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Klima und Energiewende : Fraglicher Kohleausstieg
17.03.2020 20:09 (1527 x gelesen)

Fraglicher Kohleausstieg

Deutschland macht als erstes und einziges Land gleichzeitig Schluss mit Atomenergie und Kohleverstromung. Die Risiken und Kosten sind enorm. Die Bundesregierung und weite Teile der Öffentlichkeit sind aber überzeugt, dass es zu den beschlossenen Maßnahmen aus Gründen des Klimaschutzes keine Alternative gibt.

Auf  Atom- und Kohlekraftwerke fielen 2018 noch 47 Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung. Ginge es nach den Klimaschützern, müssten alle Werke stillgelegt werden, und zwar möglichst schnell. Die Folgen für Industrie und gesellschaftlichen Wohlstand werden ausgeblendet. Denn es geht ja darum, die Welt vor der Klimakatastrophe zu retten.

Wie Deutschland das bei einem Anteil von zwei Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß schaffen soll, bleibt  unbeantwortet. Deutschland müsse eben vorangehen und ein „Vorbild“ für die Welt sein, heißt es. Spätestens hier entpuppt sich der Klimaschutz als eine „Heilslehre“, selbst dann, wenn das Klimagas C02 - wie viele Wissenschaftler meinen - der entscheidende  „Klimakiller“ ist.

I.

Den Kohleausstieg hat die Bundesregierung am 30. Januar 2020 nach Abstimmung mit den betroffenen Ländern durch das „Kohleausstiegsgesetz“ beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht konkret folgendes vor: 

• Betreiber von Steinkohlekraftwerken können sich darauf bewerben, gegen Entschädigung abzuschalten. Wer früh vom Netz geht, wird mehr bekommen – 2020 maximal 165.000 Euro pro Megawatt, dann jedes Jahr weniger und 2026 noch 49.000 Euro. Ab 2027 wird ohne Entschädigung abgeschaltet.
• Für Braunkohlekraftwerke gibt es einen festen Abschaltpfad bis 2038. Zunächst werden Kraftwerke in NRW abgeschaltet, dann in Ostdeutschland. Datteln 4 wird trotz der Proteste ans Netz gehen.
• Viermal (2022, 2026, 2029 und 2032)  soll geprüft werden, ob die Stromversorgung gesichert ist, wie der Strompreis sich entwickelt und wie es um den Klimaschutz steht. Von 2026 an wird auch geprüft, ob der Kohleausstieg vorgezogen werden kann.
• Wer 58 oder älter ist und seinen Arbeitsplatz durch den Ausstieg verliert, kann für die Zeit bis zur Rente für höchstens fünf Jahre ein Anpassungsgeld beantragen. Auch Abstriche bei der Rente werden ausgeglichen.
• Die deutschen Kohlekraftwerke nehmen an dem Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten auf EU-Ebene teil. Das Gesetz regelt, dass durch den nationalen Kohleausstieg frei werdende Zertifikate gelöscht werden können.
• Ab 2023 kann der Bund Netzentgelte mit einem Zuschuss senken – davon sollen Verbraucher profitieren. Außerdem ist eine Senkung der EEG-Umlage vorgesehen. Unternehmen mit großem Strombedarf können aus Wettbewerbsgründen entlastet werden.
• Die Braunkohleregionen sollen 20 Jahre vom Bund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr für konkrete Strukturprojekte und 700 Millionen pro Jahr zur freien Verfügung erhalten. Den größten Anteil der 40 Milliarden Euro bekommt das Rheinische Revier (37 Prozent). Jeweils ein Viertel des Geldes erhalten Brandenburg und Sachsen, nach Sachsen-Anhalt fließen 12 Prozent.

Die Pläne der Bundesregierung sind von Umweltverbänden, Wissenschaftlern und Teilen der Wirtschaft heftig kritisiert worden. Alle werfen der Regierung Wortbruch vor. „Dieses Kohlegesetz ist ein Verrat an der Kohlekommission, den Steuerzahlern und –zahlerinnen, den Tagebauregionen und der nächsten Generation“, protestierte Greenpeace-Chef Martin Kaiser, der selbst Mitglied der Kohlekommission war.

Die Grünen kritisierten, es gebe „wenig Klimaschutz für viel Geld“. Die Regierung folge den Empfehlungen der Kohlekommission nicht, schüre den gesellschaftlichen Dissens und gefährde die nationalen und internationalen Klimaziele. Die Grünen bringt vor allem auf, dass das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ans Netz gehen soll, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im Gesetz nicht festgeschrieben ist und dass die Kraftwerksstilllegungen nicht stetig, sondern in Sprüngen erfolgen sollen.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien BEE verlangt, das Gesetz müsse dafür sorgen, dass die gegenwärtige Deckelung des Solarstromausbaus gestrichen werde. Auch die Windkraft müsse stärker ausgebaut werden.

Der Energieverband BDEW sieht im Entwurf eine „massive Diskriminierung von Steinkohlekraftwerken“, insbesondere der Stadtwerke. Auch die von 2027 an geplante entschädigungslosen Stilllegungen seien nicht zu akzeptieren.

Der Industrieverband BDI macht darauf aufmerksam, dass die Strompreise als Folge des Kohleausstiegs steigen könnten. Das Gesetz sehe zwar Zuschüsse für besonders energieintensive Unternehmen vor, die im internationalen Wettbewerb stünden. Die Entlastungen seien in der Vorlage aber nicht verbindlich geregelt.

Außerdem sprachen sich acht Mitglieder der Kohlekommission in einem Brief an die Bundeskanzlerin gegen den Gesetzentwurf aus. Nach ihrer Ansicht haben die Bundesregierung, die Kraftwerksbetreiber und die vier betroffenen Landesregierungen den in der Kommission erzielten Kompromiss „klar und einseitig verlassen“, wodurch die damalige Einigung „vor allem im Blick auf den Klimaschutz sowie den Umgang mit den vom Braunkohletagebau betroffenen Menschen grob verletzt“ werde.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigt demgegenüber den Entwurf. Im Falle von Datteln 4 sei es besser, vorübergehend ein hochmodernes Kraftwerk ans Netz zu nehmen und dafür alte Anlagen stillzulegen. Der veränderte Fahrplan zur Stilllegung orientiere sich zudem an der Versorgungssicherheit, zumal Deutschland bis 2022 auch aus der Kernkraft aussteige.  

II.

Hinter der oben wiedergegebenen Kritik stehen die unterschiedlichen Interessen von Umweltverbänden, politischen Partein und Wirtschaftsvertretern. Die schärfste  Kritik an dem geplanten Kohleausstiegsgesetz ist jedoch grundsätzlicher Natur: Der damit verbundene Markteingriff ist aus klimapolitischer Sicht überflüssig.

Der europäische Emissionshandel wird nach der Meinung der meisten Ökonomen dafür sorgen, dass die Kohlekraftwerke schneller als vorgesehen aus dem Markt gedrängt werden. Schon die von der neuen EU-Kommission geplante Verschärfung der Klimaschutzziele wird die Verstromung fossiler Energieträger verteuern. Weitere Eingriffe werden deshalb keinen Zusatznutzen erzeugen, der über das Wirken des EU-Handels hinausgeht. 

Unklar ist außerdem, wie Deutschland zukünftig seinen Strombedarf decken kann. Nach Meinung der Kohlekommission sollen die  erneuerbaren Energien die Kohle ersetzen. Derzeit liegt der Ökostromanteil bei 42,6 Prozent, bis 2030 soll er 65 Prozent sein. Doch wie das klappen soll, ist offen: Der Bau neuer Windräder ist wegen vieler Widerstände stark rückläufig. Zudem lieferte die Windkraft 2018 am Primärenergie-Verbrauch von 13.000 Petajoule nur 396 Petajoule, also drei Prozent. Fotovoltaik spielte mit 165 Petajoule eine noch geringere Rolle. Die Idee, die Energieversorgung der deutschen Volkswirtschaft fast ausschließlich auf Wind- und Solarkraft umzustellen, erscheint damit absurd.

Weil der Kohleausstieg global nur geringe Effekte auf das Klima hat, wird er von den Klimaschützern mit der internationalen Vorbild-Funktion Deutschlands begründet. Nach einer Umfrage des Weltenergierats halten aber nur elf Prozent der befragten Experten in Europa die deutsche Energiewende für ein Vorbild. Grund sind einerseits die hohen Kosten und andererseits die ausbleibenden Erfolge beim Klimaschutz.

Ein weiterer Grund für die fehlende Akzeptanz des deutschen Modells der Energiewende ist die fehlende Versorgungssicherheit. 2022 soll zwar überprüft werden, ob der Atom- und Kohleausstieg die Versorgungssicherheit gefährden, diese ist jedoch im Gesetz nicht definiert. Theoretisch könnte  die Politik auch eine temporäre Abschaltung industrieller Stromverbraucher als Beitrag zur Sicherung der Versorgungssicherheit interpretieren.

Das Kohleausstiegsgesetz verstößt auch gegen den im Grundgesetz verankerten Eigentumsschutz. Ab 2025 soll die Stilllegung von Steinkohle-Kraftwerken entschädigungslos erfolgen. Dies stellt eine verfassungswidrige Enteignung dar, die nicht nur börsennotierte Unternehmen, sondern vor allen die Stadtwerke betrifft.

Das Kohleausstiegsgesetz verletzt zudem das Gebot der Planungssicherheit bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen. So enthält das Gesetz abweichend von der Empfehlung der Kohlekommission  nur noch eine Kann-Bestimmung bei den Kompensationen für höhere Strompreise. Die sich daraus ergebende Unsicherheit dürfte Investitionen blockieren.

Schließlich ist es der Bundesregierung auch nicht gelungen, bei der strittigen Energiewende mit dem Kohleausstiegsgesetz  eine gesellschaftliche Befriedung herbeizuführen. Schon die Kohleausstiegskommission hat viele Streitpunkte offen gelassen. Darüber hinaus weicht  der Gesetzentwurf der Bundesregierung hinsichtlich der Ausstiegsgeschwindigkeit „möglichst stetig“ und der Betriebserlaubnis für Datteln 4 von Empfehlungen der Kohlekommission ab. Von den Grünen-Politikern  wird dies als ein Verstoß gegen den Kohlekompromiss gewertet. 

Fazit:

Das Kohleausstiegsgesetz ist wiederum ein typisches Gesetz der derzeitigen Bundesregierung, das allen Anforderungen einer zweckmäßigen und rationalen Gesetzgebung widerspricht.


 


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