneint und gleichzeitig erklärt, keine weiteren öffentlichen Erklärungen zu ihrer Russlandpolitik abgeben zu wollen.
Die neue CDU-Spitze hat sich in der Debatte über eine Mitverantwortung von Angela Merkel für den russischen Angriff hinter ihre frühere Chefin gestellt. „Es wäre vermessen, zu behaupten, dass Angela Merkel eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine trifft. Es ist Putins Krieg gegen die Ukraine und der seiner Verbrecherclique im Kreml“, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja gegenüber der DPA.
Demgegenüber hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier inzwischen Fehler im politischen Umgang mit Russland eingeräumt. "Wir sind gescheitert", sagte er in einem Gespräch mit Journalisten im Schloss Bellevue. Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben. Auch sein Festhalten an Nord Stream 2 sei "eindeutig" ein Fehler gewesen.
Andere führende CDU-Mitglieder sind mit Merkels Schweigen nicht einverstanden. Johann Wadephul, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, forderte in der Osnabrücker Zeitung, „dass Angela Merkel bald einmal Zeit und Anlass findet, sich vertieft zu ihrer Russlandpolitik zu äußern“. Er habe ihre Politik lange für richtig gehalten. „Meine Überzeugung war es, dass die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Russland und Deutschland auch für Russland handlungsbestimmend sein würde. Ich habe mich geirrt.“
Wahlanalyse der Bundestagswahl 2021
Bei der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag erlitt die CDU/CSU Rekordverluste und ist mit nur noch 24,1 Prozent (minus 8,9 Prozentpunkte) auf ein Allzeittief gefallen. Die SPD legte zu und wurde – als schwächster Wahlsieger bei Bundestagswahlen – mit 25,7 Prozent (plus 5,2) stärkste Partei. Die Grünen erzielten mit 14,8 Prozent (plus 5,8) ihr bislang bestes Ergebnis im Bund, die FDP verbesserte sich geringfügig auf 11,5 Prozent (plus 0,7), die AfD kam nach Verlusten auf 10,3 Prozent (minus 2,3). Die Linke rutschte mit 4,9 Prozent (minus 4,3) unter die Fünf-Prozent-Marke, wird aber nach dem Gewinn von drei Direktmandaten im nächsten Bundestag vertreten sein.
Die CDU-Spitze hat den Mitgliedern der CDU eine schonungslose Analyse der Bundestagswahl 2021 versprochen, aber bisher nicht geliefert. Stattdessen ist sie vollauf damit beschäftigt, unter Einbeziehung der Parteimitglieder die zukünftige Führung der Partei zu organisieren. Doch wie sollen die Mitglieder über Personen entscheiden, wenn sie die Gründe für das Wahldebakel nicht wirklich kennen.
Merkels politischer Weg
1954 – 1989
Aufgewachsen in einem evangelischen Pfarrhaus in der DDR; Mitglied der FDJ.
Mitarbeiterin an der Ostberliner Akademie der Wissenschaften; während ihrer Zeit am ZIPC zeitweise als Kreisleitungsmitglied und 'Sekretärin für Agitation und Propaganda' bei der FDJ tätig - sie selbst spricht in diesem Zusammenhang von 'Kulturarbeit'.
Ende 1989
Fall der Mauer: Merkel engagiert sich beim Demokratischen Aufbruch (DA), einer ursprünglich links orientierten politischen Organisation. Aus dieser Zeit ist die Aussage verbürgt, dass sie mit der CDU nichts zu tun haben will.
April 1990
Unter dem letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière Vize-Regierungssprecherin
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"Angela Merkel denkt vom Ende her"?
Mit diesem Satz, der von Journalisten erfunden wurde, soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Physikerin Angela Merkels als Bundeskanzlerin eine rationale und stringente Politik gemacht hat. Belegt wurde diese Aussage nie. Schaut man näher hin, stellte man sogar fest, dass ihre Politik im Gegenteil über weite Strecken widersprüchlich und unkoordiniert verlaufen ist. Das lässt sich an vielen Beispielen zeigen:
Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021
Mit seinem Klimabeschluss vom 24. März 2021 fordert das Bundesverfassungsgericht von der Politik erheblich mehr Anstrengungen, um schnellstens „Klimaneutralität“ zu erreichen. Zur Begründung bezieht sich das Gericht auf ein angebliches „CO2-Restbudget“ für Deutschland in Höhe von sechs Gigatonnen, von dem Ende 2030 nur noch eine Gigatonne übrig ist, wenn Aso viel CO2 emittiert wird, wie nach dem geltenden Klimaschutzgesetz zulässig ist. Das Bundesverfassungsgericht argumentiert also, als ob die Abwendung der Klimakatastrophe allein von der deutschen Klimapolitik abhängig ist.
An dieser Argumentation hat der Staatsrechtler Dietrich Murswiek in einem in der Tageszeitung „DIE WELT“ vom 20.08.2021 veröffentlichten Beitrag heftige Kritik geäußert.
Murswiek kritisiert insbesondere, dass die Erderwärmung kein nationales, sondern ein globales Problem ist. Die deutschen Treibhausemissionen machen nur knapp zwei Prozent der weltweiten Emissionen aus. Es liegt deshalb auf der Hand, dass Deutschland mit seinen zwei Prozent nicht die eigentliche Ursache der Erderwärmung ist und sie auch nicht aufhalten kann, wenn es sein angebliches „Restbudget“ nicht überschreitet.
Klimaschutz als Staatsziel
- Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem am 24. März 2021 verkündeten Beschluss das im Jahr 2019 vom Bundestag verabschiedete Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt. Das Gericht gab damit überraschend den Verfassungsbeschwerden verschiedener Umweltverbände und junger Umweltschützer statt, denen die Ziele und Maßnahmen des Gesetzes nicht ausreichend erscheinen.
Die Entscheidung wird damit begründet, dass das Klimaschutzgesetz 2019 mit den vorgesehenen Maßnahmen die kommende Generation in der Ausübung ihrer Grundrechte übermäßig einschränkt und belastet. Es ist die gleiche Begründung, mit der Greta Thunberg auf dem UN-Klimagipfel die Politiker konfrontierte: „How dare you?!“ Gemeint ist damit der Vorwurf, dass die Jungen ausbaden müssen, was die Alten beim Klimaschutz nicht erledigen, so wie es die Jugendlichen von „fridays for future“ immer wieder verkünden.
Die rechtliche Konstruktion, mit der das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss bereits eine „gegenwärtige“ Grundrechtsverletzung bei einer „zukünftigen“ Grundrechtseinschränkung annimmt, stellt eine juristische Neuheit dar. Die Verfassungsrichter stützen sich dabei auf die Staatszielbestimmung in Artikel 20a Grundgesetz (GG), wonach der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen seiner Bürger „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen“ schützen soll. Nach bisher allgemein vertretener Ansicht handelt es sich dabei jedoch nicht um ein Grundrecht, sondern um eine Staatszielbestimmung, die vom Bürger nicht einklagbar ist und unter dem Vorbehalt des Möglichen steht.
MIT-Beschluss zu Corona
vom 26.02.2021
Der MIT-Bundesvorstand hat am 26. Februar 2021 zur Corona-Pandemie folgenden Beschluss gefasst:
Der Lockdown belastet unsere Gesellschaft in einer Dimension, wie wir es seit Ende des zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt haben. Die Wirtschaft ist in schweres Fahrwasser geraten, ganze Branchen kämpfen ums Überleben, unsere Innenstädte drohen auszubluten. Gleichzeitig häufen wir neue Schulden an und verengen damit die Spielräume künftiger Generationen. Dabei sind gerade die Jüngsten in unserer Gesellschaft schon heute durch geschlossene Kitas und Schulen massiv betroffen. Nicht wenige von ihnen dürften als Bildungsverlierer aus dieser Kreise kommen. Kurzum: Eine Corona-Politik, die allein auf das Instrument „Lockdown“ setzt, nimmt schwere Spätfolgen in Kauf. Umso dringender braucht es jetzt einen neuen Strategieansatz. Wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben muss auch in Corona-Zeiten ermöglicht werden.
Corona-Strategie
Merkels Corona-Politik
Seit drei Monaten ist das Land im zweiten Lockdown, doch die Bilanz bleibt ernüchternd. Noch immer stecken sich zu viele Menschen an. Doch die Bundeskanzlerin erzählt der Öffentlichkeit: „Im Großen und Ganzen“ ist nichts schiefgelaufen.
Diese Meinung teilt Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) explizit nicht: „Europa hinkt beim Impffortschritt deutlich hinterher. Großbritannien, Israel, die USA – alle diese Länder haben es besser gemacht“, sagte er der Tageszeitung DIE WELT.
Heiner Garg kritisiert insbesondere den Politikstil von Angela Merkel: „Am meisten nervt mich inzwischen die Art und Weise, in der die Ministerpräsidentenkonferenzen mit der Kanzlerin vorbereitet werden. Eine Woche vor dieser Sitzung äußern sich bestimmte Leute, was alles passieren könnte, wenn man dem vom Kanzleramt vorgegebenen Weg nicht folgt. Einen Tag vor der Konferenz wird dieser Weg dann zu Papier gebracht, gerät an die Öffentlichkeit und wird dann mehr oder weniger konsequent verabschiedet. Die Länder dürfen das dann umsetzen.“
Über den Politikstil der Kanzlerin ist schon häufiger diskutiert worden. Der Öffentlichkeit wird von bestimmten Leuten erzählt, dass sie „ihre Politik generell vom Ende her gestaltet“. Gemeint ist damit, dass sie als Naturwissenschaftlerin zielgerichtet handelt und die einzelnen Schritte dahin sorgfältig plant. Doch so hat Angela Merkel noch nie Politik gemacht.
Die richtige Metapher für Merkels Politikstil ist vielmehr „das Fahren auf Sicht“. Sie begründet diese Art des Regierens damit, dass sich die Politik meistens in einer Situation befindet, die sich rasant ändert. Deshalb mache eine langfristige Strategie keinen Sinn, sondern die Politik müsse sich täglich neu erfinden. Für diesen Politikstil von Angela Merkel gibt es viele Beispiel: die Bankenkrise 2008, die Staatsschuldenkrise 2010, der Atom-Ausstieg 2011 und die Grenzöffnung für Flüchtlinge 2015. Nie hatte sie einen langfristigen Plan, sondern sie ist immer auf Sicht gefahren.
So will Angela Merkel nun auch die Corona-Krise meistern: Je nach der Entwicklung von R-Wert und Inzidenz entscheidet ein kleiner Kreis im Kanzleramt, was zu tun ist. Meistens geht es dabei um eine Verschärfung der Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen, nicht aber um eine langfristige Strategie zur Bekämpfung der Pandemie. In den Spitzentreffen wird nur noch abgenickt, was im Kanzleramt beschlossen wurde. Das Parlament taucht in diesem Entscheidungsverfahren nicht auf.
Doch diesmal geht es nicht um Staatsschulden, Atomenergie oder Flüchtlinge, sondern um die Gesundheit und das Leben von Bürgern, die durch das Corona-Virus gefährdet sind. Mit einem „Fahren auf Sicht“ wird die Politik diese Herausforderung nicht meistern.
Ad-Hoc-Krisenmanagement
(2010)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse im Jahr 2010.
Die NRW-Wahl
Im Mai 2010 wählte Nordrhein-Westfalen sein Landesparlament. Für die CDU stand vieles auf dem Spiel: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) kämpfte um sein politisches Überleben. Für die CDU/FDP-Regierung in Berlin ging es um die Gestaltungsfähigkeit im Bund. Bei einer Wahlniederlage der CDU war die Mehrheit im Bundesrat verloren, so dass SPD und Grüne bundespolitische Vorhaben blockieren konnten. Entsprechend hoch war die Nervosität in Berlin, als dieses Szenario in den Umfragen als möglich erschien.
Die CDU-Führung in Düsseldorf und Berlin reagierte auf die Gefahr eines Wahlverlustes mit einer diffusen Wahlkampfstrategie, um insbesondere Wähler links von der Mitte anzusprechen. Ich hielt diese Strategie für riskant: Jeder Kaufmann wisse, dass man die Stammkunden nicht vernachlässigen dürfe, um die Laufkundschaft zu gewinnen, schrieb ich in der Zeitschrift „souverän“. Wenn die Union ihre treuen Anhänger, die Christlich-Sozialen, die Konservativen und Wirtschaftsliberalen, vergrätze, würde sie beide verlieren, die Stammwähler und die Wechselwähler. Die Union bräuchte jedoch alle. „Das erreicht sie aber nicht mit einem Warenhauskatalog, aus dem sich jede Gruppe das herauspicken kann, was ihr gefällt, sondern sie muss Orientierung, Standfestigkeit und Profil bieten.“ Wenn sich 13 Prozent der Wähler Angela Merkel auch an der Spitze der SPD vorstellen könnten, so spräche das nicht gerade für einen geschärften Marketing-Auftritt der CDU, kritisierte ich. Eine solche Öffnungsstrategie der CDU möchte vielleicht für Koalitionsvarianten auf Bundesebene nützlich sein, der Partei in den Ländern könnte sie aber gewaltig auf die Füße fallen.
15 Jahre Merkel´sche Wirtschaftspolitik
(Teil 2)
15 Jahre Merkel´sche Wirtschaftspolitik
Die Union stellt seit 15 Jahren mit Angela Merkel die Bundeskanzlerin: dreimal in einer Koalition mit der SPD (2005-2009, 2009-2013, 2017-2021) und einmal mit der FDP (2013-2017).
Die Bundesregierung stand in diesen Jahren wirtschaftspolitisch mehrfach vor großen Herausforderungen: durch plötzliche Wirtschaftskrisen (Banken- und Wirtschaftskrise, Staatsschuldenkrise, Corona-Pandemie) oder aufgrund politischer Megavorhaben (Energiewende, ökologische Transformation). Angela Merkel stand dabei immer im Mittelpunkt, entweder als Krisenmanagerin oder als Bundeskanzlerin.
Die Kanzlerschaft von Angela Merkel wird voraussichtlich im Jahr 2021 enden. Man wird dann feststellen, dass sie ihrem Nachfolger kein fertiges Haus, sondern zahlreiche unerledigte Baustellen hinterlässt: Die Corona-Pandemie hat die europäische Wirtschaft erneut tief getroffen, ohne dass ein Ende absehbar ist. Gleichzeitig steigen die Staatsschulden in den südlichen Ländern mit Hilfe der EZB in Rekordhöhe. Und an Europas Grenzen grassiert die illegale Einwanderung, weil die EU sich über deren Eindämmung nicht einig ist.
Die deutsche Wirtschaft sieht sich vor allem durch die Energiewende in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedroht. Der Politik gelingt es zwar, die fossilen und atomaren Energieanlagen (Atom, Stein- und Braunkohle) zügig stillzulegen, weniger erfolgreich ist die Bundesregierung jedoch beim Ausbau der benötigten Alternativen (Wind und Sonne). Es will auch nicht gelingen, mit all den klimapolitischen Anstrengungen einen nachweisbaren Beitrag zur Verminderung der Erderwärmung zu präsentieren. Sicher ist nur, dass mit der energiepolitischen Transformation die Verbraucher und die deutsche Wirtschaft erheblich belastet werden. Die derzeitigen Entlassungen in der Automobilindustrie geben einen Vorgeschmack davon, was auf die deutsche Industrie noch zukommen wird.
Es ist deshalb an der Zeit, die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in den letzten fünfzehn Jahren auf den Prüfstand zu stellen. Es soll dabei insbesondere auch um die Frage gehen, was aus der CDU, die Konrad Adenauer und Ludwig Erhard zu ihren Gründungsvätern zählt, in dieser Zeit geworden ist.
Steuergelder für Solar- und Windparks
Am Ende ihrer Amtszeit steht Angela Merkel in der Klimapolitik mit dem Rücken zur Wand: Die Bundesregierung wird die Klimaziele, die sie sich selbst gesetzt hat, deutlich verfehlen. Sie verweist zwar stolz auf den gestiegenen Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch, der aktuell rund 43 Prozent beträgt, verschweigt aber gleichzeitig, dass der Ausbau der Wind- und Sonnenenergie in den vergangenen Jahren praktisch zum Erliegen gekommen ist. Zudem tragen Windkraft, Fotovoltaik und Windkraft nur insgesamt 5,5 Prozent zur Deckung des Primärenergiebedarfs bei.
Dafür gibt es verschiedene Gründe: Der Widerstand in der Bevölkerung gegen den weiteren Ausbau der Windkraft ist stetig gewachsesn. In Bayern gilt inzwischen die sogenannte "10H"-Abstandsregelung zur Wohnbebauung, die weitere Projekte praktisch unmöglich macht. Im ersten Halbjahr wurden in Deutschland von 178 neuen Windrädern nur fünf in Bayern errichtet.
Den Stillstand beim Ausbau von Photovoltaik-Anlagen hat die Bundesregierung selbst verursacht, weil sie für deren Förderung einen Deckel von 52 Gigawatt beschlossen hat. Außerdem droht ab 2021 bei der Windkraft ein Rückbau von mehreren Tausend Megawatt, weil viele Anlagen aus der 20-jährigen Förderdauer herausfallen. Es besteht also Handlungsbedarf in der Klimapolitik.
Die EZB im Urteil von Jürgen Stark
Der Ökonom Jürgen Stark war von 2006 bis Ende 2011 Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuvor war er Vorstandsmitglied der Bundesbank und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Jürgen Stark war als überzeugter Zentralbanker immer Verfechter eines engen Mandats der Notenbank. Er ist 2011 als Chefvolkswirt zurückgetreten, weil er sah, dass die EZB unter ihrem Präsidenten Mario Draghi auf die falsche Bahn zu geraten drohte,. „Ich konnte die Entwicklung nicht aufhalten, wollte aber auch nicht Teil von ihr sein“, sagte er in der FAS vom 26. Juli 2020. „Heute muss ich feststellen: Das, was ich damals befürchtet haben, ist nicht nur eingetreten, es ist sogar noch schlimmer gekommen.“
Nach Meinung von Jürgen Stark ist die EZB mit ihrer Politik, überschuldete Staaten durch den Kauf von Staatsanleihen zu finanzieren, „selbst zu einer risikobehafteten Institution geworden“.
Der Weg in die europäische Schuldenunion
Vor dem Start der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli mehren sich die Stimmen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Umbau der EU in eine Schuldenunion warnen. Aktueller Anlass ist der Merkel-Macron-Plan, wonach den von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Regionen der EU mit einem „schuldenfinanzierten Wiederaufbaufonds“ in Höhe von 500 Milliarden Euro geholfen werden soll.
Mit diesem Plan hat die Bundeskanzlerin erneut eine überraschende und grundsätzliche Kehrtwende in der deutschen Europapolitik verkündet. Jahrzehntelang wehrte sich die Bundesregierung dagegen, dass sich die EU als Gemeinschaft verschuldet. Die Warnung vor einer „Schuldenunion“ fehlte auf keinem Parteitag der CDU. Doch jetzt will die Bundeskanzlerin während ihrer EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli 2020 beginnt, den Wiederaufbaufonds mit Schulden finanzieren.
Der geplante EU-Wiederaufbaufonds, den die EU-Kommission inzwischen auf 750 Milliarden Euro aufgestockt hat, soll in den von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Regionen dafür sorgen, dass die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Die dazu benötigten Mittel will sich die EU durch langfristige Anleihen auf den Kapitalmärkten besorgen. Begünstigt sind vor allem die südeuropäischen Länder, denen mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen (2/3 der Mittel = 500 Milliarden Euro) und mit Krediten (1/3 der Mittel = 250 Milliarden Euro) geholfen werden soll. Strenge Auflagen für die Verwendung der Mittel sieht der Plan nicht vor. Die Rückzahlung der Kapitalmarktschulden soll nach Vorstellung der Kommission vornehmlich aus zukünftigen Steuereinnahmen der EU erfolgen (Digitalsteuer, Mindeststeuer für Unternehmen, Plastiksteuer, CO2-Grenzausgleich).
Der EU-Wiederaufbaufonds ist die Erfindung des französischen Finanzministers Bruno Le Maire, der dafür die deutsche Bundeskanzlerin über alle Maßen lobt: „Angela Merkel hat Mut bewiesen und ein Gefühl dafür, dass die Zeit reif war für eine Entscheidung mit historischer Tragweite, und dafür habe ich nur Lob. Es war mutig von der Kanzlerin, gemeinsame europäische Schulden zu akzeptieren. Sie hat dadurch einen Durchbruch möglich gemacht bei den Diskussionen vor der Präsentation der Vorschläge der EU-Kommission für einen Wiederaufbauplan.“
Mit "Wumms" aus der Wirtschaftskrise
Was Bundesfinanzminister Olaf Scholz unter einem „Wumms“ versteht, liegt nun auf dem Tisch. Anfang Juni 2020 teilte die schwarz-rote Bundesregierung der Öffentlichkeit mit, dass sie 130 Milliarden Euro in die Hand nehmen will, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen.
Schon mit dem ersten Corona-Rettungspaket über gut 120 Milliarden Euro im April war Scholz „in die Vollen“ gegangen, wie er selbst sagte. Doch schon bei Ausbruch der Corona-Krise war absehbar, dass noch weitere Konjunkturhilfen nötig sein würden, um die Wirtschaft nach dem politisch verordneten Stillstand wieder in Schwung zu bringen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob das jetzt beschlossenen Konjunktur- und Krisenpaket geeignet ist, die dazu erforderlichen Impulse zu setzen.
Zweifel bestehen schon aufgrund des Umfangs der beschlossenen Maßnahmen: Die beschlossenen Maßnahmen im Werte von 130 Milliarden Euro machen knapp vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Erwartet wird jedoch, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um etwa acht Prozent einbrechen und sich erst im nächsten Jahr langsam erholen wird. Das Konjunktur- und Krisenpaket ist deshalb eher unter- als überdimensioniert.
Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei den beschlossenen Maßnahmen nicht nur um ein kurzfristig wirksames Konjunktur- und Krisenpaket handelt, sondern die Bundesregierung mit dem Paket auch langfristige Zukunftsprojekte auf den Gebieten der Energie und Digitalisierung verwirklichen will. Insgesamt sind 50 Milliarden Euro dafür vorgesehen, sodass nur noch 77 Milliarden Euro auf das eigentliche Konjunkturprogramm entfallen. Dies ist viel zu wenig, um der Wirtschaft kurzfristig zu helfen.
Merkels neue Europawende
Es hat alle überrascht, was Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18. Mai 2020 gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron per Video-Pressekonferenz ankündigte: 500 Milliarden Euro wollen sie über einen „Fonds zur wirtschaftlichen Erholung auf EU-Ebene für Solidarität und Wachstum“ ausgeben, um den von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Regionen wirtschaftlich wieder auf die Beine zu helfen.
Das Geld, und das ist das grundsätzlich Neue, soll den Mitgliedstaaten nicht als Kredit, sondern als verlorener Zuschuss gegeben werden. Die Finanzierung soll durch Anleihen der EU-Kommission auf den Finanzmärkten erfolgen. Für diese Schulden sollen die Mitgliedstaaten einstehen, wofür laut Merkel „der normale Haushaltsschlüssel der Mitgliedstaaten“ gelten soll.
Damit hat die Kanzlerin wieder einmal eine spektakuläre Kehrtwende hingelegt. Jahrzehntelang wehrte sich die CDU dagegen, dass sich die EU als Gemeinschaft verschuldet. Die Warnung vor einer „Schuldenunion“ fehlte auf keinem Parteitag. In der Finanzkrise und danach wurden Wolfgang Schäuble und Angela Merkel nicht müde, ihr kategorisches „Nein“ zu gemeinschaftlichen Anleihen, den sogenannten Euro-Bonds, zu verteidigen. Das alles ist nun Schnee von gestern.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat dem Merkel-Macron-Plan bereits zugestimmt. Scholz sieht darin wie Merkel einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer immer engeren Europäischen Union. Merkel sagte bei ihrem Auftritt mit Macron den bemerkenswerten Satz: „Der Nationalstaat alleine hat keine Zukunft.“ Scholz antwortete auf die Frage, ob er darin einen Schritt zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ sehe, dieses Ziel habe die SPD schon 1925 in ihrem Programm gehabt.
Grundsatzkonflikt über die europäische Integration
Nachdem sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seinem Urteil vom 5. Mai 2020 zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) erstmals über eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hinweggesetzt hat, ist ein Grundsatzkonflikt über die weitere europäische Integration ausgebrochen.
Der EuGH hatte das Ankaufsprogramm (PSPP) der EZB mit Urteil vom 11.12.2018 für rechtmäßig befunden. Dieses Urteil nannten die Karlsruher Richter „methodisch schlechterdings nicht mehr vertretbar“, der EuGH habe damit seinerseits europäisches Recht gebrochen. Das wies das Luxemburger Gericht ausdrücklich zurück und betonte das Primat des EU-Rechts. Unterstützt wurde das Gericht von der Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, die das Karlsruher Urteil in scharfer Form zurückwies und indirekt mit einem Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Union (EU) gegen Deutschland drohte. Die EU-Präsidentin, Ursula von der Leyen, will darüber nachdenken.
Auch der Vorsitzende der EVP-Fraktion, der CSU-Politiker Manfred Weber, äußerte Unverständnis für das Karlsruher Urteil. Die Richter hätten „zwei Dinge in Frage gestellt, die für Deutschland immer zentral waren: das Primat europäischen Rechts und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank“. Die Karlsruher Entscheidung dürfe nicht dazu führen, „dass Polen und Ungarn sich nicht mehr an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs gebunden fühlen“.
Dies sieht der polnische Ministerpräsident Morawiecki ganz anders. Er sprach von einem der wichtigsten Urteile in der Geschichte der Europäischen Union“. Karlsruhe habe schon früher, wie auch das polnische Verfassungstribunal, festgestellt, „dass der Europäische Gerichtshof keine unbegrenzten Kompetenzen hat“. Nun aber sei zum ersten Mal in aller Klarheit gesagt worden: “Die Verträge werden von den Mitgliedstaaten geschaffen, und sie bestimmen, wo für die Organe der EU die Kompetenzgrenzen liegen.“ Versuche, dieses Gebiet zu erweitern, seien „willkürlich und gefährlich für die Rechtstaatlichkeit“. Ohne eine Gewaltenteilung werde „jede Gewalt, auch die der Gerichtsbarkeit, zur willkürlichen, unbegrenzten, undemokratischen Macht“, sagte Morawiecki.
Die Stellungsnahme von Morawiecki trifft den Kern der Sache. Das Urteil des BVerfG stellt weder das Primat des europäischen Rechts noch die Unabhängigkeit der EZB infrage, so Weber. Die Karlsruher Verfassungsrichter waren sich vielmehr darüber einig, im Stimmenverhältnis 7:1, dass die Entscheidung der EuGH zu den Anleihekäufen der EZB „ultra vires“, d.h. außerhalb des ihm erteilten Rechtsprechungsauftrages ergangen ist.
Dies begründet das BVerfG mit insgesamt zehn Leitsätzen folgendermaßen.
Verfassungsgrenzen der EZB-Politik
Ende 2018 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Ankauf von Staatsanleihen ihr Mandat nicht überschritten habe. Dieses Urteil provozierte scharfe Kritik aus Deutschland. Denn in seinem Vorlagebeschluss hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) von "gewichtigen Gründen" gesprochen, die für eine Kompetenzüberschreitung durch die EZB sprächen.
Die Kläger rügten, der Europäische Gerichtshof sei "nicht gewillt, die Europäische Zentralbank in die Schranken ihres Mandats zu verweisen". Die Entscheidung führe zu einer "weiteren Umgestaltung der Währungsunion", kritisierte der zu den Klägern gehörende Peter Gauweiler (CSU). Auch der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm warf dem EuGH vor, eine schleichende Aushöhlung nationaler Kompetenzen zu betreiben, die fernab vom Grundgesetz und in einem nicht demokratischen Modus erfolge (FAZ vom 10.Dezember 2019).
In dieser Lage stand das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor der Aufgabe, über die Verfassungsbeschwerden endgültig zu entscheiden. Dafür gab es zwei Möglichkeiten: Folgte es dem EuGH, hätte es die Verfassungsbeschwerden als unbegründet zurückzuweisen müssen. Das hätte faktisch eine Demontage des BVerfG bedeutet. Hielte es die Verfassungsbeschwerden trotz des EuGH-Urteils jedoch für begründet, wäre das ein europäischer Eklat zwischen den obersten Gerichten, der Folgen haben könnte.
Das BVerfG hat sich mit dem Urteil vom 5. Mai 2020 für den letzteren Weg entschieden und den Verfassungsbeschwerden stattgegeben.
Corona-Krise - ohne Ende?
Alle Welt sucht nach dem richtigen Weg aus der Corona-Krise, auch die Bundesregierung. Wie kann man die Bevölkerung vor dem ansteckenden Virus und die Wirtschaft vor dem Kollaps schützen?
Die Bundesregierung hat in Abstimmung mit den Ländern und Kommunen zur Eindämmung der Corona-Krise bisher folgende Maßnahmen auf den Weg gebracht:
• Die Krankenhauskapazitäten wurden aufgestockt, um die Pandemie zu bekämpfen. Inzwischen gibt es mehr Intensivbetten als benötigt werden.
• Umfassende Ausgangssperren, Kontakt- und Veranstaltungsverbote etc. (Lockdown) wurden angeordnet, damit sich der Virus nicht weiter verbreitet. Seitdem hat sich die Infektionsrate vermindert. Gleichzeitig sind große Teile der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens zum Erliegen gekommen.
• Den wirtschaftlichen Kollateralschaden will die Politik mit finanziellen Hilfen (Darlehen, Subventionen, Steuervergünstigungen etc.) ausgleichen bzw. mildern. Gleichwohl ist zu befürchten, dass viele Unternehmen die Corona-Krise nicht überstehen werden.
Die Bundes- und Landesregierungen stehen dabei vor einer schwierigen Abwägungsfrage: Der Lockdown dient dem Gesundheitsschutz, kostet aber nach den Berechnungen des Ifo-Instituts wöchentlich etwa 25 bis 50 Milliarden Euro an Wertschöpfung. Solche Kosten können nicht dauerhaft durch staatlichen Hilfsprogrammen aufgefangen werden. Schon jetzt gerät der Staat an seine Grenzen. Der Gesundheitsfonds schrumpft massiv. Die Reserven der Bundesagentur für Arbeit reichen höchstens noch bis Ende dieses Jahres.
Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit der bisherigen Maßnahmen hat bereits begonnen.
Ethikrat fordert Debatte über Corona-Exit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnt zur Geduld, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auch. Erst nach Ostern, darauf haben sich die Bundesregierung und die Länder verständigt, soll über mögliche Lockerungen des Lockdowns (Ausgangssperre) beraten werden. Der Ethikrat findet das falsch. Es sei "nie zu früh, über Kriterien für Öffnungen nachzudenken", sagte Vorsitzender Peter Dabrock vor Journalisten.
Was ist der Ethikrat? Der Ethikrat ist ein unabhängiges, von der Regierung eingesetztes Beratungsgremium. Ihm gehören 26 Mitglieder an, vor allem Mediziner, Juristen, Naturwissenschaftler und Theologen. Das Gremium hat den Auftrag, die Öffentlichkeit zu informieren, Diskussionen in der Gesellschaft zu fördern und die Bundesregierung sowie den Bundestag zu beraten. Vor allem geht es um ethische, gesellschaftliche, naturwissenschaftliche, medizinische und rechtliche Fragen und deren Folgen.
Im Rahmen dieses Auftrags hat sich der Ethikrat mit einer Ad-hoc-Empfehlung zur Corona-Krise zu Wort gemeldet. Darin wendet er sich gegen die oft geäußerte Meinung, Krisen seien „die Stunde der Exekutive“. Dies greift nach Meinung des Ethikrates zu kurz. „Die aktuell zu klärenden Fragen berühren die gesamte Gesellschaft; sie dürfen nicht an einzelne Personen oder Institutionen delegiert werden. Gerade schmerzhafte Entscheidungen müssen von den Organen getroffen werden, die hierfür durch das Volk mandatiert sind und dementsprechend auch in politischer Verantwortung stehen. Die Corona-Krise ist die Stunde der demokratisch legitimierten Politik.“
Corona-Pandemie
Was sind die Aufgaben eines Staates? Die Antwort lautet: Zu allererst die allgemeine Gefahrenabwehr, egal woher die Gefahr kommt. Das kann auch eine Virus-Epidemie (Pandemie) sein.
Überraschenderweise war es Bill Gates, der dieses Thema im Jahr 2017 auf der Münchener Sicherheitskonferenz als erster zur Sprache brachte. „Wir müssen uns auf Epidemien vorbereiten, wie sich das Militär auf den Krieg vorbereitet. Das bedeutet nicht nur, dass das Militär seine medizinischen und logistischen Kapazitäten in den Dienst der Virus-Bekämpfung stellen muss, sondern dass die Öffentlichkeit für den Ernstfall einer Pandemie probt und die Verhaltensregeln einübt.“
Bill Gates machte dazu den Vorschlag, eine sogenannte Impfstoff-Plattform zu etablieren. „Sie soll Wissenschaftlern dabei helfen, einen universell anwendbaren Impfstoff zu finden, der durch geringfügige Änderungen gegen verschiedene Krankheiten eingesetzt werden kann. Grundlagen-Forschung hierzu gibt es bereits, allerdings fehlen finanzielle Mittel.“
Außerdem forderte er, das Gesundheitssystem in den weniger entwickelten Ländern zu unterstützen, nicht etwa um die weltweite Ungleichheit zu bekämpfen, sondern vielmehr, weil das im Interesse aller Staaten liegt: „Nur so kann eine globale Pandemie verhindert werden.“
Fraglicher Kohleausstieg
Deutschland macht als erstes und einziges Land gleichzeitig Schluss mit Atomenergie und Kohleverstromung. Die Risiken und Kosten sind enorm. Die Bundesregierung und weite Teile der Öffentlichkeit sind aber überzeugt, dass es zu den beschlossenen Maßnahmen aus Gründen des Klimaschutzes keine Alternative gibt.
Auf Atom- und Kohlekraftwerke fielen 2018 noch 47 Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung. Ginge es nach den Klimaschützern, müssten alle Werke stillgelegt werden, und zwar möglichst schnell. Die Folgen für Industrie und gesellschaftlichen Wohlstand werden ausgeblendet. Denn es geht ja darum, die Welt vor der Klimakatastrophe zu retten.
Wie Deutschland das bei einem Anteil von zwei Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß schaffen soll, bleibt unbeantwortet. Deutschland müsse eben vorangehen und ein „Vorbild“ für die Welt sein, heißt es. Spätestens hier entpuppt sich der Klimaschutz als eine „Heilslehre“, selbst dann, wenn das Klimagas C02 - wie viele Wissenschaftler meinen - der entscheidende „Klimakiller“ ist.
Merkels Grenzen
Die Abschaffung der EU-Binnengrenzen durch die Schengen-Abkommen gehört zu den großen Errungenschaften der europäischen Einigung. Aber ohne wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen werden die Binnengrenzen zurückkommen, wenn man die Mitgliedsstaaten nicht destabilisieren will. In diesem Dilemma befindet sich die Bundesregierung seit dem Jahr 2015.
Die Bundesregierung hat im Herbst 2015 entschieden, dass die deutschen Grenzen trotz eines massiven Zustroms von Flüchtlingen offen blieben. Einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen gab es damals aber so wenig wie heute. Innenminister Thomas de Maizière rechtfertigte die Grenzöffnung mit einem humanitären Grund: „Die Entscheidung war in einer Ausnahmesituation humanitär geboten. Hätten wir anders gehandelt, wären genauso viele Flüchtlinge gekommen – nur später.“
Gegen eine Ausnahmesituation spricht schon die Tatsache, dass die Bundesregierung bis heute an ihrer Politik der offenen Grenzen festhält. Der Schutz der Außengrenzen hat sich zwar verbessert, die zahlreichen illegalen Grenzübertritte zeige aber, dass es einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenze nicht gibt. sind aber die gleichen geblieben, auch nicht an der türkisch-griechischen Grenze.
Ehrenschutz in den sozialen Medien?
Die sozialen Medien sind ein digitales Medium, das den Nutzern faktisch keine Grenzen setzt: Mitbürger können straflos beleidigt und verleumdet werden! Die Richtigkeit von behaupteten Fakten bleibt ungeprüft! Politiker werden verunglimpft und bedroht! Hass und Neid gegen ganze Bevölkerungsgruppen werden unkontrolliert verbreitet.
Den Nutzern steht dabei nahezu kostenlos eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung: Sie können eigene Inhalte senden, sie können aber auch fremde Inhalte kommentieren und beliebig weiterleiten (teilen). Was früher in kleinen Gruppen diskutiert wurde, erreicht heutzutage über Facebook, Twitter oder Instagram Tausende von Nutzern. Facebook allein wird täglich von mehr als eine Milliarden Menschen genutzt.
Die sozialen Medien wachsen und gedeihen durch die „Anonymität des Internets“, die enthemmt und vieles möglich macht. Die Masse an Persönlichkeitsverletzungen oder Erscheinungen wie Shitstorm oder Cybermobbing sind anders nicht zu erklären. Politiker, Unternehmen und Privatpersonen sind davon gleichermaßen betroffen.
Nun würde man denken, dass der Gesetzgeber oder die Gerichte alles tun, um den Betroffenen den erforderlichen Ehrenschutz zu gewähren. Leider ist das Gegenteil der Fall: Denn das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit solchem Treiben in den sozialen Medien Tür und Tor geöffnet. Einen wirksamen Ehrenschutz gibt es dort nicht mehr.