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Wirtschaftspolitik : Familiengeprägter Mittelstand
02.02.2016 12:43 (3581 x gelesen)

"Familiengeprägter Mittelstand“

Es sind die  managergeführten Großunternehmens der ersten Liga, wie Volkswagen, Siemens, BASF oder Deutsche Bank, die das Bild der Wirtschaft prägen und  deshalb als Vorlage für die Wirtschaftspolitik dienen. Wenn die Bundeskanzlerin die Wirtschaft nach Berlin ruft, sind es die Manager solcher Unternehmen, die an der Beratung teilnehmen. Der deutsche Mittelstand ist regelmäßig nicht vertreten. Wirtschaftspolitik hat dadurch den Charakter einer elitären Clubveranstaltung bekommen. Die vielen kleinen und zahlreichen mittleren Unternehmen, die insgesamt 95,5 Prozent aller Unternehmen ausmachen, sind daran nicht beteiligt.

Die deutsche Unternehmenslandschaft

Was Deutschland von anderen Ländern unterscheidet, ist nicht die Anzahl großer Unternehmen, sondern die vielen mittleren und kleinen Unternehmen. Es ist der Mittelstand, der die deutsche Wirtschaft prägt und der etwa 70 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigt. Er wird deshalb zu Recht als das Rückgrat der Wirtschaft bezeichnet wird.

Von den insgesamt 3.6 Millionen Unternehmen in Deutschland rechnen nur 18.000 – das sind 0,5 Prozent - zu den Großunternehmen.  Andere Länder zählen deutlich mehr. Die Vereinigten Staaten haben viermal und Japan hat doppelt so viele Großunternehmen wie Deutschland, sogar Frankreich hat mehr. Lediglich 6 Prozent der 500 größten Unternehmen der Welt haben ihren Sitz in Deutschland. Gleichwohl haben wir dank des Mittelstandes im Export immer vorn mitgespielt. 

Dies ist vor allem einer besonders erfolgreichen Gruppe von Unternehmen, den sogenannten „Hidden Champions“ zu verdanken. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die  in mehr oder weniger eng definierten Marktsegmenten weltweit tätig sind. Sie zeichnen sich durch hohe Innovationskraft und Flexibilität sowie gelebte Kundenorientierung aus. Häufig wurden sie von technischen Tüftlern gegründet und von Technikern über Generationen hinweg erfolgreich geführt. In der Regel sind sie in Familienbesitz und orientieren sich nicht an Quartalszahlen, sondern verfolgen langfristige Ziele. Sie sind nicht selten rentabler als börsennotierte Großunternehmen.

Hermann Simon, der seit 25 Jahren die Namen solcher Firmen sammelt, hat weltweit  2734 dieser Weltmarktführer gezählt. Es sind Unternehmen, die zu den Top 3 im Weltmarkt gehören, weniger als 5 Milliarden Umsatz machen und kaum bekannt sind. Davon befinden fast die Hälfte - insgesamt 1307 -  in Deutschland. Dies sind 16 „Hidden Champions“ auf eine Millionen Einwohner, Frankreich kommt nur auf 1,2 und  Japan auf 1,7. Die "Hidden Champions" sind das Alleinstellungsmerkmal, das Deutschland von dem Rest der Welt am stärksten unterscheidet. Nur Österreich und die Schweiz weisen ähnliche Werte wie Deutschland auf.

Viele dieser Spitzenunternehmen findet man auf dem Lande. Sie sind regional  verwurzelt und außerordentlich standorttreu. Ihren Ursprung haben sie häufig in Regionen mit handwerklicher Tradition und einem starken Unternehmergeist. Sie sind aus eigener Kraft gewachsen und in Familienhand. Häufig  sind sie Teil eines größeren Industrieclusters, in dem sie vertikal oder horizontal wichtige Teilfunktionen übernehmen. Sie konzentrieren sich auf Teil- oder Nischenmärkte, die sie aber global bedienen. Daraus erklärt sich das enorme Wachstum vieler dieser Unternehmen. Auf ihren Märkten gehören sie aufgrund ihrer Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zur Gruppe der Marktführer. Deutschland ist viel unternehmerischer und innovativer, als die Politik allgemein vermutet.

Zusammen mit den großen Industrieunternehmen sind die Hidden Champions die Treiber der wirtschaftlichen Globalisierung. Dies hat in Deutschland Tradition. Die bis Ende des 19. Jahrhunderts bestehenden Kleinstaaterei  zwangen Unternehmer zur Internationalisierung, wenn sie wachsen wollten. Dieses Erbe ist ein wichtiger Grund für die Exportorientierung der deutschen Wirtschaft. Deutschland exportiert keine Dienstleistungen, sondern technische Produkte, die weltweit gefragt sind. Aus dem von den Engländern als Zeichen für minderwertige Qualität gedachten „Made in Germany“ ist heute ein international begehrtes Gütesiegel geworden.

Die mittelständischen Familienunternehmen

Ein weiteres kommt hinzu. Die Stärke der Wirtschaft in Deutschland erklärt sich nicht nur durch die Vielzahl mittelständischer Unternehmen. Es ist auch die besondere Unternehmenskultur, die den Mittelstand prägen und aus der er seine  Kraft schöpft. Ludwig Erhard hat dies treffend beschrieben: „Der Mittelstand kann materiell in seiner Bedeutung nicht voll ausgewogen werden, sondern er ist viel stärker ausgeprägt durch seine Gesinnung und eine Haltung im gesellschaftlichen und politischen Prozess.“

Diese Prägung erhält der Mittelstand insbesondere daraus, dass es sich bei 95 Prozent aller Unternehmen um Familienunternehmen handelt. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie von ihren Inhabern oder Familien geführt oder kontrolliert werden. Sie unterscheiden sich von den anonymen Kapitalgesellschaften vor allem dadurch, dass Eigentum, Leitung und Haftung mehr oder weniger personell zusammen fallen. Im Idealfall leiten die maßgeblichen Eigentümer ihr Unternehmen selbst und haften persönlich für seine Schulden.

Historisch waren Inhaber und Familienunternehmen bis weit in das 19. Jahrhundert prägend für die Wirtschaft in Deutschland. Mit dem steigenden Kapitalbedarf  im Zuge der Industrialisierung wuchs aber die Bedeutung der anonymen Kapitalgesellschaften, bei denen Eigentum und Leitung auseinanderfallen und die Haftung beschränkt ist. Wissenschaftler wie Alfred Chandler haben daraus den Schluss gezogen, dass Familienunternehmen nur eine unvollkommene Vorstufe zu anonymen Kapitalgesellschaften sind. Infolgedessen beschäftigte sich die Öffentlichkeit  vornehmlich nur noch  mit den Kapitalgesellschaften.

Inzwischen hat die Wertschätzung von managergeführten Kapitalgesellschaften aber erheblich gelitten. Maßlose Managergehälter, kriminelle Bilanzmanipulationen und  skrupellose Finanzskandale haben Politik und Öffentlichkeit auf Distanz gehen lassen. Vor diesem Hintergrund erfahren die Familienunternehmen eine Renaissance. Sie sind nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern liegen auch im öffentlichen Vertrauen weit vorn. In Abgrenzung zu den anonymen Kapitalgesellschaften werden sie als Unternehmen mit „menschlichem Gesicht“ wahrgenommen.

Die besondere Unternehmenskultur

Familienunternehmen weisen in der Tat die Besonderheit auf, dass sie zwei unterschiedliche Lebenswelten, nämlich auf der einen Seite das Unternehmen und auf der anderen Seite die Familien  miteinander verbinden müssen. Unternehmen werden zweckrational und gewinnorientiert geführt. Demgegenüber sind Familien durch lebenslange Bindungen und verwandtschaftliche Solidarität geprägt. In Familienunternehmen muss  beides zusammengebracht werden, was die besondere Unternehmenskultur prägt. Der Familienunternehmer ist im Unterschied zum Manager Unternehmer auf Lebenszeit, nicht Unternehmer auf Zeit.  

Dies prägt vor allem das unternehmerische Selbstverständnis. Während Manager von Kapitalgesellschaften vorrangig dem Shareholderprinzip folgen, fühlen sich Familienunternehmer stärker dem Stakeholdergedanken verpflichtet, wie Friederike Welter in einem Beitrag der FAZ vom 25. Oktober 2013 richtig schreibt: „Zu den qualitativen Merkmalen mittelständischer Unternehmen gehört auch, dass sie in der Regel fest in ihrer Heimatregion verankert sind und langfristige, konsensorientierte Beziehungen zu den wichtigsten Stakeholdern (Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Banken) unterhalten. Viele Mittelständler weisen zudem eine besondere Motivations- und leistungsfördernde Unternehmenskultur und Innovationsorientierung auf. Mit anderen Worten: Die meisten mittelständischen Unternehmen in Deutschland bewegen sich zwischen Werten, Tradition und Innovation.“  

Der Familienunternehmer entspricht damit genau dem Bild des verantwortungsvollen Unternehmers, der von der Politik – zumindest in Sonntagsreden -  gefordert und als Vorbild dargestellt wird. Umso erstaunlicher ist es deshalb, dass diese Gruppe von Unternehmern in der realen Politik so gut wie keine Rolle mehr spielt.

Die Wirtschaftspolitik ist vorrangig nicht an Familienunternehmer ausgerichtet, sondern orientiert sich bei ihren Entscheidungen weitgehend an den  Großunternehmen. Allenfalls in einem zweiten Schritt geht es um eine "Mittelstandskomponente", indem für kleine und mittlere Unternehmen Erleichterungen oder Ausnahmen gemacht werden. Dabei läge es angesichts der mittelständischen Unternehmenslandschaft in Deutschland nahe, sich zunächst an den kleinen und mittleren Unternehmen auszurichten und gegebenenfalls für Großunternehmen Sonderregelungen zu treffen.

Die politische Vernachlässigung des Mittelstandes zeigt sich auch an dem geringen Einfluss, den die mittelständischen Verbände in der Politik haben. Dies gilt nicht nur für die zahlreichen Lobby-Verbände, sondern auch für die politiknahen Vereinigungen (Wirtschaftsrat der CDU,  Parlamentskreis Mittelstand, Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU etc.). Alle diese Einrichtungen haben zwar Zugang zur Politik, ihre Durchsetzungskraft hat jedoch stetig abgenommen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der Mittelstand ist nach Meinung der Politik für die Gewinnung von Mehrheiten nicht mehr wichtig!


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