Die Kosten der Energiewende
Die von der Bundesregierung geplante Energiewende ist nicht nur ein Abschied von der Atomenergie, sondern ein politisches Projekt, mit dem die deutsche Stromversorgung komplett umgebaut werden sollte. Nicht nur die Atomkraft, sondern auch die fossilen Energieträger (Kohle, Öl und Gas) sollen nach dem Willen der Bundesregierung weitgehend durch die erneuerbaren Energien (Sonne und Wind) ersetzt werden. Bis 2050 soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung auf 80 Prozent steigen.
Die volkswirtschaftlichen Kosten dieses politischen Projektes sind gigantisch. Der ehemalige Umweltminister Peter Altmaier gab sie mit circa 1 Billionen Euro an, die sich wie folgt zusammensetzen:
• | Einspeisevergütungen bis 2022 | Euro 320 Mrd. |
• | Neubau von Anlagen bis 2022 | Euro 360 Mrd. |
• | Netzausbau, Reservekapazitäten | Euro 300 Mrd. |
Summe | Euro 980 Mrd. |
Umgehend warfen große Medien dem Umweltminister vor, dass er sich bei seinem "Billionen-Ding" wohl verrechnet haben müsse. "Sie dürfen die Leute nicht mit Horrorzahlen auf die Bäume jagen", verlangte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Zu den Kosten der Energiewende gibt es inzwischen zahlreiche Berechnungen, die auf unterschiedlichen Annahmen beruhen und deshalb nur schwer vergleichbar sind. Die meisten Schätzungen liegen aber deutlich über den von Peter Altmaier genannten Zahlen. Nach den Berechnungen der RWE werden sich die Kosten der Energiewende auf etwa 3,0 Billionen Euro belaufen. Eine BDI-Studie von Anfang 2018 belegt, schon das Minimalziel des Pariser Klima-Abkommens erfordert Zusatzausgaben in Billionen-Höhe.
Das Institut für Wettbewerbsökonomik ("Dice") unter der Leitung ihres Direktors Justus Haucap hat für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in einer Studie die bis 2015 bereits angefallenen Gesamtkosten der Energiewende berechnet und die weitere Kostenentwicklung bis 2025 geschätzt. Nach den Berechnungen des Instituts hat die Energiewende zwischen 2000 und 2015 rund 150 Milliarden Euro gekostet, wobei die Netzausbaukosten in diesem Zeitraum noch nicht berücksichtigt sind. Weitere 370 Milliarden kommen in den nächsten zehn Jahren hinzu. In der Zusammenfassung der Studie heißt es: "In den Jahren 2000 bis 2025 müssen geschätzt rund 520 Milliarden Euro (einschließlich der Netzausbaukosten) für die Energiewende im Bereich der Stromerzeugung aufgewendet werden." Mit 80 Prozent hat die EEG-Umlage den größten Anteil an diesen Kosten.
An solchen Zahlen lässt sich ermessen, welche Risiken auf die deutsche Volkswirtschaft zukommen können: Wenn das Projekt scheitert, sind Ressourcen von gewaltigem Ausmaß verschleudert worden. Ein Scheitern würde zudem bedeuten, dass Deutschland international an Wettbewerbsfähigkeit verlieren und als Industriestandort uninteressant würde. Auch "nach 2025 wird die Energiewende auch nicht zum Null-Preis zu haben sein", sagte Justus Haucap bei der Vorstellung der Studie. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis sei extrem schlecht: Deutschland stoße heute immer noch genau so viel CO2 aus wie im Jahr 2009.
Mit der Energiewende sind außerdem Schäden und Verluste verbunden, die zu den direkten Kosten hinzutreten. Zu solchen Schäden rechnen schon heute die Vermögensverluste bei den konventionellen Stromproduzenten, deren Anlagen durch die Energiewende entwertet werden. Dass diese Verluste nachhaltig durch Gewinne der subventionierten "grünen Industrie" ausgeglichen werden, ist mehr als fraglich. Auch der komplette Verzicht auf die Kernkraftsparte zählt zu den volkswirtschaftlichen Schäden, weil damit gleichzeitig auf zukünftige Entwicklungschancen verzichtet wird. Schließlich ist nicht zu übersehen, dass es inzwischen einen direkten Zusammenhang zwischen der Energiewende und den rückläufigen Investitionen gibt. Offensichtlich wird Deutschland als Investitionsstandort aufgrund der Energiewende nicht attraktiver, sondern für Investoren immer uninteressanter.
Grüne Industrie
Die Propagandisten der Energiewende wollten die deutsche Industrie „grün, sauber und zukunftsfähig“ machen. Deutschland sollte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien Technologie- und Markführer werden. Man verspricht, dass die grüne Revolution zu einem neuen Beschäftigungswunder führen werde. Noch im Bundestagswahlkampf 2013 warben die Grünen damit, bis 2025 im Bereich der erneuerbare Energien nicht weniger als eine Millionen Arbeitsplätze schaffen zu können.
In der Tat stieg die Zahl der Beschäftigten von 2004 bis 2012 im Bereich der erneuerbaren Energien von 161.000 auf 378.000. Ein selbsttragender Arbeitsmarkt ohne EEG-Förderung entstand aber keineswegs. Denn 70 Prozent der Arbeitsplätze entfielen auf Branchen, die direkt von der Ökostromförderung profitierten. Jeder dieser Arbeitsplatz wurde durchschnittlich mit 80.000 Euro jährlich gefördert.
Wie unsicher eine auf Subventionen angewiesene Beschäftigung ist, zeigte sich in der Solarbranche: Auf Grund der übermäßig hohen Fördersätze des EEG wurde in diesem Bereich massiv investiert. Machertypen wie der „Solar-Guru“ Frank Asbeck nutzten diese Förderkulisse zum Aufbau ihres „Sonnenreichs“. Die Aktie von „Solarworld“ gehörte jahrelang zu den Börsenstars. Jeder Arbeitsplatz in dieser Industrie wurde jedoch nach Berechnungen des RWI mit 175.000 Euro öffentlicher Mitteln jährlich gefördert.
Inzwischen ist die Stimmung aufgrund gesunkener Vergütungssätze und der chinesischen Konkurrenz gekippt. Anbieter wie Conergy, Solon, Q-Cells und Solar Millenium mussten Insolvenz anmelden. Tausende von Arbeitsplätzen gingen wieder verloren. In der Herstellung von Solarzellen und Solarmodulen waren im November 2013 nur noch 4.800 Personen beschäftigt.
Um die europäischen Hersteller zu schützen, hat die EU-Kommission Solarimporte aus China mit einem Strafzoll belegt. Seither gilt in Europa für Solarkraft ein Mindestpreis von 56 Cent pro Watt, was deutlich über den Preisen in anderen Weltregionen liegt. Als Reaktion fluten die Chinesen den Weltmarkt mit Billig-Modulen, wodurch andere Hersteller unter Druck geraten. Vorerst fühlt man sich in Europa noch sicher, die Zollmauer bekommt aber deutliche Risse, weil die chinesischen Billigpreise in einer "Kettenreaktion" über andere Staaten nach Europa durchgereicht werden.
Die großen Unternehmen in der Branche haben sich von dem Solarabenteuer längst verabschiedet. Die Firma Bosch hat ihre Solaraktivitäten mit 3.000 Mitarbeitern komplett aufgegeben. Unterm Strich dürfte dem Stuttgarter Konzern der Ausflug in die Solarwelt circa 3,7 Milliarden Euro gekostet haben. Franz Fehrenbach, Chef der Unternehmensgruppe Bosch, bekannte freimütig:
„Wir haben den Einstieg (in die Solarindustrie) 2008 gründlich vorbereitet, wurden dafür allseits gelobt. Inzwischen hat sich der Markt komplett geändert: Der immense Kapazitätsaufbau in China, der daraus resultierende massive Preisdruck - das konnten wir damals nicht absehen. Subventionierte Märkte sind auf Dauer nie gut. Wir sehen das als Lehrbeispiel dafür, was man mit ausufernden Subventionen falsch machen kann. Die Lehre heißt: Wenn schon subventionieren, dann die Forschung, zum Anschub einer Innovation und allenfalls zur Unterstützung der Markteinführung, aber nicht dauerhaft in den Markt, wie es hier passiert ist.“
Ein ähnliches Schicksal erwartet die Bauern, die sich mit einer Biogasanlage ein zweites Standbein aufbauen wollten. Seit dem Jahr 2000 sind in Deutschland rund 8000 Biogasanlagen gebaut worden, die bislang mit rund 48 Milliarden Euro gefördert wurden, heute aber für die "Vermaisung" des Landes verantwortlich gemacht werden. Die Politik will deshalb den weiteren Bau von Biogasanlagen begrenzen und hat dazu das EEG geändert. Statt 19 Cent je Kilowattstunde , die bisher für Strom aus Biogas durchschnittlich gezahlt werden, sollen es in Zukunft nicht einmal mehr als 15 Cent sein. Und in den Anlagen soll der Mais-Anteil am vergärten Material Schritt für Schritt sinken, von zurzeit 60 auf 44 Prozent. "Maisdeckel" heißt das auf Bürokratisch.
Ziel dieser Maßnahmen ist es, den Maisanbau in Deutschland und die Förderung der Biogasanlagen zu reduzieren. Was aus den Tausenden von Biogasanlagen wird, die aus der komfortablen 20-Jahres-Förderung herausfallen und dann nicht mehr rentabel sind, steht auf einem anderen Blatt. Üblicherweise haben die Betreiber eine Rückbauverpflichtung unterschrieben. "Für eine durchschnittliche Anlage wären dann mehr als 3000 Tonnen Beton zu entsorgen. Macht bei 8000 Anlagen 24 Millionen Tonnen Beton", beschreibt Sebastian Balzter in der FAS vom 28. August 2016 diese gigantische Substanzvernichtung.
Schwarze Industrie
Und wie geht es den Energieriesen RWE, E.on, EnBW und Vattenfall, die den Energiemarkt über Jahrzehnte beherrschten? In Wirklichkeit kämpfen diese Unternehmen um ihre Existenz, weil ihnen mit der Energiewende das Geschäftsmodell abhanden gekommen ist. Die Folgen lassen sich am Börsenwert dieser Unternehmen ablesen: E.on hat in fünf Jahren knapp 70 Prozent seines Wertes eingebüßt, RWE sogar noch mehr: Noch 2007 wurde die RWE-Aktie für annähernd 100 Euro gehandelt, heute, d.h. im Jahr 2015 ist sie nur noch 14 Euro wert.
Auch dies sind Kosten der Energiewende: Denn hinter dem Verfall der Aktien steht eine gigantische Abwertung des Vermögens dieser Gesellschaften. Die bereits stillgelegten Atomkraftwerke haben nur noch Schrottwert. Bis 2022 müssen die noch laufenden Werke komplett abgeschrieben werden. Das gleiche Schicksal droht vielen konventionellen Anlagen, weil auch Gas- und Steinkohlekraftwerke nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind. Aus diesem Grund schrieb die RWE AG 2013 zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik rote Zahlen - und zwar in Milliardenhöhe: „Konkret ist es so, dass bei 20 bis 30 Prozent unserer Kraftwerke die Erlöse nicht einmal mehr die laufenden Kosten decken“, sagte RWE-Chef Peter Terium bei der Vorstellung der Bilanz 2013. Wenn sich die Marktstrukturen nicht ändern, „wird die konventionelle Stromerzeugung innerhalb des Konzerns wirtschaftlich fast bedeutungslos“.
Damit befindet sich RWE in guter Gesellschaft mit E.on, EnBW und Vattenfall, die Kraftwerke im Dutzend schließen, weil deren Betrieb gegen den subventionierten und im Netz privilegierten Ökostrom nicht mehr wirtschaftlich ist. Vor etwa zehn Jahren war eine Megawattstunde Strom im Großhandel fast dreimal so teuer wie heute. Damals fuhren Eon, RWE oder ENBW in jedem einzelnen Kernkraftwerk Tag für Tag eine Million Euro Gewinn ein. Keine zehn Jahre später arbeiten viele Kraftwerke nicht einmal mehr kostendeckend.
Die wirtschaftliche Situation zwingt die Unternehmen zu einem massiven Stellenabbau. Allein E.on will sich bis 2015 von 11.000 Mitarbeitern trennen. Betroffen sind jedoch nicht nur die vier größten Erzeuger, sondern die gesamte konventionelle Stromindustrie, also auch Stadtwerke, Regionalversorger und private Kraftwerksbetreiber.Der drastische Verfall der RWE-Aktie hat zudem tiefe Spuren in den Haushalten mancher Städte an Rhein und Ruhr hinterlassen.
Um wirtschaftlich zu überleben, haben Vorstand und Aufsichtsrat der RWE das Konzernunternehmen im Jahr 2016 in zwei selbständige Unternehmensbereiche aufgespalten. Im alten RWE-Konzern verblieben die konventionelle Stromerzeugung und der Energiehandel mit 20.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von ca. 8 Mrd. Euro. Auf eine neue Tochtergesellschaft unter dem Namen Inogy wurden die Bereiche Wind und Solar sowie die Netze und der Vertrieb übertragen. Mit 40.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von ca. 40 Mrd. Euro war die Tochter deutlich größer als die Mutter. Damit reagierte der Konzern auf die Energiewende, die den Strommarkt in einen Markt für konventionellen Strom und einen Markt für erneuerbare Energien gespalten hatte, wobei letzterem nach Meinung der Politik die Zukunft gehören soll.
Der RWE-Konzern folgte damit der Eon, die ebenfalls eine Aufspaltung des Konzernunternehmens durchführte, allerdings in einer anderen Variante: Die alte Eon konzentrierte sich ganz auf die neue Energiewelt, während der tradionelle Erzeugungsbereich auf ein neues Unternehmen unter dem Namen Uniper übertragen wurde. Dazu gehörten nach den ursprünglichen Plänen auch die Atomkraftwerke sowie die damit verbundenen Risiken. Doch ein neues Gesetz, mit dem die Bundesregierung auf diesen Spaltungsplan reagierte, hat diesen Ausweg aus der Atomhaftung versperrt. Die "grüne" Eon musste deshalb damit leben, dass sie neben Windrädern und Photovoltaikanlagen auch Atonmeiler betreibt.
Nur zwei Jahre später war alles schon wieder Makulatur. Anfang 2018 verständigten sich Eon und RWE, dass sie künftig nicht mehr auf allen drei Hochzeiten des Energiemarktes (Stromerzeugung, Betrieb von Stromnetzen und Verkauf des Stroms) tanzen, sondern sich spezialisieren wollen. RWE soll zu einem reinen Stromerzeuger ganz ohne Stromnetz und Endkunden werden und Eon zu einem reinen Stromverteiler ganz ohne Kraftwerke. Damit werden aus Rivalen gute Freunde. RWE wird zum größten Stromproduzenten in Deutschland, Eon zum größten Netzbetreiber mit den meisten Endkunden. Diese Umwandlung ist weniger einer überbordenden Stärke als der schieren Not geschuldet.
Den kommunalen Energieversorger geht es nicht besser als den großen Stromkonzernen. Katherina Reiche, Chefin des Stadtwerke-Verbandes VKU, beschreibt die Lage der Stadtwerke nach der Energiewende folgendermaßen: "Die Stadtwerke haben sich viel früher als andere Energieunternehmen zur Energiewende bekannt. Das liegt auch daran, dass in den Aufsichtsräten gewählte Abgeordnete der Kommunen sitzen. Allein im Jahr 2014 haben wir 5,08 Milliarden Euro in neue Energieanlagen, darunter viele erneuerbare Energien, investiert. Aber wir kämpfen mit denselben Problemen wie die großen Energieversorger. Gerade klimaschonende Kraftwerke wie die Gaskraftwerke, die man als Ergänzung für die volatilen erneuerbaren Energien braucht, verdienen momentan kein Geld. Deutschland produziert Strom im Überfluss. Die Strompreise an der Börse sind im Keller."
Zukunft der Kernkraftsparte
Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie werden nicht nur Meiler stillgelegt, sondern Deutschland verzichtet auch auf einen Technologiebereich, in dem es eine führende Position inne hatte. Aufgrund exzellenter Forschung auf dem Gebiet der Kernenergie und innovativer Technik beim Bau von Kernkraftwerken sind die deutschen Atomkraftwerke die sichersten und modernsten Anlagen in der Welt. Mit Aufgabe der zivilen Atomnutzung verschwindet auch der dazu gehörende Forschungs- und Technikbereich, was ebenfalls auf das Verlustkonto der Energiewende zu buchen ist. Mit dem deutschen Ausstieg aus der Atomenergie ist jedoch nicht das Ende des Atomzeitalters eingeläutet. Weltweit sind gut fünfhundert Atommeiler in Betrieb, ein Achtel davon befindet sich im Bau.
Die deutsche Bundesregierung hat zwar die öffentliche Förderung der Atomforschung komplett gestrichen. Es gibt aber weiterhin Fördermittel aus Brüssel, weil Deutschland Mitglied von „Euratom“ ist. Hiervon profitiert beispielsweise das Institut für Energietechnik an der TU Dresden, das sich mit Kraftwerken der 4. Generation beschäftigt. Dabei handelt es sich um Reaktoren, die sich bei einem Ausfall der externen Stromversorgung eigenständig stabilisieren und eine Kernschmelze naturgesetzlich ausschließen. Zur Notwendigkeit solcher Forschung erklärte der Direktor des Instituts, Professor Antonio Hurtado:
„Wir müssen auch künftig in unserem eigenen Interesse beurteilen können, ob bei Kernkraftwerken in Nachbarstaaten die Sicherheitsstandards eingehalten werden. Die bei einem Unfall freigesetzten radioaktiven Stoffe kennen bekanntlich keine Ländergrenzen. Und wir sind von Staaten mit Kernkraftwerken umgeben: Frankreich, Tschechien, Schweden, die Schweiz.“
In Erlangen beschäftigt der französische Konzern Areva, das führendes Unternehmen für die Errichtung, Modernisierung und Erhaltung von Kernkraftwerken in Europa, insgesamt 3.600 Mitarbeiter, die weiterhin in der Kernkraftsparte tätig sind. Der Sprecher dieser Niederlassung, Ulrich Gräber erklärte zur Situation seiner Branche:
„Ärgerlich ist, dass ausgerechnet hierzulande die sichersten Kernkraftwerke der Welt durch das voreilige Moratorium der Bundesregierung vom Netz genommen wurden.“ - „Einen generellen Trend zum Atomausstieg kann ich nicht erkennen.“ - „Grundsätzliche Entscheidungen gegen die Kernenergie gibt es weder in der Schweiz noch in Großbritannien. Auch in Indien oder China, wo mehr als 60 Prozent aller Kernkraftwerke gebaut werden, wurden die Planungen ebenso wenig abgeändert wie in den USA oder Russland.“ - „Gerade die deutschen Anlagen sind ausnahmslos auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik.“ - „Der aktuelle Druckwasserreaktor der dritten Generation, der „ERP“, ist eine Weiterentwicklung von Kraftwerken, die von der Gesamtauslegung her mit den Reaktortypen wie zum Beispiel Fukushima nicht mehr viel gemeinsam haben.“ - „ERP sind so konstruiert, dass es außerhalb nicht zu einer Freisetzung von Radioaktivität kommen könnte. Zusätzlich werden die erneut erhöhten Richtwerte für Flugzeugabstürze mit berücksichtigt. Moderne Kraftwerke haben auch von vornherein sogenannte Wasserstoff-Rekombinatoren, die die Bildung von Knallgas wie in Fukushima katalytisch verhindern“.
Deutschland als Industriestandort
Bezahlbarer Strom und Sicherheit der Energieversorgung sind für Unternehmen zentrale Standortfaktoren. Gewerbliche und industrielle Prozesse benötigen dauerhaft planbare und international wettbewerbsfähige Energie als grundlegenden Produktionsfaktor. Damit die deutsche Industrie im internationalen Wettbewerb keine Nachteile erleidet, sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor, dass stromintensive Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen teilweise von der EEG-Umlage befreit werden können. Eine ähnliche Regelung gilt für Unternehmen, die Strom und Wärme in Eigenregie erzeugen (Eigenstromerzeugung). Die Befreiungen haben aber nicht ausgereicht, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) stellte Anfang 2013 in einer Studie fest, dass die Investitionstätigkeit energieintensiver Branchen „ausgesprochen schwach“ ist: „Seit dem Jahr 2000 haben die Branchen Metall, Chemie, Glas, Keramik, Steine und Erden sowie Papier fast durchgängig weniger investiert als notwendig gewesen wäre, um die Abnutzung ihrer Produktionsstätten auszugleichen.“ Der Grund für die Investitionszurückhaltung sind die hohen Energiekosten, diagnostizierte das Institut, die zu einem „leisen Abschied der Industrie“ aus Deutschland führen.
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist der Industriestrompreis in Deutschland im Vergleich zu Frankreich und den Niederlanden rund 40 Prozent höher. Gemessen am Durchschnitt der EU beträgt der Kostennachteil fast 15 Prozent. Dieses Ergebnis wird vor allem durch Steuern und Abgaben verursacht. Während sich der reine Strompreis seit 2007 nur sehr moderat von 6,7 auf 7,2 Cent je Kilowattstunde verteuert hat, ist die Steuerlast um rund 250 Prozent gestiegen, von 0,9 auf 3,2 Cent pro Kilowattstunde. Eine wesentliche Ursache dafür ist die EEG-Umlage, die sich seit 2011 verdoppelte. Die öffentlichen Abgaben machen inzwischen 45 Prozent des Strompreises aus.
Steigende Energiekosten führen bereits seit längerem zu einem leisen Abschied der Industrie aus Deutschland. Kurt Bock, Vorstandsvorsitzender der BASF SE erklärte in der FAZ vom 11. Februar 2014, dass der deutsche Anteil an den weltweiten Investitionen von BASF nur noch ein Viertel beträgt gegenüber einem Drittel in den fünf Jahren davor. Die Gefahr der Deindustrialisierung ist deshalb real. Es sind vor allem die energieintensiven Unternehmen der Grundstoffindustrie, die wegen steigender Energiekosten sowie abnehmender Versorgungssicherheit Investitionen in Deutschland reduzieren und verstärkt im Ausland investieren. Betroffen ist davon die gesamte Wertschöpfungskette vom Werkstoff bis zum fertigen Produkt.
Wie aus einer aktuellen Studie des Handelsblatt Research Instituts hervorgeht, veranlassen steigende Energiepreis, fehlende strategische Planungssicherheit und die weltweit höchsten Arbeitskosten immer mehr energieintensive Unternehmen in Deutschland, ihren Investitionsschwerpunkt außerhalb Europas zu verlagern. So gingen die Nettoanlageinvestitionen dieser Unternehmen von +232 Millionen Euro im Jahr 2000 auf -1,7 Milliarden Euro im Jahr 2013 zurück. Dies deutet darauf hin, dass energieintensive Sektoren wie die Stahl-, Aluminium-, Chemie- oder Glasindustrie für die Zukunft nur noch bedingt mit dem Standort Deutschland planen. Diese steigern kontinuierlich ihre Direktinvestitionen im Ausland, während sie im Inland den Kapitalstock schrumpfen lassen. Daraus läßt sich ableiten, dass die Unternehmen der energieintensiven Branchen ihre Produktion schleichend ins Ausland verlagern und damit den industriellen Kern im Inland sukzessive verkleinern.
Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger hält insbesondere die Stahlproduktion in Deutschland für bedroht. Die Frage, welche Zukunft dieser Industriezweig in Deutschland noch hat, beantwortete er in der WamS (3. Januar 2016) folgendermaßen: "Das wird sich mittelfristig entscheiden. Viel hängt von den energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen ab. Werden die bisherigen Pläne der EU zur Neuordnung des Emissionsrechtehandels wie vorgesehen umgesetzt, ist Stahl aus Europa nicht mehr wettbewerbsfähig. Das muss man so deutlich sagen. Allein Thyssenkrupp hätte in der Zeit von 2021 bis 2030 eine Mehrbelastung von über zwei Milliarden Euro. Gleichzeitig drohen weitere Zusatzkosten durch die Novellierung des EEG-Gesetzes. Wir nutzen derzeit das Gas aus unseren Kokereien und Hochöfen, um Strom zu erzeugen, den wir dann zum Betrieb unserer Anlagen verwenden - eine sinnvolle und umweltfreundliche Lösung also. Dafür will der Gesetzgeber in Zukunft aber EEG-Umlage kassieren. In der Summe sind das Mehrbelastungen, die wir schlichtweg nicht stemmen können. Da helfen auch weitere Einsparungen oder Umstrukturierungen nicht mehr. Für Thyssenkrupp wäre die Stahlproduktion dann nicht mehr möglich."
Solche Argumente scheinen in der Brüsseler und Berliner Politik bisher wenig Eindruck zu hinterlassen. Doch es wäre ein großer Irrtum, die Bedeutung der Stahlindustrie zu unterschätzen. Immer noch sind dort fast 90.000 Beschäftigte tätig. Darüberhinaus ist die Stahlproduktion ein Ausgangspunkt für lange Wertschöpfungsketten in die Industrie hinein. Die Stahlindustrie, ihre Zulieferer und die stahlintensiven Branchen stehen für zwei von drei Industriearbeitsplätzen in Deutschland. Ein Irrglaube wäre es, anzunehmen, dass sich der Werkstoff Stahl ohne Schaden für den Standort Deutschland auch importieren ließe. "Ihren Erfolg verdanken Auto- und Maschinenbauer auch der sehr engen Integration der Stahlindustrie in die eigenen Wertschöpfungsketten - von der gemeinsamen Entwicklung besserer Materialien und Bauteile bis zur Just-in-time-Belieferung der Produktionsbänder. Dieser Verbund erfordert ein möglichst enges Zusammenspiel" (Helmut Bünder in FAZ vom 26. Januar 2016).