Europäische Alternativen
Im März 2017 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Rom, um den 60. Jahrestag der Römischen Verträge zu feiern. Die britische Oremierministerin Theresa May wird schon nicht mehr dabei.. „Das wird nicht nur eine Geburtagsfeier sein“, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor diesem Ereignis. „Es muss auch eine Geburtsstunde der EU der 27 sein.“
Zur Vorbereitung des Treffens in Rom präsentierte Juncker dem Europäischen Parlament ein Weißbuch, in dem die verschiedenen Handlungsoptionen für Europas Zukunft dargestellt werden. Bis Jahresende sollen sich die EU-Staats- und Regierungschefs konkret dazu äußern. Die CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament unterstütze diese Initiative. „Wir brauchen Alternativen und müssen dabei die Realität zur Kenntnis nehmen“, sagte Herbert Reul, der Vorsitzende dieser Gruppe.
Zentrifugalkräfte in Europa
Wenn richtig wäre, dass Europa vor allem in Krisen näher zusammenrückt, dann hätte die Europäische Union (EU) gestärkt aus der Eurokrise und Flüchtlingskrise hervorgehen müssen. Genau das Gegenteil ist aber eingetreten: In diesen Krisen sind die Mitgliedsländer immer mehr auseinander gerückt und die Union hat sich gespalten.
Die Spaltung ist eine doppelte: Der Euro hat die EU in einen schwachen Süden und starken Norden geteilt. Das hinter der Flüchtlingskrise stehende Schengensystem trennt den Osten vom Westen. Die Spaltung ist nicht exogener Natur, sondern hat endogene Ursachen, das heißt, sie ist selbstgemacht. Sie kann deshalb auch nur mit eigenen Anstrengungen überwunden werden.
Wirkungen und Fehlanreize der EZB-Politik
Mit dem QE-Programm will die EZB deflatorischen Tendenzen entgegen wirken und die Wirtschaft beleben. Wie dies im Einzelnen geschehen kann, ist unter den Ökonomen umstritten. Die EZB setzt auf folgende Wirkungskanäle:
Mögliche Wirkungsweisen
Der erste Weg führt über die Ausweitung der Bankenkredite an Unternehmen, damit diese investieren. Die Kreditvergabe der Banken in Europa ist seit Jahren trotz extrem niedriger Zinsen rückläufig. Die EZB hofft, dies durch den Ankauf von Staatspapieren und die Ausweitung der Bankenliquidität ändern zu können. Die Banken zögern jedoch, sichere Staatsanleihen gegen unsichere Unternehmenskredite zu tauschen, weil sie immer noch mit den faulen Krediten aus der Vorkrisenzeit zu kämpfen haben. Lieber verkürzen sie ihre Bilanz, um den aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu genügen, als neue Kredite zu geben. Solange dies nicht korrigiert ist, bleibt dieser Wirkungskanal verstopft.
Die Mobilitätswende
Die Autoindustrie bietet der Politik ein Betätigungsfeld wie keine andere Branche. Davon ist keine Partei ausgenommen. Vorreiter sind jedoch die Grünen, die derzeit die Richtung und das Tempo bestimmen. Die Grünen wollen die Abgas-Manipulationen zum Wahlkampfthema 2017 machen. Cem Özdemir: „Wer will, dass der Automobilstandort Deutschland erhalten wird, und das geht nach Lage der Dinge nur mit emissionsarmen und dann eben mit emissionsfreien Fahrzeugen“ – wer das wolle , der findet bei den Grünen „das beste Angebot“. (DIE WELT vom 1. Aug. 2017)
„Selbstverständlich werden wir auch morgen noch mit Autos unterwegs sein“, heißt es im Programm der Grünen. „Es werden insgesamt weniger Autos sein, und sie werden mit Strom aus Sonne und Wind oder Wasserstoff statt mit Diesel und Benzin angetrieben.“ Die Zukunftsvision der Grünen rankt sich um „leise Autos ohne Auspuff und mit Fahrspaß“, um die „Stromtankstelle gleich um die Ecke“ und darum, dass die Menschen noch lieber mit dem öffentlichen Nahverkehr, der Bahn und auf „sicheren Rad- und Fußwegen“ vorankommen sollen.
Steuerreform und Steuermoral
Die Geschichte des Steuerrechts ist von dem stetigen Bemühen geprägt, jedenfalls eine äußere Obergrenze der individuellen Steuerlasten zu definieren. Schon Friedrich der Große betonte, die Hirten sollten ihre Schafe scheren, ihnen aber nicht das Fell über die Ohren ziehen. Es sei nicht gerecht, dass der Einzelne „die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Souverän teilt“ (1768). Das Bundesverfassungsgericht hat diese These im „Halbteilungsgrundsatz“ aufgenommen, aber gegenüber der schwankenden Gesetzgebung bisher auch noch keine scharfe Linie für eine Obergrenze der Besteuerung durchsetzen können.
Moderne Verfassungsstaaten stellen die Besteuerung strikt unter den Vorbehalt des Gesetzes. Dies dient dem Schutz des Steuerbürgers. Dem Gesetzgeber gelingt es jedoch gegenwärtig nicht, die Kultur des Maßes im Steuerrecht zu gewährleisten. Es ist deshalb ein lobenswertes Unternehmen, wenn sich die Wissenschaft dieses Themas annimmt.
Die Migrationsfalle
Die Bundesregierung befindet sich bei der Bekämpfung der Flüchtlingskrise in einer selbst gestellten Falle: Die Bemühungen auf EU-Ebene, die eigentlichen Flüchtlingsursachen zu bekämpfen, werden ebenso scheitern, wie die Versuche, die Flüchtlingsströme mit völkerrechtlichen Verträgen aufzuhalten. Es gibt innerhalb der EU keine Verständigung darüber, wie legal einreisende Flüchtlinge auf die einzelnen EU-Länder verteilt werden sollen.
Damit stellt sich auch für Deutschland die Frage nach einer nationalen Lösung: Allein im Dezember sind pro Tag 4.000 Flüchtlingen nach Bayern gekommen; dies sind aufs Jahr 2016 gerechnet etwa 1,5 Millionen Personen. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat deshalb seine Forderung nach einer Begrenzung des Zuzugs auf 200.000 Personen konkretisiert. "Wenn wir nicht schnell handeln, müsste Deutschland in zwei Jahren zweieinhalb Millionen Flüchtlinge aufnehmen", sagte er im offenen Widerspruch zur Bundesregierung. Angela Merkel hält jedoch daran fest, dass "wir die Grenzen nicht schließen können. Wenn man einen Zaun baut, werden sich die Menschen andere Wege suchen. Abschottung im 21. Jahrhundert ist keine vernünftige Option."
"Merkels Jamaika-Desaster"
Deutschland steht nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen vor unübersichtlichen Verhältnissen. Drei Szenarien sind denkbar: Erstens: Die Bildung einer großen Koalition mit der SPD. Zweitens: Eine Minderheitsregierung unter Führung von Angela Merkel. Drittens: Neuwahlen.
Kanzlerin Angela Merkel stürzt damit in die schwerste Krise ihrer bisherigen Amtszeit. Ihr Lieblingsprojekt einer Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und Liberalen ist gescheitert. „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Deutlicher kann man sich von der Politik der Bundeskanzlerin nicht distanzieren.
Macron oder Lindner ?
Es herrscht wieder Aufbruchstimmung in der Europäischen Union. Es war Mitte September 2017, als der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Abgeordneten im Europäischen Parlamentes sein Vision von Europa erklärte: Mehr Brüssel, mehr Euro und mehr Geld. Geht es nach Juncker, wird es zukünftig nur noch einen Präsidenten von Kommission und Europäischem Rat geben, der als „Spitzenkandidat“ von den Wählern direkt bestimmt wird. Der Euro soll kurzfristig in allen Mitgliedsländern der EU eingeführt werden.
Gleichzeitig unterstützte Juncker den Plan, den Euro-Krisenfonds ESM schrittweise in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) umzuwandeln, der selbständig entscheiden kann. Außerdem forderte Juncker einen Eurohaushalt mit deutlich mehr Geld und einen in der Kommission angesiedelten Finanzminister. Dieser solle „alle Finanzierungsstrukturen“ im Euroraum „koordinieren“. Das heißt: Er soll über viel Geld verfügen und es verteilen können. „Leinen los“ rief Juncker am Schluss seiner Rede den Abgeordneten zu.
Islamischer Fundamentalismus
Der Generalsekretär der größten Muslim-Vereinigung in Indonesien, Kyai Haji Yahya Cholil Staquf, hat der FAZ am 19. August 2017 ein Interview gegeben. Darin wurde er gefragt, was er davon halte, dass viele Politiker und Intellektuelle im Westen sagen, dass der islamistische Terror nichts mit dem Islam zu tun habe. Die Antwort des Generalsekretärs war von erstaunlicher Klarheit:
„Westliche Politiker sollten aufhören, zu behaupten, Extremismus und Terrorismus hätten nichts mit dem Islam zu tun. Es gibt einen ganz klaren Zusammenhang zwischen Fundamentalismus, Terror und Grundannahmen der islamischen Orthodoxie. Solange wir darüber keinen Konsens erzielen, so lange werden wir keinen endgültigen Sieg über die fundamentalistische Gewalt im Islam erreichen.“
Und er fügte hinzu: „Radikalislamische Bewegungen sind doch nichts Neues. Auch in der indonesischen Geschichte gab es sie immer wieder. Ich bin selbst ein gläubiger Muslim. Der Westen muss aufhören, das Nachdenken über diese Fragen für islamophob (zwanghafte Islamangst) zu erklären. Oder will man mich, einen islamischen Gelehrten, auch islamophob nennen?“
Streit um Anleihekäufe der EZB
Anfang 2015 beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des sogenannten „Quantitative Easing“ (QE) ein unfangreiches Programm zum Ankauf von Euro-Staatsaleihen (PSPP). Das Programm sieht vor, dass die Zentralbank von europäischen Banken monatlich für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen im Volumen von insgesamt 1,8 Billionen Euro ankauft. Für den Ankauf gilt der Kapitalschlüssel der nationalen Notenbanken bei der EZB. Ein Fünftel der Käufe erwirbt die EZB auf Gemeinschaftsrechnung, der Rest wird auf getrennte Rechnung der nationalen Notenbanken erworben. Bis Mitte Mai 2017 wurden Staatsanleihen in einem Volumen von circa 1,5 Billionen Euro angekauft.
Die Entscheidung der EZB löste unter Ökonomen und Juristen eine heftige Diskussion über die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit eines solchen Programms aus. Mitte August 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht über mehrere Verfassungsbeschwerden im Sinne der Beschwerdeführer. Ein Jahr später fand der Anhörungstermin vor dem Europäischen Gerichtshof statt, in dem die Beteiligten ihren Standpunkt darlegen konnten.
Bemerkenswert waren dabei die Einlassungen der Bundesregierung, mit denen sie die Verteidigung der EZB und der EU-Kommission unterstütze.
Dieselskandal 2017
Es gibt zum aktuellen Dieselskandal eine Vielzahl von Antworten auf die Frage, wie es so weit kommen konnte. Zwei Kurzfassungen möchte ich zitieren, weil sie meines Erachtens das Wesentliche herausstellen:
Der Kabarettist Vince Ebert kommt zu folgendem Urteil: „Was ist typisch deutsch? Wenn studierte Theaterwissenschaftler utopische Grenzwerte beschließen, Ingenieure und Automanager aus Feigheit vor einer öffentlichen Konfrontation kuschen und dann hintenrum versuchen, das Ding mit unlauteren Mitteln hinzubiegen.“
FDP-Vorsitzender Christian Lindner ist zu folgendem Ergebnis gekommen: „Die deutsche Politik hat den Diesel zum Klimaschutz gefördert und vor Nebenwirkungen die Augen verschlossen. Mit einer einseitigen Orientierung an der Elektromobilität drohten nun aber neue Fehler.“
Zwei interessante Analysen, aber halten sie dem Faktencheck Stand?
Das Comeback der Flüchtlingskrise
Die Flüchtlingskrise endete für Deutschland "gefühlt" mit der Schließung der Balkanroute und dem Türkei-Deal im Frühjahr 2016 sowie mit dem nachfolgenden Rückgang der Flüchtlingszahlen. Man glaubte, das Problem im Griff zu haben. Tatsächlich veränderten sich aber nur die Fluchtrouten und die Zusammensetzung des Flüchtlingsstroms. Statt syrischer und irakischer Flüchtlinge über den Balkan kamen Afrikaner zu Tausenden über das Mittelmeer nach Europa. Denn die Außengrenze im Süden Europas nach Italien ist trotz aller Bemühungender EU weiterhin offen.
Schon im Jahr 2016 kamen rund 181.000 Migranten von Nordafrika nach Italien. Im ersten Halbjahr 2017 waren es 85.000 Personen, also 21 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. In Italien, wo im Frühjahr 2018 Wahlen anstehen, ist die Lage explosiv. Die Bürgermeister rebellieren, so wie in Deutschland im Herbst 2015. „Das Problem ist, dass uns niemand in die Entscheidungen einbindet“, beschwerte sich ihr Wortführer bei italienischen Zeitungen. Niemand habe etwas gegen Migranten persönlich, aber es sei inzwischen eine „Invasion“.
Angela Merkel aus der Nähe
(In Anlehnung an Josef Schlarmann, Angela Merkel aus der Nähe, erschienen im Lau-Verlag 2017)
I
Bei der Bundestagswahl 2013 warb Angela Merkel für sich mit dem Satz: „Sie kennen mich!“ Sie gewann die Wahl – nicht zuletzt mit üppigen Wahlversprechen. Aber kannten die Wähler Angela Merkel wirklich? Wohl kaum! Denn die Bundeskanzlerin ist eine verschlossene Politikerin, die über ihr Privatleben nichts und über die eigentlichen Ziele ihrer Politik nur wenig preisgibt.
Die Öffentlichkeit hat jedoch ein festes Bild von der Bundeskanzlerin: Das Bild einer uneitlen und fleißigen Politikerin, die klug abwägt und auf die Verlass ist. Ihr Politikstil wird als „pragmatisch“ und „ergebnisorientiert“ beschrieben. Angeblich denkt Angela Merkel bei ihren Entscheidungen jeweils vom Ende her, was man ihr als Physikerin auch gern abnimmt. Deshalb sehen viele in ihr einen „Stabilitätsanker“ in unruhigen Zeiten. Dies erstaunt, weil die Bundesrepublik noch nie einen Regierungschef gehabt hat, der so flexibel und unberechenbar ist wie Angela Merkel.
Fakten zur Energiewende
Deutschland geht international in der Energiepolitik einen Sonderweg. Neben dem Ausstieg aus der Kernenergie wird der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind massiv gefördert und gesteuert, um die Klimabelastung durch Reduzierung der CO2-Emissionen zu senken.
Aktuell ist nicht zu erkennen, dass irgend ein anderes Land dem deutschen Sonderweg folgt. Der Grund ist die miserable Erfolgsbilanz der Merkel´schen Energiewende. Es wird zwar viel für die erneuerbaren Energienen getan, jedoch - paradoxerweise - wenig für den Klimaschutz. Darüberhinaus verfehlt die Energiewende wesentliche Ziele, die sich der Energiepolitik stellen:
- Der Strom muss bezahlbar und wettbewerbsfähig sein.
- Die Stromversorgung muss sicher sein.
- Die Stromerzeugung muss technikoffen und effizient sein.
Wie sehen die Fakten dazu aus?
Elbvertiefung
Anfang 2016 lief das fast 400 Meter lange chinesische Containerschiff „Indian Ocean“ in der Unterelbe auf Grund. Das Schiff war auf dem Weg zum Hamburger Hafen. Zwar war ein Defekt in der Ruderanlage die Ursache, dass das Schiff neben der Fahrrinne im Schlick zum Stehen kam und dort für einige Tage eine Sehenswürdigkeit bildete. Dennoch machte der Unfall noch einmal deutlich, wie schwierig die Bedingungen für den Hamburger Hafen geworden sind: Die riesigen Containerschiffe können gar nicht oder nur bei Flut durch die Elbe zum Hafen oder umgekehrt zurück in die Nordsee fahren.
Für die Hansestadt Hamburg ist die Vertiefung der Elbe gleichbedeutend mit der Zukunft des Hafens. Laut der Behörde für Wirtschaft und Arbeit waren 2005 in der Metropolregion Hamburg rund 154.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Hafen Hamburg abhängig. Nach Berechnungen des für die Vertiefung der Elbe zuständigen Planungsbüros sind ohne die Fahrrinnenvertiefung circa 35.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Kritiker aus den Umweltverbänden und den Grünen bezweifeln die Zahlen. Ein Zusammenhang zwischen Hafenwachstum und Arbeitsplätzen lässt sich aber nicht bestreiten.
Inzwischen wird seit 15 Jahren über die Elbvertiefung gestritten. Die Pläne wurden immer wieder geändert, um den Kritikern aus den Umweltverbänden entgegenzukommen. Hamburg musste sich mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein verständigen. Außerdem war die Stellungsnahme der Europäischen Kommission abzuwarten. Und als man meinte, man könne mit der Elbvertiefung beginnen, zogen die Gegner des Vorhabens vor das Bundesverwaltungsgericht.
Trumps Wirtschaftspolitik
Kein politisches Ereignis hat 2016 Politiker, Wirtschaftsexperten und Journalisten in der westlichen Welt so überrascht und schockiert, wie die Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten der USA. Mit Erklärungen war man schnell zur Hand: Eine Mehrheit von Ungebildeten und zu kurz Gekommenen, von Fremdenfeinden und Rassisten hat über die Vernünftigen und Aufgeklärten gesiegt und damit – verführt von einem Populisten – gegen die eigenen Interessen gehandelt.
Inzwischen hat Donald Trump seine politischen Absichten konkretisiert und damit weitere Unruhe gestiftet. Seine Programmpunkte lauten: Obamacare revidieren; die Regulierung der Finanzmärkte lockern; den Umweltschutz zurückführen; die Freihandelstradition beenden; Importzölle einführen; die Unternehmenssteuern senken; in die Infrastruktur investieren; die illegale Einwanderung beenden; die Verlagerung von Betrieben stoppen.
Steuern - einfach, niedrig und gerecht ?
„Einfach, niedrig und gerecht“ lautete ehemals das steuerpolitische Credo von CDU und FDP.
„Einfach“ sollten Steuern sein, damit sie jeder versteht und ausrechnen kann. Der Bierdeckel von Friedrich Merz brachte das plastisch zum Ausdruck.
„Niedrige“ Steuern wurden gefordert, um den wirtschaftlichen Spielraum der Bürger zu vergrößern. Leistung sollte sich lohnen. So wollte man das Wirtschaftswachstum ankurbeln.
Und „gerecht“ sollten Steuern sein, weil sie ansonsten Widerstand auslösen. Als gerecht gelten Steuern, wenn sie gleichmäßig erhoben werden und sich an der Leistungsfähigkeit orientieren.
Was ist aus diesen Forderungen geworden?
Sie sind inzwischen weitgehend vergessen! Wolfgang Schäuble hat einmal gesagt: „Große Entwürfe, die man mit ´Bierdeckel´ bezeichnet, haben mit der Realität nichts zu tun.“
Ist das wirklich so? Gibt es zu einem „komplexen Steuerrecht, hohen Steuersätzen und einer ungleichmäßigen Belastung“, keine Alternative?
Es lohnt sich, dieser Frage am Beispiel der jüngst reformierten Erbschaftssteuer noch einmal nachzugehen.
Wirtschaftspolitische Baustellen
Was die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung leisten muss, steht im „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabWG)“ geschrieben. Danach haben die staatlichen Organe ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen so zu treffen, dass sie gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einen hohen Beschäftigungsstand und außerwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigen und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen („magisches Viereck“). Die Bundesregierung muss hierbei sowohl die kurzfristige konjunkturelle Lage als auch die mittelfristige Entwicklung der Produktivkräfte im Auge haben. Zusätzlich gelten für die Bundesregierung die europarechtlichen Grenzen für die Gestaltung der Haushaltspolitik.
Nimmt man die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die maßgeblichen Indikatoren (Inflationsrate, Beschäftigung, Außenhandel und Wachstum), befindet sich die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung in der Nähe des Zielkorridors. Dies gilt aber nur bei kurzfristiger Betrachtung. Berücksichtigt man dagegen auch die längerfristigen Wirkungen der derzeitigen Politik, kommt man schnell zu einem anderen Ergebnis. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung ist mit vielen Risiken und negativen Folgen verbunden, so dass die im magischen Viereck vorgegebenen Ziele deutlich verfehlt werden.
Wohin treibt Europa ?
Die Europäische Union steht derzeit vor ihrer bisher größten Bewährungsprobe. An der Spitze der Herausforderungen steht das Thema der Migration. Auf Fragen, wie die EU-Außengrenzen wirksam zu sichern sind oder wie Flüchtlinge einigermaßen fair auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden könnten, wurden bis heute keine angemessenen Antworten gefunden.
Ebenso planlos wirken die Versuche, die wirtschaftlich und fiskalisch angeschlagenen Mitgliedstaaten der EU zu stabilisieren. Bis heute sind über die Rettungsschirme und den Internationalen Währungsfonds IWF allein nach Griechenland rund 240 Milliarden Euro geflossen, ohne dass sich dort die Wirtschafts- und Haushaltslage verbessert hätte.
Gleichzeitig bewegt sich die Europäische Zentralbank mit ihrer Nullzinspolitik und dem Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen ordnungspolitisch und rechtlich auf sehr dünnem Eis. Während die positiven Effekte der monetären Expansion immer geringer werden, nehmen die negativen Nebenwirkungen deutlich zu.
Die EU ist ökonomisch geschwächt und institutionell gelähmt. Die Politik wirkt ratlos, erschöpft und zerstritten. Zeit zu kaufen scheint zur Maxime der Rettungspolitiker geworden zu sein. Von überzeugenden Lösungen ist kaum eine Spur zu erkennen. In allen Mitgliedstaaten befinden sich EU-skeptische Parteien im Aufwind.
Deshalb ist die Frage nach der Richtung, in die Europa treibt und in die es sich entwickeln sollte, selten so aktuell gewesen wie derzeit.
Gerechte Steuern - am Beispiel der Erbschaftssteuer
„Einfach, niedrig und gerecht“ lautete ehemals das steuerpolitische Credo von CDU und FDP. Die CDU formulierte es letztmalig auf ihrem Leibziger Parteitag im Jahr 2003. Die FDP machte es 2009 zum zentralen Thema des Bundestagswahlkampfes, gewann damit die Wahl und legte es dann ebenfalls ad acta.
„Einfach“ sollten Steuern sein, damit jeder sie versteht und ausrechnen kann. Der Bierdeckel von Friedrich Merz brachte dies plastisch zum Ausdruck. „Niedrige“ Steuern wurden gefordert, um den wirtschaftlichen Spielraum der Bürger zu vergrößern. Man war damals noch der Überzeugung, dass Private mit dem Geld besser umgehen können als der Staat. Und „gerecht“ mussten Steuern sein, weil sie ansonsten auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen. Darunter verstand man vor allem eine gleichmäßige und an der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung der Bürger.
In der gegenwärtigen steuerpolitischen Diskussion tauchen solche Vorschläge und Gedanken nicht mehr auf. Für die Steuerprofis in der Verwaltung sind Vorschläge für ein „einfaches“ Steuerrecht unrealistisch, weil die zu besteuernde Wirklichkeit „komplex“ ist. Auch die Forderung nach „niedrigen“ Steuern ist in allen Parteiprogrammen gestrichen worden. Stattdessen fordern die linken Parteien „höhere“ Steuern, insbesondere für Vermögen und Reiche. Selbst das Postulat nach „gleichmäßiger“ Besteuerung tritt zunehmend in den Hintergrund und wird durch das Merkmal der „sozialen“ Besteuerung ersetzt. Immer deutlicher wird das Ziel formuliert, den volkswirtschaftlichen Reichtum mit Hilfe der Steuerpolitik „umzuverteilen“.
Die jüngst beschlossene Reform der Erbschaftssteuer ist ein Beispiel für diesen steuerpolitischen Paradigmenwechsel.
Grüne Schildbürger
Die von der Bundesregierung mit Unterstützung aller im Bundestag vertretenen Parteien vorangetriebene Energiewende weckt Erinnerungen an die Bürger von Schilda, die beim Bau ihres neuen Rathauses die Fenster vergessen hatten. Als sie überlegten, wie sie das Problem lösen konnten, machte ein Ratsherr den Vorschlag, zur Mittagszeit Licht in Säcken zu sammeln, um es im Rathaus wieder auszuschütten. Gesagt getan, die Bürger schaufelten tagelang Licht in Säcke und liefen damit ins Rathaus. Aber es wurde nicht hell darin, sondern blieb dunkel wie vorher.
Diese Geschichte weist deutliche Parallelen zur derzeitigen Energiepolitik der Bundesregierung auf, deren primäres Ziel es ist, den Ausstoß von Kohlendioxid zu senken. Dafür soll die deutsche Energieversorgung komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist bereits beschlossen und der Ausstieg aus der Kohleverstromung wird vorbereitet. Gleichzeitig wird der Ausbau der erneuerbaren Energien auf Kosten der Verbraucher massiv vorangetrieben. Trotz aller Bemühungen und Interventionen von Seiten der Bundesregierung will sich aber der Erfolg nicht einstellen: der Ausstoß von Kohlendioxid steigt in immer neue Höhen. Wie im fensterlosen Rathaus wird es auch in der Klimapolitik der Bundesregierung nicht hell, sondern bleibt dunkel wie vorher.
Die Bundesregierung ist - wie die Bürger von Schilda - nicht in der Lage, sich das Scheitern ihrer Politik einzugestehen. Stattdessen verlegt sie sich auf einen energiepolitischen Aktionismus, der zur Lösung der vielen Ungereimtheiten und Widersprüche nichts beiträgt. Für den Erfolg der Energiewende wird es vielmehr entscheidend darauf ankommen, ob es der Bundesregierung geling, den wetterabhängigen und schwankenden Ökostrom technisch und wirtschaftlich erfolgreich in das Gesamtsystem der Stromversorgung zu integrieren. Hiervon sind die verantwortlichen Politiker noch weit entfernt und die Welt wartet gespannt darauf, wie die Regierung diese komplizierte Aufgabe lösen wird.
Wirtschaftsvertreter wie der Geschäftsführer von Wingas, Ludwig Möhring, jedenfalls sind skeptisch: „Obwohl Deutschland mehrere hundert Milliarden Euro investiert hat, ist man dem grundlegenden Ziel – die Minderung des Ausstoßes von CO2 – bis heute keinen Schritt näher gerückt“. Trotz starken Ausbaus der Windkraft- und Photovoltaikanlagen ist der Ausstoß von Kohlendioxid sogar gestiegen.
Schäuble´s Steuerkartell
Die britische Premierministerin Theresa May kündigte fünf Monate nach der Entscheidung über den Brexit an, sie werde die Unternehmenssteuern drastisch senken. Die Körperschaftssteuer in Großbritannien soll unter 15 Prozent gesenkt werden. Auch Forschung und Entwicklung sollen steuerlich stärker gefördert werden. May erklärte, sie wolle „die niedrigste Unternehmenssteuer in der G-20 haben.“
In Brüssel und Berlin stieß diese Ankündigung auf schroffe Ablehnung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnte die Briten davor, mit der Absenkung bei Unternehmenssteuern einen Steuerwettbewerb in Europa in Gang zu setzen. „Noch ist Großbritannien Mitglied der Europäischen Union“, sagte der CDU-Politiker. „Also sind sie an europäisches Recht gebunden.“ Und auch dann, wenn Großbritannien ausscheiden sollte, widersprächen Steuersenkungen den Vereinbarungen, die die G-20-Staaten vor einem Jahr bei ihrem Gipfeltreffen in Antalya beschlossen hätten, mahnte der deutsche Finanzminister. „Sie sind an das gebunden, was sie beim G-20-Gipfel von Antalya versprochen haben.“
Donald Trump und Angela Merkel
Angela Merkel hat dem Bundesvorstand der CDU in seiner Sitzung vom 20. November mitgeteilt, dass sie 2017 noch einmal als Kanzlerkandidatin antreten will. „Viele hätten wenig Verständnis, wenn ich jetzt den Dienst für Deutschland nicht mehr tun soll. In dieser Zeit habe ich gesagt, jetzt kannst du dich nicht vom Acker machen.“ Der Beifall der Vorstandsmitglieder war lang und laut. Dankesreden und Belobigungen der Spitzen der Partei folgten.
Auch über fehlendes Lob aus dem Ausland musste sich Angela Merkel nicht beklagen. Der scheidende US-Präsident Barack Obama rief der deutschen Öffentlichkeit zu: „Wenn ich Deutscher wäre und wählen dürfte, würde ich sie unterstützen.“ Und die „New York Times“ meinte nach der Wahl von Donald Trump, nun sei Angela Merkel „die letzte Verteidigerin des freien Westens“. Solche Stimmen aus dem demokratischen Lager zählen aber nur noch wenig, nachdem der amerikanische Wähler sich für eine andere Politik entschieden hat.
EZB in der Falle
Noch nie war in der europäischen Geldordnung die Kluft zwischen Recht und Wirklichkeit so tief wie derzeit.
Artikel 105 Absatz 1 des EU-Vertrages legt wörtlich fest: „Das vorrangige Ziel der ESZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft.“ Diese, den §§ 3 und 12 des Bundesbankgesetzes nachgebildete, Bestimmung ist der Kernsatz des gesamten Vertrages. Damit akzeptierten alle Mitgliedstaaten vertraglich die deutsche Philosophie, dass die Geldpolitik in erster Linie auf die Preisstabilität verpflichtet ist und andere wirtschaftspolitische Ziele nachrangig verfolgen soll.
Wie aber sieht die Wirklichkeit aus? Seit dem Jahr 2007 betreibt die Europäische Zentralbank (EZB) ohne Unterbrechung mit immer größeren Volumina eine Politik des leichten Geldes. Sie hat alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Geldschöpfung bis zum Anschlag genutzt: Der für die Finanzwirtschaft maßgebliche Leitzins ist auf 0,05 Prozent abgesenkt worden. Und im Rahmen ihrer Offenmarktpolitik kauft die EZB massenhaft Staatsanleihen und Wertpapiere an, so dass Liquidität im Überfluss vorhanden ist.
Angeblich dient diese Geldpolitik dem Ziel der Preisstabilität, worunter die EZB eine Inflationsrate (!) von 1,5 bis 2,0 Prozent versteht. Tatsächlich verfolgt die EZB mit der Politik des leichten Geldes jedoch vorrangig wirtschafts- und finanzpolitische Ziele: sie rettet Banken, finanziert Haushaltsdefizite und setzt Impulse für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Die EZB übernimmt damit Aufgaben, die in die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft (EU) und ihrer Mitglieder fallen, aber dort nicht verantwortlich erledigt werden.
Gabriel in China
Anfang November 2016 besuchte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Begleitung von 60 deutschen Wirtschaftsvertretern die Volksrepublik China. Es gab in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen einiges zu besprechen und zu regeln.
Im Februar 2016 waren Stahlarbeiter aus Deutschland und anderen europäischen Ländern in Brüssel gegen die Billigkonkurrenz aus China auf die Straße gegangen. Gabriel hatte mit dafür gesorgt, dass die Europäische Union gegen China ein Antidumping-Verfahren durchführte und chinesische Stahlimporte mit Strafzöllen belegte. Schon dies empfand die chinesische Regierung als Affront.
Ende Oktober 2016 widerrief das Bundesministerium für Wirtschaft dann in Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt seine kurz zuvor erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung für Aixtron, einen deutschen Maschinenbauer für die LED-Industrie, in Bezug auf die Übernahme durch ein chinesisches Unternehmen. Angeblich wegen US-amerikanischer Sicherheitsbedenken, was die Chinesen besonders empörte.
Notenbanken auf Abwegen
Die Europäische Zentralbank (EZB) stößt mit ihrer laxen Geldpolitik laut Euro-Barometer bei 58 Prozent der Bundesbürger auf Misstrauen und Ablehnung. Dies ist für den Euro als eine Währung, die auf Vertrauen basiert, ein verheerendes Ergebnis. Denn ohne Vertrauen in die Stabilität des Euro und in die Funktionsfähigkeit des Bankensystems wird der Euro nicht überleben.
Das mangelnde Vertrauen in die EZB überrascht angesichts der Tatsache, dass die EZB bei ihrer Kernaufgabe, der Sicherung der Preisstabilität, durchaus erfolgreich war. Die aktuelle Inflationsrate liegt nahe null. Zudem hat die EZB mit ihrer Geldpolitik in der europäischen Finanzkrise einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems geleistet.
Offensichtlich reichen solche Ergebnisse aber nicht aus, um den Unmut der Menschen zu beseitigen. Den entscheidenden Grund dazu hat die EZB selbst geliefert: seit der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sie als Retter von Staaten und Banken, als Aufkäufer von Staatsanleihen und mit ihrer Null-Zinspolitik immer mehr Aufgaben übernommen, die nicht zu ihrem eigentlichen Auftrag gehören. Sie ist dadurch zu einer machtvollen Institution herangewachsen, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegt. Das schafft Misstrauen.
TTIP und Ceta
Das EU-Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement) ist fertig und unterschriftsreif. Es dient als Blaupause für das geplante Abkommen TTIP mit den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership), das noch nicht endverhandelt ist.
Gegner der Freihandelsabkommen sehen in Ceta die „Hintertür für TTIP“ und rufen zu Protestdemonstrationen auf. Zu den Organisatoren gehörten unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Umweltschutzverbände BUND, Greenpeace, Nabu und WWF, der Deutsche Kulturrat und die Organisationen Brot für die Welt und Oxfam. Nach Ansicht der Veranstalter sind Ceta und TTIP eine Gefahr für Demokratie, Umwelt, Kultur und Arbeitnehmer. Stattdessen fordern sie einen “fairen Welthandel“.
Mittlerweise kommt Kritik an den Abkommen sogar aus den höchsten Regierungskreisen in Berlin. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) befindet sich in einer Zwickmühle: Als Wirtschaftsminister muss er für Freihandel sein, doch in seiner Partei rumort es. Mit der Formel „TTIP ist de facto gescheitert - Ceta ist ein gutes Abkommen“ versucht er, den Kritikern und Gegnern der Abkommen eine Brücke zu bauen.
Steuersenkungsdebatte 2016
Bisher hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Rufe nach Steuersenkungen stets abgewehrt. Sein Ziel war die „schwarze Null“ im Bundeshaushalt. Er konnte deshalb auf keine Steuern verzichten, sondern im Gegenteil: er benötigte immer mehr, um die stetig steigenden Ausgaben des Bundes bezahlen zu können. Doch dann kam die überraschende Wende: Im September 2016 kündigte Wolfgang Schäuble bei der Einbringung des Haushalts 2017 schnelle Steuersenkungen von über 6 Milliarden an. Ein Kabinettsbeschluss sollte dazu kurzfristig gefasst werden.
Gleichzeitig versprach Wolfgang Schäuble für die Zeit nach der Bundestagswahl 2017 eine Tarifkorrektur bei der Einkommensteuer mit einer noch größeren Steuersenkung von etwa 15 Milliarden Euro, um den Mittelstand zu entlasten. „Es kann doch auf Dauer nicht sein, dass ein Alleinstehender schon bei rund 53.000 Euro Jahreseinkommen den Spitzensteuersatz zahlt, wie es aktuell noch der Fall ist“, sagte er zur Begründung. „Wir müssen die echten Leistungsträger entlasten. Darum geht es jetzt. Jetzt sind endlich einmal die Ingenieure, Handwerksmeister, Lehrer und Polizisten aus der Mitte unserer Gesellschaft dran.“
Die SPD als Koalitionspartner wurde von diesem Vorstoß überrascht. „Mal ganz offen“, fragte SPD-Vorsitzender und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. „Wer soll das eigentlich glauben? Das werden wir nicht machen!“ Die von Wolfgang Schäuble ins politische Schaufenster gestellten 15 Milliarden Steuersenkungen gehören laut Gabriel in die Kategorie „wahlkampfbedingter Märchenerzählungen“.
Internationales Steuerdumping
Die EU-Kommission ermittelt seit einigen Jahren gegen amerikanische Konzerne wegen „beihilferechtlich“ anfechtbarer Absprachen mit den Steuerbehörden („tax rulings“). Solche Absprachen erlauben Konzernen, ihre Geschäfte zwischen verschiedenen Konzernteilen steuerlich möglichst vorteilhaft zu gestalten. Ermittelt wird beispielsweise gegen Starbucks in den Niederlanden, Amazon und McDonald´s in Luxemburg sowie Apple in Irland. Pikanterweise soll der derzeitige Präsident der Kommission, Jean-Claude Juncker, als früherer luxemburgischer Premier über solche Steuerabsprachen in seinem Heimatland informiert worden sein.
In Sachen Apple soll die Entscheidung der EU-Kommission nach Medienberichten unmittelbar bevorstehen. Die beanstandeten Deals gehen auf das Jahr 1991 zurück und wurden 2007 erneuert. Nach Ansicht der Kommission hat Irland Apple durch sogenannte „Tax Rulings“ individuelle Steuervorteile eingeräumt, die anderen Unternehmen nicht gewährt worden sind. Dadurch soll die Steuerlast für 2014 auf 0,005 Prozent gedrückt worden sein. Aus Sicht der Brüsseler Behörde liegt darin eine wettbewerbswidrige Beihilfe.
Den Berichten zufolge will Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auch eine Empfehlung für die Höhe der Nachzahlungen machen, die Irland von Apple einfordern müsste. Bisherige Expertenschätzungen gehen von einigen Hundert Millionen bis hin zu 19 Milliarden Euro aus. Apple könnte diesen Betrag leicht aus den rund 200 Milliarden Euro zahlen, die es in Irland angehäuft hat. Für Irland, das im vergangenen Jahr Steuereinnahmen von rund 21 Milliarden gehabt hat, wäre es ein Steuerplus von rund 20 Prozent.
Säkulare Stagnation
Ludwig Erhard hielt wirtschaftliche Wachstumsprogramme nicht nur für nutzlos, sondern auch für schädlich. Der Staat, so sein Credo, sollte für eine freie und gerechte Wirtschaftsordnung sorgen, er sollte aber nicht aktiv in den Wirtschaftskreislauf eingreifen - dieser Grundsatz war für seine Wirtschaftspolitik prägend. „In schwächeren Wachstumsraten sah er kein Malheur – weder ein Markt- noch ein Politikversagen“ (Horst Friedrich Wünsche). Nicht die Politiker, sondern die Akteure in der Wirtschaft sollten nach Erhards Überzeugung über Art und Höhe des Wachstums entscheiden.
In den wirtschaftspolitischen Debatten von heute kommen solche Ansichten nicht mehr vor. Wirtschaftliches Wachstum gehört vielmehr in allen Industrieländern und in den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern zu den wichtigsten Zielen der Wirtschaftspolitik, weil sich damit viele gesellschaftliche Probleme von selbst lösen: Wirtschaftswachstum schafft Arbeitsplätze und mehr privaten Wohlstand; zudem kann der Staat seine Ausgaben erhöhen und den Sozialstaat weiter ausbauen. Demgegenüber verschärfen sich bei rückläufigem Wachstum die Verteilungskonflikte und die Risiken für die politische Elite.
Seit geraumer Zeit diskutieren Ökonomen und Politiker über die Gefahr einer länger anhaltenden Phase sehr schwachen wirtschaftlichen Wachstums. Tatsache ist, dass das Wachstum der Weltwirtschaft, insbesondere das wirtschaftliche Wachstum der westlichen Länder, hinter den Zuwachsraten vor der Krise zurückbleibt. Die Diskussion über die Ursachen und etwa zu ergreifenden Maßnahmen ist in vollem Gange. Dabei lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Argumentations- und Handlungsebenen ausmachen: Die einen meinen, dass der weltweit zu beobachtende Rückgang des Wirtschaftswachstum beruhe auf einer „Nachfragelücke“, die sich daraus ergebe, dass mehr gespart als investiert wird. Hier müsse die Politik ansetzen. Andere wiederum sehen die tieferen Ursachen für das globale Absinken der Wachstumsraten in langfristig wirkenden Veränderungen auf der Angebotsseite der Wirtschaft, so dass man möglicherweise von einer „säkularen Stagnation“ sprechen müsse. Höhere Wachstumsraten könne man deshalb nur durch mehr oder bessere Produktionsfaktoren erwarten.