"Tit for Tat"
Wer wird den Handelskrieg zwischen den USA und Deutschland gewinnen?
Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte der WELT am Rande eines Vortrags am Münchener Ifo-Institut: „Europa hat den Handelskrieg schon verloren, es gibt nichts, was Deutschland oder Europa tun können, um ihn zu gewinnen.“ Er begründete diese Aussage damit, dass Europa mehr Güter in die USA exportiere als umgekehrt und deshalb einen Außenhandelsüberschuss habe. Damit habe die EU bei einer Auseinandersetzung mit Strafzöllen und Gegenmaßnahmen immer mehr zu verlieren.
Widerspruch kam vom Leiter des Ifo-Instituts Clemens Fuest, der die Einschätzung von Varoufakis, dass die USA den Handelskonflikt gegen Europa nur gewinnen könnte, nicht teilen wollte. „Es gibt keinen Leistungsbilanzüberschuss der Europäer gegenüber den US-Amerikanern“, sagte Fuest. Wer das behaupte, berücksichtige nur den Güterhandel, vergesse aber die Dienstleistungen und die Gewinne amerikanischer Tochterunternehmen in Europa. „Wenn Trump glaubt, dass er in der besseren Position ist, irrt er“, sagte Fuest.
Trump contra Malmström
In dem Handelskrieg stehen sich zwei Partner gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein können.
Trump wie auch sein Handelsminister Wilbur Ross sind keine Befürworter des freien Welthandels, sondern bekennende Protektionisten. Beide denken politisch in bilateralen Beziehungen („let us make a deal“). Multilaterale Verträge und Einrichtungen lehnen sie ab, weil die USA darin nach ihrer Meinung bislang meistens übervorteilt worden ist.
Trumps Populismus, mit dem er die Wahl gewonnen hat, ist authentisch. Auch im kleinen Kreis verkündet er dieselben Botschaften, die man aus den Medien von ihm kennt, verriet Martin Richenhagen, Chef des US-Landmaschinenherstellers AGCO, der Trump überdies für ungebildet und unfähig hält, anderen zuzuhören.
Trump hat von seinem Vater viel Geld geerbt und war als Unternehmer in der Immobilienbranche tätig. „Er hat sein Geld damit verdient, dass er andere Leute über den Tisch gezogen hat“, sagte Richenhagen. Darüber hinaus soll er von Wirtschaft aber keine Ahnung haben.
Auf der europäischen Seite verhandelt die Europäische Kommission, vertreten durch die aus Schweden stammende EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, mit den Amerikanern über die streitigen Handelsfragen. Cecilia Malmström ist in jeder Beziehung das Gegenstück zu Donald Trump.
Malmström, Jahrgang 1968, hat Politikwissenschaft studiert und gehört der Partei Liberalerna an. Von 1999 bis 2006 war sie Abgeordnete im Europaparlament und von 2006 bis 2010 Europaministerin in der schwedischen Regierung unter Frederik Reinfeldt. Seit dem 10. Februar 2014 ist sie Mitglied der EU-Kommission, ab 2014 als EU-Kommissarin für Handel. In dieser Position war sie der zentrale Ansprechpartner für TTIP.
Malmström wuchs in Göteborg und in Frankreich auf und arbeitete unter anderem in Stuttgart und Barcelona. Sie spricht fließend Schwedisch, Englisch, Französisch und Spanisch. Daneben hat sie Kenntnisse in Deutsch und Italienisch. Schon dieser Werdegang zeigt die europäische, wenn nicht sogar globale Ausrichtung der Politikerin Malmström.
Als EU-Handelskommissarin verhandelt sie für alle Mitglieder der Europäischen Union (EU), nicht für einige, auch wenn diese besonders wichtig sind. Dabei steht sie vor großen Herausforderungen:
• Um ihre Verhandlungsposition nicht zu schwächen, darf die Zuständigkeit der EU für die Handelspolitik nicht untergraben werden. Parallelverhandlungen einzelner Mitgliedstaaten mit der US-Regierung muss sie möglichst verhindern.
• Außerdem muss sie entscheiden, mit welcher Strategie die EU der Herausforderung von Trump entgegentreten soll. Wer im Handelsstreit mit Donald Trump zurückzieht, riskiert möglicherweise, dass die ganze Welthandelsorganisation (WTO) auseinanderfällt.
• Auf der anderen Seite ist die Verteidigung der WTO nicht ohne Risiko und Kosten; eine Eskalation kann insbesondere für den Industriestandort Deutschland teuer werden.
Trumps Offensive
Donald Trump begann den Handelskrieg Anfang März 2018 damit, dass die US-Regierung einseitig Strafzölle für Importe von Stahl und Aluminium verhängte: in Höhe von 25 Prozent auf Importe von Stahl und von zehn Prozent auf Aluminium. Die Zölle sind seit dem 23. März in Kraft und gelten weltweit.
Betroffene Länder können sich von den Strafzöllen befreien lassen, wenn sie sich darüber mit den USA bilateral verständigen. Für eine unbefristete Ausnahme verlangt die US-Regierung generelle Handelserleichterungen für US-Unternehmen, z.B. Zollsenkungen für US-Produkte, wie etwa Autos, und/oder feste Kontingente bei den Stahllieferungen. Zahlreiche Länder haben solche bilateralen Abkommen mit der US-Regierung bereits abgeschlossen.
Gegenüber der EU und Kanada wurden die Strafzölle bis Ende Mai 2018 ausgesetzt, um Zeit für Verhandlungen über eine mögliche Befreiung zu gewinnen. Als diese Frist ohne Ergebnis verstrichen war, wurden die Strafzölle durch ein Dekret von Trump mit Wirkung zum 1. Juni 2018 gegen die EU, also auch Deutschland, und Kanada in Kraft gesetzt.
Das Handeln von Donald Trump folgt offenbar der Devise, dass Angriff die beste Verteidigung ist. „Es ist wichtiger zu handeln, anstatt immer nur zu verhandeln“, sagte US-Handelsminister Wilbur Ross zu dieser Strategie. Trump verfolgt damit mehrere Ziele:
Für die USA will er die Ära der multilateralen Freihandelsverträge beenden und zukünftig solche Verträge nur noch bilateral abschließen. Davon verspricht er sich eine bessere Verhandlungsposition für die amerikanische Seite. Seinen Vorgängern im Amt wirft Trump vor, zum Nachteil der US-Wirtschaft schlecht verhandelt zu haben.
Außerdem verfolgt Trump mit den Strafzöllen die Absicht, den amerikanischen Markt vor ausländischer Konkurrenz zu schützen und dadurch die inländischen Unternehmen zu stärken. Damit will er auch dem aus seiner Sicht ärgerlichen Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China und der EU zu Leibe rücken. Im vergangenen Jahr war das US-Handelsdefizit auf rund 566 Milliarden Dollar angewachsen und erreichten damit das höchste Niveau seit 2008.
Eine solche protektionistische Handelspolitik ist in den USA populär und kann bei den anstehenden Kongresswahlen mit Unterstützung der Wähler rechnen. Auf den ersten Blick erscheint ein solches Vorgehen auch plausibel zu sein: Importzölle erhöhen die Kosten für Ausländer und die Gewinne einheimischer Unternehmen. Zudem werden ausländische Unternehmen dazu veranlasst, Produktionen in die USA zu verlagern, um den Importzöllen zu entgehen. Schließlich füllen sie auch die Staatskassen
Protektionismus hat jedoch einen Haken: Diese Politik funktioniert nur, wenn das Ausland nicht dieselben Maßnahmen ergreift. Schlägt das Ausland zurück, verschwinden die gewünschten Vorteile, und beide Seiten erleiden im Vergleich zu einer Situation des Freihandels Wohlstandsverluste. Auch für Handelskriege gilt das sog. „Gefangenen-Dilemma“: Was dem einen Land durchaus vorteilhaft erscheint, führt kollektiv zu Nachteilen. Erfahrungsgemäß ist es jedoch sehr schwierig, ein solches Dilemma zu beenden, weil sich die Teilnehmer eines Handelskrieges gegenseitig misstrauen.
An dieser Stelle kommt die World-Trade-Organisation (WTO) ins Spiel, die im Jahr 1995 aus dem Abkommen über Zölle und Handel (GATT) hervorgegangen ist. Das GATT wurde nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen, um zu verhindern, dass Staaten aus engstirnigem Eigennutz ausländische Anbieter mit Zöllen und anderen Barrieren gegenüber inländischen Unternehmen diskriminieren und so die Welt in eine wirtschaftliche Depression hineinmanövrieren.
Die WTO wurde als ein Forum für Zusammenarbeit geschaffen, auf dem das notwendige Vertrauen zwischen konkurrierenden Ländern aufgebaut werden kann. Ihre auf Gegenseitigkeit angelegten Regeln sollen sicherstellen, dass sich die Mitglieder an ihre Zusagen halten. Ganz zentral für das Funktionieren der WTO ist, dass nichtkooperatives Verhalten geahndet wird. Erst die Erwartung von Strafmaßnahmen im Falle eines Regelbruchs ermöglicht das kooperative Gleichgewicht. Darüber hinaus bietet die WTO ein Forum zur Rechtsdurchsetzung in Form von Klagen und – unter bestimmten Bedingungen – raschen Gegenreaktionen.
Malmströms Verteidigung
Die Handelskommissarin Cecilia Malmström forderte von der US-Regierung, dass die Europäer eine dauerhafte Ausnahme von den Stahl- und Aluminiumzöllen erhalten müssten – und zwar ohne Gegenleistung. Nicht nur die Zölle seien rechtswidrig, sondern auch bilaterale Vereinbarungen über freiwillige Handelserleichterungen für die USA, um sich von den Zöllen befreien zu lassen.
Die EU-Kommission werde sich durch die einseitige Verhängung von Strafzöllen nicht erpressen lassen. „Mit der Pistole auf der Brust verhandeln wir nicht“, sagte die EU-Handelskommissarin immer wieder. Auf die amerikanischen Strafzölle werde sie nach den Regeln der WTO reagieren. Die EU werde Klage bei der WTO einreichen und die Einfuhr der in der sog. Juncker-Liste bezeichneten Waren aus den USA mit Zöllen belegen. Belastet würden vor allem US-Waren, die in den USA einen hohen Symbolwert hätten oder in Wahlbezirken von Republikanern hergestellt würden, etwa Bourbon, Tabak, Zuckermais oder Harley-Davidson-Motorräder.
Die Begründung der US-Regierung, sie habe handeln müssen, weil das Land „in seiner Sicherheit bedroht ist“, wies Malmström als falsch zurück. Die Strafzölle seien durch die WTO-Regeln nicht gedeckt und deshalb illegal. So sieht es auch die WTO: "Ich sehe für die von den USA verhängten Zölle keine Grundlage nach WTO-Recht", sagte der Vize-Chef der Welthandelsorganisation Karl Brauner.
Vertreter von 28 EU-Staaten votierten Mitte Juni 2018 einstimmig für die von der EU-Kommission ausgearbeitete Liste von Zöllen im Zollwert von 2,8 Milliarden Euro. Anfang Juli sollen diese Maßnahmen greifen. Darüber hinaus bereitete die Kommission eine zweite Stufe von Strafzöllen gegen die USA vor. Sie könnten ab 2021 bei weiteren US-Produkten im Wert von 3,6 Milliarder Euro fällig erden. Damit nimmt Brüssel insgesamt US-Waren im Wert von 6,4 Milliarden Euro ins Visier - genau der Zollwert, mit dem Washington nun Stahl und Aluminium belegt.
In ihrer konsequenten Haltung wurde Malmström von Fachleuten in Deutschland unterstützt. Die EU müsste handeln, damit nicht weitere Länder mit protektionistischen Tendenzen unter Verweis auf Sicherheitsbedenken Zollbarrieren hochziehen. Die WTO-Regeln hätten ansonsten jede Glaubwürdigkeit verloren und die ganze Welthandelsorganisation (WTO) könnte auseinanderfallen. Und das wäre für Deutschland ein viel größeres Risiko als die Eskalation mit den Vereinigten Staaten, denn 80 Prozent der deutschen Exporte außerhalb der EU gingen nicht in die Vereinigten Staaten.
Die Verhandlungsstrategie von Malmström, die den Regeln der WTO folgt, hat für sie den Vorteil, dass sie sich mit den Handelsinteressen der einzelnen EU-Mitglieder nicht weiter auseinandersetzen muss. Damit läuft sie aber Gefahr, dass ihre Zuständigkeit für die Handelspolitik infrage gestellt wird. Denn die Europäer sind sich in den Maßnahmen gegen Trump keineswegs einig.
Hinter den Kulissen ringen die Europäer jedoch intensiv um einen einheitlichen Kurs in dem Konflikt mit den USA. Vor allem zwischen Deutschland und Frankreich gibt es unterschiedliche Antworten auf die Frage, wie man auf die Herausforderungen aus den USA reagieren soll. Während die Franzosen mit den Amerikanern die Beziehungen grundlegend regeln wollen, also auch über den Austausch von landwirtschaftlichen Produkten verhandeln und die USA wieder unter das Dach des Pariser Klimaabkommens bringen wollen, sorgen sich die Deutschen vor allem um ihre Industrie, insbesondere um die Autoindustrie. Das zentrale Anliegen von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist es, amerikanische Strafzölle für Autos zu verhindern und sich darüber mit der US-Regierung zu verständigen.
Nicht zuletzt geht es auch um die Frage, welcher politische Führer in der EU das Ruder in der Hand hat. Angela Merkel äußert sich öffentlich zwar sehr zurückhaltend, in zentralen Fragen will sie aber Brüssel oder Paris keinesfalls das Feld überlassen.Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hingegen will weder nach dem Muster der Franzosen noch nach dem der Deutschen mit Ross verhandeln. Sie sagt weiterhin konsequent: „Keine Deals.“
Überraschend einigten sich die EU-Regierungschefs dann doch Mitte März 2018 auf einen Strategiewchsel: Auf dem EU-Gipfel in Sofia, der eigentlich zum Thema Westbalkan angesetzt war, verständigten sie sich über eine Reihe von halb offiziellen Angeboten an Donald Trump, um den Handelskrieg zu beenden. So könne man über Erleichterungen für amerikanische Flüssiggas-Importe sprechen, ebenso über niedrigere Steuern für US-PKWs, hieß es plötzlich. Und Reformen der WTO seien ohnehin nötig, auch für diese Diskussion sei die EU offen. Zudem seien bei öffentlichen Aufträgen Zugeständnisse denkbar, wie auch bei der Zusammenarbeit von Regulierungsbehörden in den USA und der EU. Wirtschaftsminister Peter Altmaier reiste eigens nach Washington, um den Amerikanern diese Angebote zu übermitteln.
Für Cecilia Malmström als EU-Handelskommissarin waren diese Angebote an Trump ein offener Affront, weil damit ihre Verhandlungsführung infrage gestellt wurde. Sie zeigte sich irritiert, ließ aber von ihrem Standpunkt nicht ab: Sie glaube nicht, dass die in Aussicht gestellten Gesprächsangebote ausreichten, Trump von den geplanten Strafzöllen abzuhalten, sagte sie. Außerdem wies sie darauf hin, dass die angestrebte Vereinbarung über Handelserleichterungen gegen WTO-Regeln verstoße. Die EU jedenfalls werde erst nach einer endgültigen Ausnahme von Strafzöllen für Stahl und Aluminium mit Trump über Autos, Flüssiggas oder WTO reden.
Die Bundesregierung fürchtete vor allem eine Eskalation des Handelskonflikts. Sie hatte Trumps Tweet vom 10. März 2018 in Erinnerung, in dem er ankündigte, sollte die EU ihre Zölle nicht abbauen, werde er Autos aus der EU mit Strafzöllen belegen. „We tax cars etc. FAIR!“ schrieb der Präsident. Das würde die deutsche Autoindustrie ins Mark treffe.
Trump hatte diese Option mehrfach angekündigt und Kritik an den angeblich hohen Absatzzahlen deutscher Hersteller in den USA geübt. Namentlich hatte er Mercedes erwähnt. Die Amerikaner kritisierten unter anderem, dass die Europäer bei Autos höhere Importzölle als die USA verlangen. Die EU Kommission konter mit dem Argument, dass das nur bei PKW gelte, Lastwagen seien dagegen in den USA deutlich höher belastet.
Darüber sollte auch mit dem amerikanischen Handelsminister Wilbur Ross am Rande eines Ministertreffens der OECD Ende Mai 2018 gesprochen werden. „Natürlich sind wir nach Paris mit der Absicht gefahren, einen Deal mit den Amerikanern zu machen. Auch wenn die Chancen dafür offenbar schlecht stehen“, hieß es in Kreisen der Bundesregierung. Und für manchen Kritikpunkt hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier sogar Verständnis: Es sei unbestreitbar, dass die EU im Durchschnitt weitaus höhere Einfuhrzölle für US-Autos nehme, als es die Amerikaner im Gegenzug täten. (DIE WELT vom 31. Mai 2018)
Ross hatte jedoch kein Interesse an einem „deal“ und ließ in Paris keinen Zweifel daran, dass er für den Verzicht auf Importzölle ein weitgehendes Entgegenkommen der Europäer erwartete. Die Schonfrist für die EU sei vorbei. Es sei wichtiger, „zu handeln, anstatt immer nur zu verhandeln“, kündigte Ross an (DIE WELT vom 31. Mai 2018).
Gipfeltreffen in Québec
Das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der sieben westlichen Industrieländer (G-7-Gipfel) in Kanada wurde ein Desaster. Das zweitägige Treffen stand ganz im Zeichen der von Washington verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium. Dabei wollte Kanadas Premierminister über Themen wie saubere Meere, Frauen in der Politik und Afrika sprechen. Die Konfrontation zwischen Trump und den übrigen Staaten überlagerte aber alles. Mit einer verspäteten Anreise und einer vorzeitigen Abreise demonstrierte Trump zudem, was ihm die Teilnahme wert war: nämlich wenig.
Schon vor dem Treffen attackierte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den amerikanischen Präsidenten hart. Auf dem Nachrichtenkanal Twitter schrieb er: „Kein Anführer ist von Ewigkeit.“ Zuvor hatte er die Botschaft versandt: „Dem amerikanischen Präsidenten mag es egal sein, wenn er isoliert ist – genau so wenig aber macht es uns etwas aus, eine Vereinbarung von sechs Ländern zu unterzeichnen, wenn die Notwendigkeit dazu besteht.“
Donald Trump antwortete mit dem Vorschlag, Russland wieder in die Runde aufzunehmen. Dies lehnten Angela Merkel und die übrigen Teilnehmer mit dem Hinweis ab, zunächst müssten die Probleme zwischen Russland und der Ukraine gelöst werden. Nur Italien stimmte für den Vorschlag von Trump.
Streitig verlief auch die Diskussion über die Strafzölle. Staaten, die im Handelstreit mit Gegenmaßnahmen antworten würden, drohte Trump weitere Sanktionen an. Er war nicht einmal bereit, sich auf die Argumentation der Europäer einzulassen. Ungehört blieb insbesondere der Vorwurf des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, Trump spreche nur vom amerikanischen Handelsdefizit, verschweige aber, dass die Leistungsbilanz, die auch Dienstleistungen und Unternehmensgewinne erfasst, ein massives Plus für die USA ausweist.
Kurz bevor der amerikanische Präsident vorzeitig den Gipfel verließ, sagte er der verblüfften Presse, er habe den anderen sechs Ländern eine Freihandelszone vorgeschlagen: „null Zölle, null Handelsbarrieren, null Subventionen“. Die Amerikaner seien nicht länger bereit, höhere Zölle zu zahlen als andere Länder. Die Zölle würden sich ändern, das sei „zu hundert Prozent“ sicher. Sonst werde es eben keinen Handel geben. „Wir sind wie ein Sparschwein, das alle plündern“, fügte er hinzu und kündigte an: „Damit ist nun Schluss, Dann bestieg er das Flugzeug, um in Singapur mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un den sog. Atom-Deal abzuschließen.
Aus europäischen Delegationen war zu hören, dass eine Freihandelszone, wie sie Trump vorgeschlagen hatte, „extrem kompliziert und nahezu unmöglich umzusetzen“ sei. Auch von der Bundeskanzlerin war zu hören, dass das den Handelsstreit mit Trump nicht lösen könne. „Die Tücke liegt im Detail.“
Erst nach langem Ringen fand sich die amerikanische Delegation bereit, mit den übrigen Teilnehmern des Treffens eine Abschlusserklärung zu unterzeichnen, in der sich alle G-7-Mitglieder „zur regelbasierten Handelsordnung bekennen“, „gegen Protektionismus eintreten“ und eine „WTO-Reform befürworten“. Nur den Erklärungen zum Klima- und Meeresschutz stimmten die Amerikaner nicht zu.
Die Erleichterung über die mühsam erreichte Einigkeit beim G-7-Gipfel währte jedoch nur kurz. Noch bevor die Bundeskanzlerin in Berlin landete, hatte Donald Trump die US-Zustimmung zum Schlussdokument wieder einkassiert. Der Grund war die Ankündigung des kanadischen Premiers Trudeau, dass Kanada zum 1. Juli Vergeltungszölle gegen die USA verhängen wird („Wir Kanadier sind nett, wir sind vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumschubsen“). Als Trump hiervon erfuhr, bekam er nach Berichten von US-Medien hoch über den Wolken einen Wutanfall. Er drohte erneut damit, die Import-Strafzölle auf weitere Produkte – etwa Autos – auszudehnen, was vor allem für Deutschland und Japan katastrophale Auswirkungen haben könnte.
Juncker und Trump
Ende Juli 2018 reiste EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach Washington, um den amerikanischen Präsidenten zu überzeugen, dass der Handelskonflikt im beiderseitigen Interesse nicht weiter verschärft werden dürfe. Nach dem Gespräch teilte Trump mit, dass beide Seiten auf "null Zölle, null nichttariffäre Handelshemmnisse und null Subventionen" in allen Industriebranchen mit Ausnahme der Autoindustrie hinarbeiten wollen. Beide Seiten wollen ferner den Streit um die von Trump im Frühjahr verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium lösen. Agrarprodukte sollen angeblich nicht Gegenstand der weiteren Verhandlungen sein. Trump und Juncker waren sich zudem einig, dass die WTO reformiert werden muss.
Juncker wies nach dem Gespräch mit Trump auf seinen Erfolg, nue Zölle auf europäische Autos erst einmal abgewendet zu haben. "Der wesentlich Fortschritt liegt darin, dass unsere amerikanischen Freunde sich bereit erklärt haben, die Zölle auf Autos und andere Produkte während der Verhandlungen nicht zu erhöhen", sagte er in Washington. Dies sei ein "erhebliches Zugeständnis" der Amerikaner. Der amerikanische Finanzminister Steven Mnuchin bekräftigte diese Zusage.
In zwei Punkten ist die EU dem amerikanischen Präsidenten entgegengekommen: Europa will mehr Sojabohnen und mehr Flüssiggas (LNG) aus amerikanischer Produktion importieren. Hierbei handelt es sich um Absichtserklärungen, zu denen es keine vertraglichen Vereinbarungen gibt. Zudem stellt sich die praktische Frage, wie solche Vereinbarungen überhaupt aussehen könnten. Die höheren Importe können "nicht bürokratisch verordnet werden, sondern sind das Ergebnis von Marktptozessen", gab Gabriel Felbermayr vom Ifo-Institut zu bedenken.
Trump und Juncker haben mit ihrer Vereinbarung, dass die Vereinigten Staaten und die Europäische Union in eine neue Phase des Freihandels und der Kooperation eintreten wollen, alle überrascht. Für Donald Trump sind es innenpolitische Gründe, die ihn dazu veranlasst haben. Die negativen Wirkungen der von ihm angezettelten Handelskonflikte betreffen vor allem die amerikanischen Landwirte, die zu seinen treuesten Wählern zählern. Negative wirtschaftliche Folgen vermeldet aber auch die amerikanische Autoindustrie, da sich die Rohstoffkosten wegen Trumps Zöllen erhöht haben. Entscheidend dürfte jedoch sein, dass führende republikanische Senatoren die handelspolitischen Kompetenzen des Präsidenten beschneiden wollen. "Trump ist wegen des machtpolitischen Kalküls eingeknickt", schreibt Winand von Petersdorff in der FAZ vom 27. Juli 2018.
Ob die zwischen Trump und Juncker getroffenen Vereinbarung langfristigen Bestand hat, wird aus verschiedenen Gründen bezweifelt: Ein den Regeln der Welthandelsorganisation WTO konformes Abkommen kann nicht ohne die Autoindustirie abgeschlossen werden, die einen großen Anteil am transatlantischen Handel hat. Der Präsident des VDA, Bernhard Mattes, forderte deshalb ein "WTO-konformes transatlantisches Abkommen zu Industriegütern, das Automobile einschließen sollte".
Darüberhinaus sind Zweifel am Erfolg der beabsichtigten Gespräche angebracht. In der Erklärung heißt es, man werde "nicht gegen den Geist der Vereinbarung handeln, außer wenn eine Seite die Verhandlungen abbricht". Das läßt dem in Verhandlungen erfahrenen Trump viel Spielraum.
Zudem braucht die EU-Kommission für die Aufnahme von Verhandlungen ein Mandat der Mitgliedstaaten, und diese haben unterschiedliche Interessen. Dies betrifft insbesondere das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich. Während Deutschland mit Trump über ein weitreichendendes Abkommen unter Einbeziehung der Autoindustrie verhandeln will, sperrt sich der französische Präsident gegen ein solches Vorhaben.
Macron liegen die Interessen der französichen Bauern näher, die die amerikanische Konkurrenz fürchten, wenn Handelsbarrieren fallen. Auch die französischen Autohersteller sind keine Freunde von mehr Freihandel. Ihnen sitzt die japanische Konkurrenz im Nacken.
Was den Franzosen darüber hinaus vorschwebt, verriet Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire jüngst in einer Rede: „Deutschland hat immer und wird immer auf die Solidarität Frankreichs und die Solidarität Europas zählen können, um seine industriellen Interessen gegenüber amerikanischen Angriffen verteidigen zu können.“ Dann sagte er, was die Franzosen im Gegenzug von den Deutschen erwarten: „Wir möchten auch auf die deutsche Solidarität zählen können, um den schwächsten zu helfen, die europäische Spitzenposition der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen.“
Jeder im Saal verstand, was Bruno Le Maire damit meinte: Wir helfen euch, amerikanische Zölle auf Autos zu verhindern, ihr helft uns mit weitreichenden Reformen in Europa.