Energiewende - Rettung durch "Sektorenkoppelung"?
Die Bundesregierung und die grüne Opposition begründen die Energiewende mit der Notwendigkeit, die Emissionen von CO2, die durch das Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entstehen, im Interesse des Klimaschutzes zu beenden. Die berufen sich dabei auf die Beschlüsse der Weltklimakonferenz von Paris, auf der sich die internationale Gemeinschaft im Dezember vergangenen Jahres faktisch auf die „Dekarbonisierung“ der Welt bis zum Ende dieses Jahrhunderts verständigt hat.
Das entscheidende Instrument der Bundesregierung für die Energiewende ist das jüngst geänderte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), mit dem der Ausbau von grüner Energie (Wind, Sonne und Biomasse) seit über 15 Jahren großzügig gefördert wird. Wie erfolgreich dieses Instrument angeblich ist, versucht man mit dem Hinweis zu belegen, dass der Anteil grüner Energie an der Stromversorgung inzwischen bei 30 Prozent des Stromverbrauchs angelangt ist. Es geht der Ökolobby um die Stärkung des Glaubens, dass das Ziel, die fossilen Energieträger in diesem Jahrhundert durch grüne Energie zu ersetzen, durchaus möglich ist.
Was bei dieser Argumentation völlig ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass der Stromsektor nur für einen Bruchteil des deutschen Endenergieverbrauchs insgesamt steht.
Zukunft der Kernkraftsparte
Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie werden nicht nur Meiler stillgelegt, sondern Deutschland verzichtet auch auf einen Technologiebereich, in dem es eine führende Position inne hatte. Aufgrund exzellenter Forschung auf dem Gebiet der Kernenergie und innovativer Technik beim Bau von Kernkraftwerken sind die deutschen Atomkraftwerke die sichersten und modernsten Anlagen in der Welt. Mit Aufgabe der zivilen Atomnutzung verschwindet auch der dazu gehörende Forschungs- und Technikbereich, was ebenfalls auf das Verlustkonto der Energiewende zu buchen ist. Mit dem deutschen Ausstieg aus der Atomenergie ist jedoch nicht das Ende des Atomzeitalters eingeläutet. Weltweit sind gut fünfhundert Atommeiler in Betrieb, ein Achtel davon befindet sich im Bau.
Braun- und Steinkohle
und der "Energiewende-Traum"
Der von Klimaschützern bemühte Traum von der Energiewende ging ungefähr so: „Deutschland steigt aus der Nuklearenergie aus und setzt stattdessen auf erneuerbare Energien, vor allem auf Sonne und Wind. Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, springen flexible und saubere Gaskraftwerke ein. So verschwindet neben dem gefährlichen Atomstrom auch der schmutzige Kohlestrom. Die Luft wird sauberer und Deutschland glänzt als Vorreiter beim Klimaschutz.“
So dachten SPD und Grüne, als sie im Jahr 2000 das EEG und etwas später den Atomausstieg beschlossen. Und so waren die Ideen, als CDU und CSU im Jahr 2011 Angela Merkel bei der Umsetzung des beschleunigten Atomausstiegs folgten. Inzwischen ist dieser Traum von der Energiewende jedoch geplatzt.
Planwirtschaftliche Energiewende
Die Energiewende ist mehr als der Ausstieg aus der Kernenergie und der Umstieg in die erneuerbaren Energien. Sie ist ein politisches Projekt, mit dem die Ende der neunziger Jahre begonnene Liberalisierung des Strommarktes beendet und die Energiewirtschaft schrittweise in ein planwirtschaftliches System überführt wird.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel lobt zwar das von ihm im Herbst 2015 eingebrachte Strommarktgesetz als die „größte Reform des Strommarktes seit der Liberalisierung in den neunziger Jahren“ und meint, das Gesetz „schaffe einen konsequent marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen für den Strommarkt der Zukunft“. Tatsächlich ist dieses Gesetz aber kein Beitrag zu mehr Marktwirtschaft, sondern - im Gegensatz - ein weiterer Baustein, um den Energiemarkt in die Planwirtschaft zu führen.
Die gescheiterte Energiewende
Wenn Manager von Großunternehmen zur Energiewende gefragt werden, beklagen sie meistens das Fehlen eines „Masterplanes“. Aus ihrer Erfahrungswelt heraus vergleichen sie die Energiewende mit einer Großbaustelle, die sorgfältige Planung und Taktung, systematische Koordination und Überwachung erfordert, damit sie nicht aus dem Ruder läuft. Auf die Politik übertragen bedeutet dies, dass die Umsetzung der Energiewende ohne eine zentralen Planung und Umsetzung nicht funktionieren kann.
So schrieb zum Beispiel Jürgen Flauger im Handelsblatt vom 3. Mai 2012:
„Der Umstieg in eine Energiewirtschaft ohne Atomkraft, aber mit viel Wind- und Sonnenenergie wird ohne eine massive Steuerung durch die Politik scheitern. Damit das Großprojekt gelingt, die über Jahrzehnte gewachsene deutsche Energieversorgung innerhalb eines Jahrzehnts radikal umzubauen, sind massive Eingriffe in den Energiemarkt nötig. Das ist bedauerlich, liegt aber daran, dass die Politik schon so massiv eingegriffen hat, dass der Markt die jetzt nötigen Anreize nicht mehr setzen kann.“
Rettung durch Kapazitätsmärkte ?
Der volatile Ökostrom ist nicht nur ein Risiko für die Netzstabilität, sondern gefährdet inzwischen auch die Funktionsfähigkeit des gesamten Strommarktes. Je nach Wetterlage und Tageszeit drängt der privilegierte Wind- und Sonnenstrom in die Netze und vertreibt dort den konventionellen Strom. An besonders windreichen Tagen und in den heißen Stunden des Tages deckt der Strom aus den erneuerbaren Energien nahezu die gesamte Stromnachfrage ab. Infolgedessen gehen die Einsatzzeiten der konventionellen Kraftwerke zurück. Gleichzeitig stürzen die Börsenpreise wegen des zeitweiligen Überangebots ab. Selbst negative Preise sind möglich. Als Indikator für Produktions- und Investitionsentscheidungen taugt der Strompreis deshalb immer weniger.
Die Kosten der Energiewende
Die von der Bundesregierung geplante Energiewende ist nicht nur ein Abschied von der Atomenergie, sondern ein politisches Projekt, mit dem die deutsche Stromversorgung komplett umgebaut werden sollte. Nicht nur die Atomkraft, sondern auch die fossilen Energieträger (Kohle, Öl und Gas) sollen nach dem Willen der Bundesregierung weitgehend durch die erneuerbaren Energien (Sonne und Wind) ersetzt werden. Bis 2050 soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung auf 80 Prozent steigen.
Die volkswirtschaftlichen Kosten dieses politischen Projektes sind gigantisch. Der ehemalige Umweltminister Peter Altmaier gab sie mit circa 1 Billionen Euro an, die sich wie folgt zusammensetzen:
• | Einspeisevergütungen bis 2022 | Euro 320 Mrd. |
• | Neubau von Anlagen bis 2022 | Euro 360 Mrd. |
• | Netzausbau, Reservekapazitäten | Euro 300 Mrd. |
Summe | Euro 980 Mrd. |
Umgehend warfen große Medien dem Umweltminister vor, dass er sich bei seinem "Billionen-Ding" wohl verrechnet haben müsse. "Sie dürfen die Leute nicht mit Horrorzahlen auf die Bäume jagen", verlangte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Der europäische Emissionshandel
In die energiepolitische Debatte kommt Bewegung. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat angekündigt, die Subventionierung der erneuerbaren Energien im Stromsektor in vier bis fünf Jahren zu beenden. Damit rückt der europäische Emissionshandel als zentrales Instrument der Energiewende in den Mittelpunkt der Debatte.
Das Funktionsprinzip des Emissionshandels beruht auf einer simplen Idee namens "cap and trade". Der zulässige Ausstoß schädlicher Gase wie Kohlendioxid wird durch politische Entscheidung global nach oben begrenzt ("cap"). Gleichzeitig gibt man den Produzenten Emissionszertifikate, die gehandelt werden können, um die Emissionen dort zu reduzieren, wo dies am günstigsten ist ("trade").
Die Vorgeschichte der Energiewende
Die Ursprünge der Energiewende reichen bis in die siebziger Jahre zurück. Es waren die Winzer am Kaiserstuhl, die gegen das geplante Kernkraftwerk Wyhl protestierten. Sie befürchteten, dass die Nebelschwaden der Kühltürme die Qualität ihres Weins negativ beeinflussen könnten. Als die Proteste im Februar 1975 eskalierten, waren im Fernsehen erstmals demonstrierende Bürger zu sehen, die von Wasserwerfern der Polizei zurückgedrängt wurden.
Bis dahin wurde die zivile Nutzung der Atomenergie in Deutschland für eine Zukunftstechnologie gehalten. Der Bau der ersten Kraftwerke fiel in die Zeit des wirtschaftlichen Aufbruchs der jungen Bundesrepublik.
„Die Atomenergie kann zu einem Segen für Hunderte von Millionen Menschen werden, die noch im Schatten leben“,
verhieß der Atomplan, den die SPD auf dem Münchener Parteitag 1956 verabschiedete. Die Ölkrise 1973 beschleunigte solche Pläne, und der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt kündige damals den Bau von 100 Kernkraftwerken an. Bis Ende der siebziger Jahre wurden davon elf gebaut.
Merkels Energiewende vom 11. März 2011
Am Freitag, dem 11. März 2011, erschütterte um 14.46 Uhr Ortszeit ein Beben der Stärke 9,0 den Nordosten von Japan . Zwei Minuten später schaltete sich das Kernkraftwerk Fukushima automatisch ab. Gleichzeitig sprangen die Dieselgeneratoren an, um die Notkühlung der Generatoren zu übernehmen. Doch dann kam ein gewaltiger Tsunami und spülte die Dieselgeneratoren ins Meer. Ohne Kühlung waren die heißen Brennstäbe sich selbst überlassen, so dass sich im Reaktorgebäude explosiver Wasserstoff sammeln konnte. Der Betreiber Tepco versuchte, durch Ablassen der Gase eine drohende Explosion zu verhindern. Vergeblich: Nacheinander kam es in mehreren Blöcken des Kraftwerks zu Wasserstoffexplosionen und zur Freisetzung radioaktiver Substanzen. Damit nahm die Katastrophe ihren Lauf.
Ein Strommarkt mit zwei Regelwerken
Bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war der deutsche Strommarkt durch Gebietsmonopole geprägt. Die vier großen Stromerzeuger RWE, Eon, EnBW und Vattenfall hatten den Markt regional unter sich aufgeteilt. In ihrem jeweiligen Gebiet beherrschten sie nicht nur die Stromerzeugung, sondern auch die Verteilung und den Vertrieb von Strom.
Innerhalb ihres jeweiligen Marktgebietes produzierten die Erzeuger den Strom in fossilen und nuklearen Großanlagen möglichst nahe beim Verbraucher. Die Erzeugungsanlagen und Netze waren technisch aufeinander abgestimmt. Der Preis für Strom wurde als „Cost-Plus-Regulierung“ aus den Kosten plus Aufschlag errechnet. Es dominierte das technische Denken: Versorgungssicherheit und Netzstabilität waren die vorrangigen Ziele.
Die Klimakatastrophe
Anfang 2013 feierte das Deutsche Klimarechenzentrum in Hamburg sein 25jähriges Jubiläum. Mit dabei war Professor Klaus Hasselmann, der Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie. Er hatte in den 90er-Jahren für Aufsehen gesorgt, als er erstmals mit Hilfe von Modellrechnungen den Zusammenhang zwischen dem Ausstoß von Treibhausgasen und der Erderwärmung nachwies. In seiner Rede sagte der Emeritus:
„Das Klimarechenzentrum hat es uns ermöglicht, einige Meilensteine zu setzen. Wir konnten erstmals nachweisen, dass die globale Erwärmung mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit vor allem eine Folge der Treibhausgasemissionen ist“.