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Klima und Energiewende : Die Vorgeschichte der Energiewende
15.08.2015 19:15 (3424 x gelesen)

Die Vorgeschichte der Energiewende

Die Ursprünge der Energiewende reichen bis in die siebziger Jahre zurück. Es waren die Winzer am Kaiserstuhl, die gegen das geplante Kernkraftwerk Wyhl protestierten. Sie befürchteten, dass die Nebelschwaden der Kühltürme die Qualität ihres Weins negativ  beeinflussen könnten. Als die Proteste im Februar 1975 eskalierten, waren im Fernsehen erstmals demonstrierende Bürger zu sehen, die von Wasserwerfern der Polizei zurückgedrängt wurden.

Bis dahin wurde die  zivile Nutzung der Atomenergie in Deutschland für eine Zukunftstechnologie gehalten. Der Bau der ersten Kraftwerke fiel in die Zeit des wirtschaftlichen Aufbruchs der jungen Bundesrepublik.

 „Die Atomenergie kann zu einem Segen für Hunderte von Millionen Menschen werden, die noch im Schatten leben“,

verhieß der Atomplan, den die SPD auf dem Münchener Parteitag 1956 verabschiedete. Die Ölkrise 1973 beschleunigte solche Pläne, und der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt kündige damals den Bau von 100 Kernkraftwerken an. Bis Ende der siebziger Jahre wurden davon elf gebaut.
 

Die Anti-Atom-Bewegung

Parallel zu dem politisch geförderten Ausbau der Atomkraft  formierte sich im außerparlamentarischen Raum  die Anti-Atom-Bewegung. Ein wichtiger Kristallisationspunkt dieser Bewegung wurde Gorleben an der ehemals innerdeutschen Grenze: Im Frühjahr 1980 besetzten Atomkraftgegner den "Bohrplatz 1004" bei Gorleben, um den Bau eines Atomendlagers zu verhindern. "Es wurde ein gigantisches Happening", beschreibt Daniel Wetzel dieses Ereignis. Holzhäuser für mehrere Tausende Bewohner  wurden errichtet. Es gab Großküchen, Radiosender, eine Klinik und eine Kirche. Man rief die "Republik Freies Wendland" aus, verteilte einen "Wendenpass"  und errichtete Schlagbäume zum Nachbarstaat - der Bundesrepublik Deutschland. Um diesen Hippi-Klamauck zu beenden, bedurfte es 6.500 Polizisten mit schwerer Ausrüstung, zahlreicher Hubschrauber und Bulldozer, die das Widerstandsdorf räumten.   

Ein zweites Großereignis der Atomkraftgegner war am 28. Februar 1981 der Aufmarsch von hunderttausend Menschen gegen den Bau des Atomkraftwerks Brockdorf in die Wilstermarsch an der Unterelbe. Als Ordnungskräfte die verbotene Demonstration gewaltsam  auflösten, wurden Hunderte von Polizisten und Demonstranten verletzt. Der Anti-Atom-Bewegung profitierte davon zweifach: Sie gewann erneut die mediale Aufmerksamkeit und auch öffentlichen Respekt, als das Bundesverfassungsgericht das Demonstrationsverbot für verfassungswidrig erklärte.

Eine wichtige Station im Kampf gegen die Atomenergie war die Bundestagswahl 1983, als die Grünen mit 27 Abgeordneten in den Bundestag einzogen. Der Ausstieg aus der Atomenergie gehörte zu ihren Kernforderungen.  Das entscheidende Ereignis war jedoch der Reaktorunfall in Tschernobyl  am 26. April 1986. Die Bevölkerung war zutiefts beunruhigt, und die Zustimmung zur zivilen Nutzung der Atomkraft nahm deutlich ab. Dies veränderte auch die Einstellung in den Alt-Parteien. Noch im August desselben Jahres schrieb die SPD den Atomausstieg in ihr Parteiprogramm. Damit gewannen sie die Grünen als möglichen Koalitionspartner in einer zukünftigen Regierung.

Die von Helmut Kohl geführte Union hielt demgegenüber weiter an der Atomkraft fest. Mit dem Stromeinspeisungsgesetz vom 7. Dezember 1991 machte sie aber einen ersten Schritt in Richtung erneuerbaren Energien. Der Anlass war die Weigerung der großen Netzbetreiber, den von örtlichen Erzeugern gewonnenen Strom aus Wasserkraft in ihre Netze zu nehmen. Das Stromeinspeisungsgesetz zwang die Netzbetreiber, auch diesen Strom abzunehmen und dafür eine marktorientierte Vergütung zu zahlen. Begünstigt wurden dadurch vor allem Windkraftanlagen an besonders günstigen Standorten, was an der Nordseeküste zu einem ersten kleinen „Windkraft-Boom“ führte. Hinsichtlich seiner Fördersystematik wurde das Stromeinspeisungsgesetz Vorbild für das spätere Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Zur Anti-Atom-Bewegung kamen damit zwei politische Ziele hinzu: Zum einen der Plan, Landwirten angesichts sinknder Einkommen ein zusätzliches Einkommen als Energiewirt zu verschaffen. Und zweitens die Idee, das wirtschaftliche Wachstum vom Verbrauch fossiler Energierträger wie Kohle und Öl zu entkoppeln. Diese Idee enthielt einen esoterischen Kern: Die Vorstellung einer "natürlichen und heilen Welt", wie sie von den frühen Grünen wie Franz Alt und Hermann Scheer propagiert wurden. So schrieb Alt im Nachruf für Scheer, "dass Sonne und Wind keine Rechnung schicken, sondern als Geschenk des Himmels von jeden genutzt werden können". 

Die Energiewende der rot-grünen Bundesregierung

Der große Sprung in Richtung Energiewende erfolgte mit Bildung der rot-grünen Bundesregierung (1998 – 2005) unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. SPD und Grüne vereinbarten im Koalitionsvertrag, dass die Nutzung der Kernenergie „geordnet und sicher beendet“ werden sollte. Dazu vereinbarte die Bundesregierung mit den Kraftwerksbetreibern den sog. „Atomkonsens“  vom 14. Juni 2000, der die Laufzeiten der vorhandenen 19 Reaktoren auf  jeweils 32 Jahre ab Betriebsbeginn begrenzte. Der Ausstieg konnte aber flexibel gehandhabt werden, weil die Laufzeiten in Strommengen umgerechnet und nicht erzeugte Mengen umgeschichtet werden konnten. Das Datum für die Abschaltung des letzten Reaktors blieb somit offen. Gesetzlich fixiert wurde diese Vereinbarung in dem am 22. April 2002 verabschiedeten „Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität“.

Zuvor hatte die rot-grüne Koalition das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschlossen, das  mit Wirkung zum 1. April 2000 an die Stelle des Stromeinspeisungsgesetzes trat. Ziel dieses Gesetzes ist es, die konventionelle Stromerzeugung durch regenerative Energien, insbesondere Wind- und Solarenergie, zu ersetzen. Dazu sieht das Gesetz folgendes vor: Erstens die Verpflichtung der Netzbetreiber, die Erzeuger regenerativen Stroms ans Netz anzuschließen und den erzeugten Strom vorrangig abzunehmen. Zweitens den Anspruch der  Erzeuger gegen die Netzbetreiber, für einen Zeitraum von 20 Jahren feste Vergütungen für den regenerativen Strom zu zahlen. Drittens das Recht der Netzbetreiber, die für den regenerativen Strom gezahlten Vergütungen (abzüglich erzielter Erlöse) als EEG-Umlage an die Stromverbraucher weiter zu berechnen. Dies war der eigentliche Start der Energiewende.

Die Union reagierte auf dieses Vorhaben bei den Beratungen im Bundestag mit einem Änderungsantrag, der die mit dem Gesetz verfolgten Ziele begrüßte: „Im Interesse des Klimaschutzes muss die Dominanz fossiler Energieträger in den nächsten Jahrzehnten zugunsten CO2-freier oder zumindest –armer Energieträger abgebaut werden. Die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien kann und wird einen unverzichtbaren Beitrag dazu leisten, dass Deutschland seine europäischen und internationalen Verpflichtungen zur Reduktion der CO2-Emissionen erfüllt.“  An dem Entwurf des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes wurde jedoch gerügt, dass das vorgesehene Vergütungssystem mit garantierten Festpreisen „mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen wenig vereinbar“ ist und der Gesetzentwurf „schwierige EU-beihilferechtliche Fragen“ aufwirft. Das Gesetz wurde im Bundestag mit den Stimmen von SPD und Grünen beschlossen. Die CDU/CSU-Fraktion stimmte bei einigen Enthaltungen dagegen.

Unter Angela Merkel, die im April 2000 den Vorsitz der CDU übernahm, wurde auch die Union immer stärker auf die mit der Energiewende verfolgten Ziele eingeschworen. Schon im letzten Kabinett von Helmut Kohl  hatte sie sich für den Ausbau der erneuerbaren Energien eingesetzt. Sie wurde im Jahr 1995  als "Kohls Mädchen" Umweltministerin mit dem Auftrag, Deutschland auf schärfere Klimaziele einzuschwören. Diese Aufgabe löste sie mit großem Engagement: Noch in ihrem ersten Amtsjahr  beschloss der Weltklimagipfel in Berlin feste Fristen für die Senkung der CO2-Emissionen. Zwei Jahre später (1997) unterzeichnete sie im japanischen Kyoto das gleichnamige Abkommen, in dem sich vor allem die Europäer verpflichteten, ihre CO2-Emissionen zu senken. "Kein Grund zum Jubeln, aber ein Fortschritt", lautete ihr Kommentar. Außerdem  sorgte sie 1997 dafür, dass das privilegierte Bauen im Außenbereich auf Windräder, Biogasanlagen und Photovoltaikanlagen ausgeweitet wurde. Bei dieser Politik wurde sie von einer Gruppe gleich gesinnter CDU-Kollegen unterstützt, die sie auch bei ihrer weiteren politischen Karriere eng begleiteten. Zu der als „Pizza-Connection“ bekannt gewordenen Gruppe von Bundestagsabgeordneten gehörten insbesondere Ronald Pofalla, Hermann Gröhe, Armin Laschet, Norbert Röttgen, Peter Altmaier, die bis heute den engeren Führungskreis um Angela Merkel bilden.

Als Angela Merkel im November 2005 Bundeskanzlerin wurde, verfolgte sie ihr altes Ziel mit der gleichen Intensität weiter. Im Jahr 2007 beschloss die EU unter ihrer Ratspräsidentschaft die CO2-Reduzierung um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990.  Auf dem Treffen der G-8-Staaten in Heiligendamm im Sommer 2007 überzeugte sie den klimaskeptischen George W. Bush, dass der Klimawandel ein Problem ist, für das die Vereinten Nationen das geeignete Verhandlungsforum ist.  Im August des gleichen Jahres flog sie mit Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nach Grönland, um sich vor Eisbären fotografieren zu lassen. Damit avancierte sie in der Öffentlichkeit endgültig zur "Klimakanzlerin". Klimapolitik ist ihr offensichtlich zur einer "Herzensangelegenheit" geworden.


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