Herausforderungen an den Mittelstand in der Zukunft
I
Allgemeiner Rückblick auf das Jahr 2019:
• Die deutsche Wirtschaft hat eine Wachstumspause eingelegt. Trotz extrem niedriger Zinsen ist die Konjunktur verhalten.
• Betroffen ist insbesondere die Industrie: Wohin geht die Reise bei den Automobilherstellern, der deutschen Chemie und den Anlagenbauern? Hier gibt es auch strukturelle Probleme.
• Die Beschäftigungslage ist weiterhin gut. Der Arbeitsmarkt sendet aber unterschiedliche Signale: Facharbeitermangel im Mittelstand und Kurzarbeit in der Industrie.
• Offen ist die Frage, ob die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland auf äußeren Einflüssen beruhen (Brexit, Handelskrieg USA-China, Autozölle) oder hausgemacht sind (Energiewende, wachsende Bürokratie).
• Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (Felbermayr) hat inzwischen festgestellt, dass Trump dem Welthandel bisher nicht geschadet hat, wohl aber der Brexit.
• Außerdem zeigen internationalen Rankings, dass die deutsche Wettbewerbsfähigkeit deutlich abgesackt ist (Arbeitskosten, Steuern, Bürokratie, Infrastruktur). Hier ist die Politik in der Verantwortung.
• Demgegenüber haben die deutschen Unternehmen auf dem Weg zur digitalen Wertschöpfung (Stichwort Industrie 4.0) ihre internationale Spitzenposition halten und verbessern können. Siemens und SAP sind dafür Paradebeispiele.
• Das Vertrauen in die deutsche Industrie ist weiterhin ungebrochen. Der Beweis sind die Kurse deutscher Aktiengesellschaften. Für Aktienanleger war 2019 ein gutes Jahr.
• Dies gilt auch für die deutsche Autoindustrie: Wir hatten keinen Dieselskandal sondern einen Betrugsskandal. Nachdem die Kommunen die gerichtlichen Vorgaben maßvoll umsetzen, zieht die Diesel-Nachfrage wieder stark an (Hans Dieter Pötsch).
• Ergebnis: Der seit der Finanzkrise stark gewachsene politische Einfluss auf die Wirtschaft ist es, der die derzeitigen Problem und Unsicherheiten verursacht.
II
Was sind vor diesem Hintergrund die zukünftigen Herausforderungen für den Mittelstand?
• Die wirtschaftliche Lage des Mittelstandes variiert sehr stark nach Branche und Unternehmen. Allgemein gültige Aussagen sind deshalb kaum möglich. Der Bauwirtschaft geht es derzeit gut, der Landhandel hatte zwei schlechte Jahre.
• Die Finanzierung ist bei entsprechender Bonität sicherlich nicht das Hauptproblem. Die Zinsen bleiben weiterhin niedrig und die Banken suchen Geschäftskunden.
• Ein ernstes Problem sind jedoch die fehlenden Fachkräfte und Auszubildende. Wer wachsen will, stößt hier auf eine nur schwer zu überwindende Grenze. Migranten sind nur in Ausnahmefallen eine Lösung.
• Eine existenzielle Gefahr für den Mittelstand sind die zunehmende Konzentration der Wirtschaft (Beispiel Einzelhandel) und neue Handelsplattformen wie Amazon. Die Politik akzeptiert diese Entwicklung.
• Der Mittelstand kann sich dagegen mit Kooperationen (Einkaufsverbünde, Franchise, E-Commerce) wehren, er kann den Konzentrationsprozess aber nicht stoppen.
• Der Kunde orientiert sich in erster Linie am Preis. Und dort sind die großen Unternehmen auf Grund von Skaleneffekten (Stichwort Fließband) im Vorteil.
• Demgegenüber liegt die Stärke des Mittelstandes bei der Befriedigung spezieller (lokaler oder individueller) Bedürfnisse. Hier liegt auch seine Zukunft.
• Der Mittelstand ist traditionell auf Märkten tätig, die große Unternehmen nicht bedienen können oder wollen. Dies wird auch so bleiben. Die Ansprüche an den Mittelstand werden aber steigen.
• Gute bzw. überdurchschnittliche Produkt- und Marktkenntnisse muss der erfolgreiche Mittelständler schon heute haben. Zukünftig wird es aber auch auf unternehmerischen Denken, Flexibilität und Innovationsbereitschaft ankommen, um im Markt bestehen zu können.
• Außerdem wird für die Zukunft des Mittelstandes entscheidend sein, welche Rahmenbedingungen die Politiker dem Mittelstand bescheren. So wie bisher kann es nicht weitergehen: Wir brauchen ein maßvolles Steuerrecht und Flexibilität im Arbeitsrecht, aber kein Spezialwissen für das Ausfüllen von Formularen, wenn wir einen Monteur ins Ausland schicken wollen, und insbesondere auch keine Bon-Pflicht für Bäckereien.
• Von den rechtlichen Rahmenbedingungen wird es letztlich auch abhängen, ob und wie es dem Mittelstand gelingt, die Unternehmensnachfolge zu regeln. Die Söhne und Töchter werden den Betrieb nur übernehmen wollen und können, wenn er eine Perspektive hat und im Vergleich zu anderen Berufsalternativen attraktiv ist.
Vielfach wird gefragt: Kann man jungen Leuten unter den heutigen Bedingungen überhaupt noch empfehlen, sich selbständig zu machen?
Meine Antwort lautet: Wer unabhängig sein will, wer kreativ arbeiten kann und das Risiko nicht scheut, den braucht man nicht zu fragen. Er wird sich in jedem Fall selbständig machen.