top-schriftzug
blockHeaderEditIcon

Dr. Schlarmann - Mittelstand

aktuelle Informationen für den Mittelstand
block-foto-dr-schlarmann-mittelstand
blockHeaderEditIcon
Klima und Energiewende : Dieselskandal 2017
27.07.2017 19:01 (2342 x gelesen)

Dieselskandal 2017

Es gibt zum aktuellen Dieselskandal eine Vielzahl von Antworten auf die Frage, wie es so weit kommen konnte. Zwei Kurzfassungen möchte ich zitieren, weil sie meines Erachtens das Wesentliche herausstellen:

Der Kabarettist Vince Ebert kommt zu folgendem Urteil: „Was ist typisch deutsch? Wenn studierte Theaterwissenschaftler utopische Grenzwerte beschließen, Ingenieure und Automanager aus Feigheit vor einer öffentlichen Konfrontation kuschen  und dann hintenrum versuchen, das Ding mit unlauteren Mitteln hinzubiegen.“

FDP-Vorsitzender Christian Lindner ist zu folgendem Ergebnis gekommen: „Die deutsche Politik hat den Diesel zum Klimaschutz gefördert und vor Nebenwirkungen die Augen verschlossen. Mit einer einseitigen Orientierung an der Elektromobilität drohten nun aber neue Fehler.“

Zwei interessante Analysen, aber halten sie dem Faktencheck Stand?

Dieselboom

Deutschland erlebt seit Jahren einen regelrechten Dieselboom, der politisch verursacht ist. Hintergrund ist einmal die steuerliche Förderung: Für den Liter Diesel zahlt der Autofahrer deutlich weniger Energie- und Ökosteuer als für den Liter Benzin. Zusammen mit der geringeren Mehrwertsteuer beträgt der Steuervorteil gegenüber Benzin circa 21,9 Cent. Dieser Vorteil ist insbesondere für Vielfahrer und Käufer größerer Fahrzeuge ein wichtiges Argument, sich für einen Diesel statt für den Benziner zu entscheiden.

Zudem punktet der Dieselmotor im Vergleich zum Benziner mit seinem geringeren Kraftstoffverbrauch. Durch ein spezielles Verbrennungsverfahren wird die Energie im Kraftstoff wesentlich besser ausgenutzt. Der Verbrauchsvorteil eines Dieselmotors gegenüber einem vergleichbaren Benzinmotor liegt bei rund 20 Prozent. Nicht von ungefähr dominiert der Diesel deshalb die Flotten der Gewerbetreibenden einschließlich des Handwerks.

Bei den Schadstoffemissionen ist der Vergleich zwischen dem Dieselmotor und dem Benzinmotor komplexer. Der CO2-Ausstoß ist an den Kraftstoffverbrauch gekoppelt. Trotz eines höheren Kohlenstoffanteils produziert der Diesel  wegen seiner effizienten Verbrennung weniger klimaschädliches CO2 von bis zu 15 Prozent. Der geringere CO2-Ausstoß macht Dieselfahrzeuge deshalb zu einem eigentlich unverzichtbaren Baustein bei der Umsetzung der europäischen Klimaschutzziele.

Anders verhält es sich beim Ausstoß gesundheitsschädigender Stickoxide (NOx), die - wie auch der geringere Kraftstoffverbrauch - aus dem besonderen Verbrennungsverfahren im Dieselmotor resultieren. Je besser die Verbrennung, desto höher die Temperatur und desto mehr NOx entsteht. Daraus folgt ein Zielkonflikt: Maßnahmen zur CO2-Senkung führen oft zu höherer Stickoxidbildung, während eine auf weniger Stickoxide optimierte Verbrennung mehr CO2Ausstoß bedeutet. Bei Euro-6-Fahrzeugen wird dieser Zielkonflikt durch eine aktive Abgasbehandlung gelöst.

Klimaschutz 

Dieser technische Zielkonflikt ist auch gleichzeitig ein politischer Zielkonflikt. Die Befürworter der Energiewende berufen sich zur Begründung dieses Projektes auf die Ergebnisse der internationalen Klimaforschung, wonach die Erderwärmung und ihre katastrophalen Folgen auf den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) zurückzuführen sind. Klimapolitisches Ziel der Bundesregierung ist es deshalb, den Ausstoß von CO2 in allen Sektoren der Wirtschaft zu reduzieren.

Für die Festlegung von Grenzwerten für den Ausstoß des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) bei den jeweiligen Kraftfahrzeugflotten ist die Europäische Union (EU) zuständig. Es war die deutsche Bundeskanzlerin, die im Jahr 2007 als Präsidentin des EU-Rates unter viel Beifall ankündigte, Europa zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz machen zu wollen. Man könne dem Klimawandel „nicht tatenlos zusehen“ und es sei „Zeit zu handeln“, um die Erderwärmung zu stoppen.

Angela Merkel warb damals dafür, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. „Wenn andere internationale Player mit dabei sind, können wir auch 30 Prozent ins Auge fassen“, sagte sie. Bis 2020 müsse der Beweis angetreten werden, „dass Ökonomie und Ökologie versöhnt werden können“. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies zu erreichen war, ließ sie offen. Entscheidend war für sie das Image einer Klimakanzlerin, das mit solchen ambitionierten Aussagen international gefestigt werden sollte.

Angela Merkel unterstützte insbesondere die Absicht der Europäischen Union, den Kohlendioxidausstoß von Fahrzeugen mit neuartigen technischen Mitteln bis 2012 auf 120 Gramm je Kilometer zu begrenzen. Mit solchen ambitionierten Grenzwerten können wohl Massenhersteller wie Peugeot, Renault und Fiat mit ihren kleineren und sparsamen Autos leben, aber nicht Daimler, Audi oder BMW mit den größeren Fahrzeugen. Diese Verpflichtung gilt jedoch auch für deutsche Autobauer, die größere Fahrzeuge mit einem höheren CO2-Ausstoß herstellen. Mit einer solchen Gleichstellung wollte Angela Merkel dem Vorwurf begegnen, sie wolle die deutsche Autoindustrie verschonen.

Die Autobauer haben sich gleichwohl mit den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung angefreundet, weil die Bundeskanzlerin ihnen ihre Unterstützung bei der Umsetzung der EU-Normen versprach. Tatsächlich ist es auch gelungen, den Kohlendioxidausstoß von Neuwagen drastisch zu senken, zwischen 2010 und 2016 von 151,7 Gramm auf 127,4 Gramm. Dies ist nicht zuletzt dem höheren Anteil von Dieselfahrzeugen im Flottenverband zu verdanken. In den ersten Monaten des Jahres 2017 ist der CO2-Ausstoß aber wieder leicht gestiegen und er dürfte weiter steigen, wenn der Anteil der Dieselfahrzeuge aufgrund des Dieselskandals sinkt.  Das politische Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2021 auf 95 Gramm je Kilometer zu begrenzen, wird deshalb  immer unrealistischer.

Die deutsche Automobilbranche steckt in einem Dilemma. Sie weiß schon seit längerem, dass sie die europäischen CO2-Emissionsstandards für Kraftfahrzeuge bis 2020 nicht erreichen wird. Werden die zulässigen CO2-Emissionen überschritten, drohen den Herstellern hohe Strafen. Jedes Gramm über dem Ziel kostet von 2020 an 95 Euro für jedes verkaufte Auto. Die EU-Kommission will daran nicht rütteln: „Das Ziel steht im Gesetz, Punkt“, heißt es knapp

Dies ist einer der Gründe, warum die Autobauer an dem Dieselmotor festhalten. BMW-Vorstandschef Harald Krüger erklärte im Hinblick auf den Dieselskandal: „Die Dieseltechnologie ist für das Erreichen des CO2-Ziels definitiv erforderlich.“ Der Dieselmotor stoße zwar mehr giftige Stickoxide und andere Schadstoffe aus als Benziner, habe aber durchschnittlich eine um 15 Prozent bessere CO2-Bilanz. So sehen es auch die Gewerkschaften. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sagte: „Die CO2-Ziele sind ohne Diesel nicht zu schaffen. Ich verstehe nicht, warum das CO2-Ziel, also der Klimaschutz, plötzlich ignoriert wird, nur um den Diesel in Misskredit zu bringen.“

Gesundheitsschutz

Beim Thema saubere Luft sind vier politische Ebenen im Spiel. Die Europäische Union (EU)  legt fest, dass bestimmte Grenzwerte vor Ort einzuhalten sind. Wie genau das zu erfolgen hat, legt sie aber nicht fest, sondern überlässt dies dem Bund. Dieser bestimmt, dass die Länder für Umsetzung und Kontrolle der Messungen zuständig sind. Einige Länder wiederum geben die Umsetzung weiter an die Kommunen, die etwa einzelne Umweltzonen einrichten können.

Auf nationaler Ebene gelten in Deutschland § 47 des Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und die Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen. Zu den möglichen Maßnahmen gehören kommunale Luftreinhalte- und Aktionspläne, die für den Verkehr Umweltzonen und Verkehrsbeschränkungen vorsehen können. Solche Maßnahmen sind bei Überschreiten der EU-Grenzwerte rechtlich vorgeschrieben und können von Bürgern sowie Umweltverbänden eingeklagt werden.

Die gesetzlichen Maßnahmen sind nicht ohne Wirkung geblieben. Verkehrsbedingte Stickoxid-Emissionen sind in den vergangenen 25 Jahren in Deutschland um siebzig Prozent zurückgegangen. Erstaunlicherweise spielen solche Fortschritte in der aufgeregten Debatte über den Dieselskandal keine Rolle. Stattdessen wird laut beklagt, dass die Grenzwerte für solche Emissionen in einigen Großstädten permanent überschritten werden. Dabei wird gern unterschlagen, wie radikal und wie willkürlich diese Werte von der Politik nach unten gesetzt wurden. Die Autoingenieure können sich anstrengen, wie sie wollen, und erstaunliche Ergebnisse präsentieren, in der öffentlichen Debatte bleibt der Diesel aufgrund stetig sinkender Grenzwerte immer eine „Dreckschleuder“.

Die Autoindustrie warnt deshalb mit guten Gründen vor Übertreibungen. Denn  welchen Anteil haben PKW wirklich an Feinstaub- und CO2-Emissionen? Der PKW-Anteil an den Emissionen in der EU (2014)  beträgt nur 13,0 Prozent gegenüber der Industrie mit 21.8 Prozent. Um einen Passagier einen Kilometer weit zu transportieren, produziert der Pkw 0,31 Gramm Stickoxid und 142 Gramm Treibhausgase, das Flugzeug 0,55 Gramm Stickoxid und 211 Gramm Treibhausgase. Der Straßenverkehr in Deutschland hat 2015 insgesamt 0,73 Millionen Tonnen CO2-Emissionen produziert. Jeder Vulkanausbruch ist weitaus schlimmer. Beim Ausbruch des Mount Pinatubo im Jahr 1991 wurden 50,0 Millionen Tonnen CO2-Emissionen in die Luft geblasen.

Auch Risikoforscher Gerd Gigerenzer fragt in der FAS vom 6. August 2017: „Wie viel Feinstaub verursacht der Diesel im Vergleich zu anderen Dingen, die man täglich benutzt? Eine Stunde Kaminfeuer entspricht etwa 100 Kilometer Autofahrt. Drei Zigaretten verursachen zehnmal so viel Feinstaub wie ein alter Euro-3-Diesel in einer halben Stunde. Das können wir messen, ohne über die Zahl der Toten zu spekulieren.“

Gigerenzer macht auch auf die Problematik von Feinstaub-Messungen aufmerksam: „Feinstaub ist immer gefährlich, die Belastung sollte so gering wie möglich sein. Aber jede Grenze ist willkürlich. Solche Grenzwerte werden zwischen Interessengruppen ausgehandelt. Man will oft Menschen verängstigen. Je mehr Angst die Leute haben, desto besser kann man ihnen etwas verkaufen.“ Wie berechtigt diese Hinweise sind, wird auch daran deutlich, dass in Büroräumen inzwischen 24 Mal so viel Stickstoffoxid zulässig ist wie entlang von Straßen (Georg Meck in FAS vom 30. Juli 2017).

Tatsächlich ist nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der EU-Kommission im deutschen Straßenverkehr im Jahresdurchschnitt eine Höchstgrenze von 40 Mikrogramm Stickoxid einzuhalten. Doch am Arbeitsplatz kann den Menschen 950 Mikrogramm Stickoxid zugemutet werden, fünf Tage die Woche, acht Stunden am Tag. So legen es die "Technischen Regeln für Gefahrstoffe" (TRGS) der mit Wissenschaftlern besetzten "MAK-Kommission" fest (Daniel Wetzel in DIE WELT vom 22. August 2017). "Die öffentliche Diskussion muss dringend sachlicher werden", mahnte deshalb der Unions-Vize Michael Fuchs. "Wir sollten es nicht zulassen, dass eine führende deutsche Technik gezielt schlecht geredet wird, nur damit bestimmte Gruppen einen Symbol-Erfolg verbuchen können."

Dieselskandal

In dem aktuellen Dieselskandal geht es um massive Verstöße der Automobilbranche gegen gesetzliche Umweltstandards und um unzulässige Manipulationen bei der Messung von Emissionen. Die Europäische Kommission hat schon im Jahre 2011 bei einer von ihr durchgeführten Untersuchung festgestellt, dass die Emissionen von Diesel-PKW bei realen Straßenfahrten über den erlaubten Grenzwerten lagen.  Am 20. September 2015 musste Volkswagen nach amtlichen Ermittlungen einräumen, das Motorsteuergerät von 11 Millionen Dieselfahrzeugen so programmiert zu haben, dass es eine Prüfsituation auf dem Rollenprüfstand erkennt und auf ein anderes Kennfeld umschaltet. Eine solche Abschalteinrichtung ist weder in den USA noch in Europa erlaubt. Im Zuge des Abgasskandals trat der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn zurück. Dies war der Auslöser für den Dieselskandal in der Automobilindustrie.

Die Verantwortlichen für diesen Skandal sitzen in den Vorständen der Autobauer. Mitverantwortlich sind aber auch die Gewerkschaften, insbesondere die IG-Metall, was ihr Chef Jörg Hofmann in der FAS vom 30. Juli 2017 auch zugegeben hat: „Ja, wir tragen Verantwortung. Wir haben als IG Metall ständig darauf gedrängt, dass Ehrlichkeit und Transparenz einziehen, haben gemahnt: So geht es nicht weiter. Erst voriges Jahr haben wir ein Zehn-Punkte-Programm dazu vorgelegt. Wichtige Punkte wurden nicht aufgenommen, sondern freundlich wegmoderiert.“ Auf ein solches Eingeständnis von Vorstandsmitgliedern der Unternehmen wartet man bisher vergebens. 

In gleicher Weise schweigen die maßgeblichen Repräsentanten der Politik. Dabei hat der Aufstieg der deutschen Autobranche  nicht nur mit Ingenieurskunst zu tun, sondern auch damit, dass die politisch Verantwortlichen ihre schützende Hand über sie gehalten haben. Systematisch räumten Bundeskanzler von CDU und SPD den Autobauern den Weg frei von Auflagen, die den Expansionsdrang hätten bremsen können. Die amtierende Bundeskanzlerin ist keine Ausnahme. Als Klimapolitikerin setzte sie sich zwar für ehrgeizige Umweltstandards ein, in ihrer Rolle als Autokanzlerin hatte sie aber keine Bedenken, zugunsten der Autoindustrie bei der EU-Kommission zu intervenieren, als es um konkrete Auflagen für Autos ging.

"Der Kern des Problems ist nicht allein der Betrug der Autoindustrie", sagte Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. "Dass wirkliche Abgaswerte teilweise fünfzehnfach vom Testbetrieb abweichen, das zeigt das Versagen der Autoindustrie, aber auch der Politik im Bund und der EU. Jetzt sitzen uns die Gerichte im Nacken, gleichzeitig sollen wir die Grenzwerte einhalten. Das grenzt an die Quadratur des Kreises."  

Der Dieselskandal (manipulierte Dieselmotoren, inaftierte Automanager, Rückrufaktionen) hat den Ruf der Autoindustrie im In- und Ausland belastet. Laut dem "Edelman Trust Barometer" ist die Vertrauenskrise in Deutschland besonders ausgeprägt. Nur 46 Prozent der Befragten gaben an, den deutschen Autobauern noch zu vertrauen. Im Ausland waren es immerhin noch 61 Prozent. Die aktuellen Umfrageergebnisse seien  "ein Weckruf für die gesamte deutsche Wirtschaftselite", warnte das Umfrageinstitut.  Denn das Misstrauen gegen die Autoindustrie färbt auch auf den Rest der deutschen Wirtschaft ab.

Deutsche Umwelthilfe (DUH)

Verantwortlich für den Skandal sind aber auch diejenigen, die den Skandal für eigene Zwecke instrumentalisieren.  Hierzu schreibt  Ulf Poschardt in der Tageszeitung DIE WELT vom 5. August 2017: „Vorneweg marschieren einmal mehr die Selbstgerechtigkeitsbrigaden der Grünen, die ihre klassische Feindschaft zu Autos weitgehend ohne jede Sachkenntnis zu zielgruppengerechtem Opportunismus nutzten. Die überwiegend grün wählenden Journalisten waren leicht zu überzeugen, weil sie oft genug in Tempolimits und Fahrverboten ihre Allmachtsfantasien verwirklicht sehen. Hinzu kommt der Druck aus NGO und Ablegern des moralisch-politischen Komplexes, die es den Dax-Konzernen schon immer zeigen wollten.“

Die Feinde des Automobils wittern die Chance, den Verbrennungsmotor handstreichartig abzuschaffen. Am lautesten rufen diejenigen, die selbst Lobby sind, zuvörderst jener Verein namens „Deutsche Umwelthilfe“ (DUH), mit weniger Mitgliedern als ein lokaler Kleingärtnerverein, der mit Abmahnungen ein  Geschäftsmodell betreibt, das zu allem Möglichem taugt, aber nicht als Vorbild für rechtschaffenes Wirtschaften. (FAS vom 30. Juli 2017).

Der Lobbyverband geriet selbst in die Schlagzeilen, als er den Automobilhersteller BMW der Manipulation von Abgaswerten beschuldigte. Tests bei einem BMW 320d hätten ergeben, dass dort der Ausstoß von Stickoxiden auf der Straße um das bis zu 7,2-Fache höher sei als ermittelte Werte auf Laborprüfständen. „Es bestehen daher Indizien dafür, dass das Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet ist“, sagte DUH-Chef Jürgen Resch. Denn oberhalb von 3500 Umdrehungen werde die Abgasrückführung komplett abgeschaltet.

Die Reaktion von BMW war entsprechend heftig. „Wir wehren uns entscheiden gegen die erhobenen Vorwürfe und weisen diese zurück“, sagte Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich. Die Tester der DUH hätten das Testfahrzeug manipuliert. Obwohl es sich um ein Automatikfahrzeug handelte, das normalerweise bereits deutlich vor Erreichen von 3500 Umdrehungen hochschaltet, habe man die Automatik ausgeschaltet und sei künstlich hochtourig gefahren. Bei so hohen Drehzahlen brauche der Motor viel Sauerstoff, so dass man kaum noch Abgase zur Reduktion der Stickoxide zurückleiten können. Das sei dem Kraftfahrt-Bundesamt bekannt, die das System mehrfach genehmigt habe.

In Wirklichkeit handele es sich um eine „gezielte Kampagne“ der DUH gegen BMW, sagte der Entwicklungsvorstand. Dieser Vorwurf ist alles andere als unbegründet. Schon seit längerem gibt es Zweifel an der Unabhängigkeit des Vereins. Bekannt ist insbesondere eine enge Partnerschaft mit dem japanischen Hersteller Toyota,  dessen Dieselanteil in Europa im Vergleich zu europäischen Herstellern relativ gering ist. Laut Medienberichten unterstützt Toyota die DUH finanziell mit mittleren bis höheren Beträgen.

Autokartell

Weiteres Ungemach droht den Autobauern möglicherweise von Seiten der Kartellbehörden. Der SPIEGEL berichtete in seiner Ausgabe 30/2017 über den Verdacht, dass sich die großen deutschen Autohersteller bei den Manipulationen von Abgaswerten abgesprochen und damit gegen das Kartellverbot verstoßen haben. Neben Daimler, BMW, Audi, Porsche und Volkswagen soll daran auch der Zulieferer Bosch beteiligt gewesen sein. Der Vorwurf betrifft die Entwicklung einer gemeinsamen Software für die Dosierung von AdBlue, mit der die Emission von Stickoxid gesteuert wird.

Moderne Dieselfahrzeuge benötigen das Harnstoffgemisch AdBlue, um die Abgase zu reinigen. In ausreichender Menge in einen speziellen Katalysator  eingespritzt, bewirkt er, dass giftige Stickoxide zu Stickstoff und Wasser umgewandelt werden. Laut SPIEGEL waren die vorgesehenen AdBlue-Tanks zu klein, um zwischen den Inspektionsintervallen kein Harnstoffgemisch nachtanken zu müssen. Die Lösung für dieses „selbst geschaffene“  Problem sah man darin, den Verbrauch der Harnstoffmenge zwischen Test- und Realbetrieb über die Software zu differenzieren. Damit sollten vor allem die US-Behörden getäuscht werden.

Volkswagen und Daimler haben inzwischen wegen eines möglichen  Kartellverstoßes Selbstanzeige bei der EU-Kommission und dem Bundeskartellamt in Bonn erstattet. Damit erhofft man sich eine geringere Strafe. BMW sagt, eine unzulässige Umschaltung zwischen Test- und Realbetrieb habe es in BMW-Fahrzeugen nicht gegeben. Damit würde sich BMW von den anderen Herstellern unterscheiden. Bosch, Daimler und VW wollen sich in dem laufenden Verfahren nicht äußern.

Die Dieselretter

Ende April 2018 rief Bosch-Chef Volkmar Denner die Elite der deutschen Wirtschaftsjournalisten zur Bilanzpressekonferenz nach Stuttgart. Dort präsentierte er einen Dieselmotor, dessen Stickoxidemissionen im realen Straßenverkehr nur 13 Milligramm je Kilometer betragen - weit weniger als jene 168 Milligramm, die für alle Neuwagen von September 2018 an gelten. Denner löste damit ein mediales Erdbeben aus. Unerschüttert zeigten sich nur die Teilnehmer des einen Tag später stattfindenden Wiener Motorensymposium, der wichtigsten Veranstaltung zum Verbrennungsmotor. Ein großer Teil der den Journalisten mitgeteilten Ergebnisse war in Fachkreisen bereits bekannt  und teils schon in die Entwicklung neuer Motoren eingeflossen. Die neue Technik wird bald auch in Serienautos verfügbar sein.

Eine überraschende Wende im Dieselskandal, bei der man sich fragt, warum sie nicht früher erfolgt ist.


Zurück Druckoptimierte Version Diesen Artikel weiterempfehlen... Druckoptimierte Version
Benutzername:
User-Login
Ihr E-Mail
*