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Banken- und Finanzkrise : "Krieg gegen das Bargeld"
16.02.2016 13:42 (4470 x gelesen)

"Krieg gegen das Bargeld"

Anfang Februar 2016 ließ Wolfgang Schäuble (CDU) die Öffentlichkeit wissen, dass Bargeldgeschäfte nur noch bis zu 5.000 Euro erlaubt sein sollen. "Wir können uns eine Obergrenze in der Größenordnung von 5.000 Euro vorstellen", sagte Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU). Alle Zahlungen oberhalb dieser Schwelle wären illegal und müssten per Banküberweisung geschehen.

Wolfgang Schäuble treibt den "war on cash" vor allem auf europäischer Ebene weiter. Auf seine Initiative hat die EU-Kommission bereits einen Aktionsplan gegen Geldwäsche präsentiert, allerdings ohne den Vorschlag eines Bargeld-Limits. „Unsere Position ist, dass wir sehr gerne einen international abgestimmten Vorschlag hätten“, sagte Meister. Zieht Europa nicht mit, will die Bundesregierung auf nationaler Ebene eine Obergrenze einführen.

Inzwischen haben die europäischen Finanzminister die EU-Kommission beauftragt, Vorschläge für ein einheitliches  Barzahlungslimit zu machen. "Für eine einheitliche Regelung in Europa spricht eine Menge", sagte Wolfgang Schäuble. "Niemand will Bargeld abschaffen. Niemand will eine Obergrenze einführen, wie viel Bargeld Menschen besitzen dürfen. Wir wollen Geldwäsche und den Terrorismus effizienter bekämpfen."  Die FAZ vom 12. Februar 2016 kommentiert dazu: "Gefordert wird die (Barzahlungs-Obergrenze) ausgerechnet von Finanzminister Schäuble - jenem Politiker, der einst von einem Waffenhändler eine Schwarzgeldspende über 100.000 D-Mark angenommen und weitergeleitet hat."

Es ist kein Zufall, dass die Europäische Zentralbank (EZB) zeitgleich bekannt gab, sie berate über das Ende der 500-Euro-Scheine. Es sei zwar noch nichts beschlossen, sagte ihr Präsident Mario Draghi, aber das EZB-Direktorium habe die Frage seit einiger Zeit besprochen. „Es gibt da noch Fragen, wie man eine Entscheidung am besten durchsetzt und wie man das kommuniziert.“ Inzwischen hat der EZB-Rat in einem schriftlichen Verfahren mehrheitlich eine entsprechende Grundsatzentscheidung getroffen und den Banknotenausschuß beauftragt, kurzfristig Vorschläge zur praktischen Umsetzung zu machen. EZB-Präsident Mario Draghi sagte, der 500er werde "zunehmend als ein Instrument für illegale Aktivitäten gesehen".

Die Abschaffung des 500-Euro-Scheins kann nur schrittweise erfolgen, weil die zum Tausch benötigten 200- oder 100-Euro-Scheine erst gedruckt werden müssen. Nach EZB-Angaben gab es Ende 2015 rund 614 Millionen 500-Euro-Scheine im Wert von 307 Milliarden Euro. Rund ein Viertel davon könnte außerhalb des Euroraumes gehortet sein, schätzt die Zentralbank. Insgesamt sind Eurogeldscheine im Wert von rund einer Billion Euro im Umlauf. Davon machen die 500-Euro-Scheine rund ein Drittel aus.

Anfang Mai 2016 gab die EZB bekannt, dass der Rat der EZB beschlossen habe, den 500-Euro-Schein schrittweise abzuschaffen. Die Produktion werde sofort gestoppt und die Herausgabe der Fünfhunderter zum Jahresende 2018 beendet, wenn die neuen Hunderter und Zweihunderter bereitstehen. Zugleich betonte die EZB, dass der 500-Euro-Schein gültig bleibe, und zwar für unbegrenzte Zeit. 

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Auffällig ist die Eile, mit der das Finanzministerium das Zahlungslimit und die Zentralbank die Abschaffung der 500-Euro-Scheine umsetzen wollen. Sie begründeten ihre Maßnahmen mit dem Kampf gegen Schattenwirtschaft, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Hierzu beruft sich das Finanzministerium auf eine bestellte Studie des Strafrechtsprofessors Kai-D. Bussmann (?), wonach „in Deutschland schwarzes Geld im Umfang von etwa 100 Milliarden Euro gewaschen wird“. Die hochentwickelten Industrieländer böten auch für Kriminelle Sicherheit und "ziehen das schwarze Geld magnetisch an". Er empfielt eine Obergrenze für Bargeldgeschäfte zwischen 2.000 und 5.000 Euro. "Damit wird für teure Zahlungen eine Papierspur angelegt."

Zu diesen Behauptungen gibt es aus der Wissenschaft starken Widerspruch. Nach Berechnungen des renomierten Experten der Schattenwirtschaft, Friedrich Schneider von der Universität Linz, hat eine Abschaffung großer Banknoten oder das Verbot großer Barzahlungen "nur minimale senkende Effekte auf die Schwarzarbeit oder die Kriminalität". Würde eine Obergrenze von 5.000 Euro gesetzlich eingezogen, würde die Schwarzarbeit nur um 1 Prozent zurückgehen, sagte er. Selbst bei einem totalen Bargeldverbot rechnet er nur mit einem Rückgang um 2 bis 3 Prozent. So sieht es auch die führende EZB-Bargeldexpertin Doris Schneeberger. Es gebe "keinen statistisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen Kriminalität und Bargeldnutzung oder auch dem Umfang der Schattenwirtschaft und Bargeld". Dies gelte auch für die Verwendung von Banknoten mit hohem Nennwert wie dem 500-Euro-Schein.

Zu den Befürwortern einer Abschaffung der 500-Euro-Scheine gehören insbesondere Vertreter der Polizei und der Finanzbehörden, die auf den angeblich engen Zusammenhang zwischen Bargeldgeschäften und Korruption sowie Schattenwirtschaft hinweisen. Belastbaren Beweise und Statistiken gibt es dafür aber nicht. Der Münchner Strafverteidiger Rainer Spatscheck, Strafrechtsexperte beim Deutschen Anwaltsverein, sagte. "Ich habe noch nie einen Fall erlebt, den es nicht gegeben hätte, wenn diese Banknoten abgeschafft worden wären." Selbst der EZB liegen solche Beweise nicht vor, wie Yves Mersch, der im EZB-Direktorium für Banknoten zuständig ist, zugeben musste: Er kenne die Behauptungen von Polizei- und Finanzbeamten, es fehlten dafür bisher aber die "handfesten Beweise".

Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist skeptisch, ob sich mit der Abschaffung der 500-Euro-Scheine Geldwäsche und Terrorismus eindämmen lassen. "Die offene Frage ist, wie weit das mit diesen Maßnahmen gelingt", sagte er. Man dürfe nicht vergessen, dass "Bargeld und Barzahlung in Deutschland ein sehr wichtiger Bestandteil des Wirtschaftslebens sind". 80 Prozent aller Transaktionen würden bar abgewickelt. Vom gesamten Umsatzvolumen seien es 53 Prozent. "Die Bürger wollen selbst entscheiden, ob sie Bargeld nutzen oder nicht", sagte Weidmann. 

Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele stellt sich ebenfalls gegen die Befürworter von Obergrenzen für Bargeldzahlungen:  "Mir ist nicht bekannt, dass in Ländern mit einer Bargeldobergrenze, etwa in Italien oder Frankreich, die Kriminalität entsprechend geringer wäre als in Ländern ohne Obergrenze." Thiele erinnerte daran, dass es in der Bargelddiskussion unterschiedliche Motive gebe. Den einen gehe es darum, Geschäfte mit kriminellem Hintergrund einzudämmen, andere wollten die Schattenwirtschaft zurückdrängen oder Steuervermeidung erschweren. Es gebe aber auch Ökonomen, die für eine völlige Bargeldabschaffung plädierten, damit die Notenbanken dann negative Zinssätze durchsetzen könnten. Thorsten Polleit, Chefökonom von Degussa Goldhandel, sieht just darin das eigentliche Motiv der EZB: "Es geht der EZB darum, Minuszinsen auf breiter Basis, also für jeden Bürger, durchsetzen zu können. Wenn das Bargeld erst abgeschafft ist, dann können sich die Bürger zum einen nicht mehr gegen die Enteignung durch die Negativzinspolitik der EZB wehren und zum anderen verlieren sie jeden privaten Raum - das staatliche Auge überwacht dann jede wirtschaftliche Transaktion."

Dass Korruption sowie Schattenwirtschaft einerseits und Bargeldgrenzen andererseits nichts miteinander zu tun haben, zeigt sich auch bei einem Ländervergleich. Im Korruptions-Index von Transparency International zählen mit Dänemark, Finnland und Schweden ausgerechnet drei Länder ohne Bargeld-Grenzen zu den "saubersten" weltweit. Deutschland findet sich in diesem Index auf dem 10. Platz wieder - und damit weit vor Staaten wie Frankreich, Portugal oder Spanien, die niedrige Bargeld-Schwellen eingeführt haben. In Frankreich etwa wurde die Grenze im vergangenen Sommer von 3.000 Euro auf 1.000 Euro gesenkt, ohne dass sich das Land auf der Korruptionsskale verbessert hat. Das Land steht heute wie auch Spanien schlechter da als im Jahr 2012.

Damit bestätigt sich, dass es bei dem Zahlungslimit und der Abschaffung der 500-Euro-Scheine nicht um die Bekämpfung von Schattenwirtschaft, Geldwäsche oder Terrorfinanzierung geht, sondern damit andere Ziele oder Interessen verfolgt werden: Die Banken wollen sich aus Kostengründen vom Bargeldgeschäft trennen und den Zahlungsverkehr auf das rentable E-Banking umstellen. Die Polizei- und die Finanzbehörden befürworten diesen Prozess, weil sie sich davon eine bessere Kontrolle und Nachverfolgung finanzieller Transaktionen versprechen. Und die Europäischen Zentralbank gewinnt mit der Abschaffung des Bargeldes zusätzliche Handlungsmöglichkeiten: Sie kann mit negativen Zinsen die Sparquote senken und dadurch der Konjunktur weitere Impulse geben.

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Der „war on cash“ startete vor einigen Jahren in Amerika. Dahinter steckt eine Interessengemeinschaft aus Silicon Valley (Digitalisierung), Wall Street (Kartenzahlung) und Washington (Kontrolle), die alle an einem Strang ziehen. Auf höchster Ebene arbeitet eine Gruppe von Bankern, Zentralbankern und Ökonomen - konkret die "Group of Thirty" - an der schrittweisen Abschaffung von Bargeld.  Angeblich sollen Geldwäscher, Steuerhinterzieher und Kriminelle bekämpft werden. Tatsächlich geht es jedoch darum, das Bargeld als Zahlungsmittel mittelfristig abzuschaffen. „Denn ohne Bargeld lassen sich Bank-Runs verhindern, die Staatsschuldentragfähigkeit erhöhen und Vermögensabgaben leichter durchführen“, warnt der Ökonom und Buchautor Gerald Mann. Am Ende steht der gläserne Bürger, der optimal zu überwachen und zu steuern sei.

Prominente Propagandisten des Bargeldverbots sind Kenneth Rogoff, Ökonom an der Eliteuniversität Havard, und sein Kollege Larry Summers, ehemals Berater von Barack Obama. Sie begründen ihre Forderung mit drei Argumenten: 1. Bargeld habe eine "dunkle Seite", weil Kriminalität, Steuerhinterziehung und Bestechung über Bargeld laufe. 2. Bargeld verhindere, dass Notenbanken die Zinsen in den negativen Bereich senken können, um die Konjunktur anzukurbeln. 3. Bargeld sei eine Gefahr für die Banken, wenn die Sparer die Banken stürmen und ihr Geld abheben. Rogoff/Summers wollen diese Probleme mit der Abschaffung des Bargelds lösen und verweisen auf die Möglichkeit, Zahlungen heute auch bargeldlos durchzuführen.

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält das Beschränken von Bargeldzahlungen für verfassungswidrig: "Dies wären nicht gerechtfertigte Eingriffe in Freiheitsrechte, nämlich die Vertragsfreiheit und Privatautonomie." Zudem habe das Verfassungsgericht immer wieder betont, "dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf", sagte Papier. Eine gesetzliche Bargeldobergrenze und der Zwang zu elektronischen Zahlungsmitteln bedeuten einen "kräftigen Schritt hin zur weiteren Reglementierung, Erfassung und verdachtslosen Registrierung". Auch sei wohl nicht hinreichend nachweisbar, dass diese Beschränkungen zu Schutz des Gemeinwohls wirklich geeignet und erforderlich seien. "Mit solch vagen Vermutungen und globalen Verdächtigungen können die Freiheitseingriffe nicht legitimiert werden."

Wie berechtigt solche Bedenken hin zum "gläsernen Bürger" sind, zeigt ein weiteres Projekt des Bundesfinanzministeriums: die Abschaffung des Bankgeheimnisses. Das in § 30a Abgabenordnung "zum Schutz von Bankkunden" geregelte Bankgeheinmis ist vom Deutschen Bundestag auf Initiative von Wolfgang Schäuble mit Wirkung zum 25.06.2017 aufgehoben worden. Damit können Behörden bei Banken nach Konten fragen, ohne den Kontoinhaber vorher zu informieren. Das beinhaltet auch Sammelanfragen, bei denen sich die Behörden nach den Konten einer bestimmten Gruppe von Kunden erkundigen können. Dass von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht wird, zeigen die rasant steigenden Abfragen beim zuständigen Bundeszentralamt für Steuern. 

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Wolgang Schäuble muss allerdings nicht befürchten, dass das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache angerufen wird. Käme die Bargeldobergrenze auf europäischer Ebene, könnte das Bundesverfassungsgericht dagegen nichts ausrichten, weil das Grundgesetz im Rang unter jeglicher EU-Direktive steht. Dies erklärt, warum Schäuble eine auf europäischer Ebene abgestimmte Regelung sucht.  

Heftige Kritik an diesen Plänen gibt es von den Grünen, der FDP und AfD. Die FDP sieht darin einen Angriff auf die Freiheit. „Union und SPD geht es nicht um die Bekämpfung der Terrorfinanzierung, sondern um die Kontrolle über die Sparguthaben“, sagte Volker Wissing (FDP). „Bargeld ist gelebte Freiheit, die wir nicht preisgeben sollten.“ Auch die Bundesbank ist kritisch. „Für die Bürger bedeutet jede Einschränkung der Bargeldnutzung einen Verlust an persönlicher wirtschaftlicher Freiheit“, sagte Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele. Und er warnte: "Wir sind in der Eurozone weiterhin in einer fragilen wirtschaftlichen Situation, da erscheint es nicht klug, wenn die Regierung Obergrenzen für den Bargeld-Gebrauch diskutiert und die EZB überlegt, den 500-Euro-Schein abzuschaffen."  Es gehe beim Bargeld auch um die Freiheit der Bürger. Und er fügte hinzu: "Freiheit stirbt scheibchenweise." 

Es dauerte lange, bis die CDU zur Zukunft des Bargelds Stellung bezog. Auf ihrem Parteitag in Essen im Dezember 2016 fasste sie folgenden Beschluss: "Die CDU Deutschlands wendet sich gegen Pläne, in Deutschland eine Bargeldobergrenze einzuführen. Die CDU Deutschlands erachtet die Möglichkeit jedes Bürgers, nach eigenem Willen auch mit Bargeld zu zahlen, als ein unverzichtbares Merkmal einer freiheitlichen, bürgerschaftlich verfassten Gesellschaft." Vom Bundesfinanzministerium wollte sich jedoch niemand öffentlich zu diesem Beschluss bekennen, so dass sich der Verdacht aufdrängt,  es wird ein doppeltes Spiel betrieben: Wolfgang Schäuble beteuert zu Hause, niemand habe die Absicht vorzuschreiben, wie viel Bargeld jemand haben darf. Und in Brüssel gehört er zu denjenigen, die eine gemeinsame Obergrenze für Bargeldgeschäfte vorantreiben.


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