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Reform- und Steuerpolitik : Steuern - einfach, niedrig und gerecht ?
19.01.2017 13:27 (2568 x gelesen)

Steuern - einfach, niedrig und gerecht ?

„Einfach, niedrig und gerecht“ lautete ehemals das steuerpolitische Credo von CDU und FDP.

„Einfach“ sollten Steuern sein, damit sie jeder versteht und ausrechnen kann. Der Bierdeckel von Friedrich Merz brachte das plastisch zum Ausdruck.

„Niedrige“ Steuern wurden gefordert, um den wirtschaftlichen Spielraum der Bürger zu vergrößern. Leistung sollte sich lohnen. So wollte man das Wirtschaftswachstum ankurbeln.

Und „gerecht“ sollten Steuern sein, weil sie ansonsten Widerstand auslösen. Als gerecht gelten Steuern, wenn sie gleichmäßig erhoben werden und sich an der Leistungsfähigkeit orientieren.

Was ist aus diesen Forderungen geworden?

Sie sind inzwischen weitgehend vergessen! Wolfgang Schäuble hat einmal gesagt: „Große Entwürfe, die man mit ´Bierdeckel´ bezeichnet, haben mit der Realität nichts zu tun.“

Ist das wirklich so? Gibt es zu einem „komplexen Steuerrecht, hohen Steuersätzen und einer ungleichmäßigen Belastung“, keine Alternative?

Es lohnt sich, dieser Frage am Beispiel der jüngst reformierten Erbschaftssteuer noch einmal nachzugehen.

I

Das Erbschaftssteuergesetz besteuert den Übergang von Vermögen in Erbfällen und bei Schenkungen. Das jährliche Steueraufkommen liegt nur bei etwa  5.5 Milliarden Euro; es handelt sich also um eine Bagatellsteuer. Emotional ist die Erbschaftssteuer jedoch hoch aufgeladen, wenn bereits versteuertes Vermögen nochmals besteuert wird. 

Die geltende Erbschafts- und Schenkungssteuer ist eine sogenannte „Erbanfallsteuer“, die den „unentgeltlichen Vermögenszugang, d. h. die Bereicherung beim Erwerber“ erfasst. Die Alternative dazu ist die sogenannte „Nachlasssteuer“, die den Nachlass als solchen besteuert, ohne die besondere Situation des Erben oder Beschenkten zu berücksichtigen.

Die Entscheidung für die eine oder andere Form der Besteuerung hat erhebliche Konsequenzen für die Ausgestaltung der Steuer: 

Die geltende Erbschaftssteuer ist eine „komplizierte“ Steuer:  Die Besteuerung erfolgt in drei Steuerklassen mit unterschiedlichen Steuersätzen je nach Verwandtschaftsgrad. Außerdem gibt es zahlreiche Steuerausnahmen, Freibeträge und  Steuerverschonungen, die den Steuerzugriff aus bestimmten Gründen begrenzen.

Die deutsche  Erbschaftssteuer ist auch keine „niedrige“ Steuer. Der Steuertarif verläuft progressiv bis zu 50 Prozent in der Spitze.

Schließlich ist die geltende Erbschaftssteuer auch nicht „gerecht“ im Sinne einer „gleichmäßigen“ Besteuerung. Nur in etwa fünf Prozent aller steuerbaren Fälle erfolgt eine Erbschaftssteuerfestsetzung. Der Grund sind die zahlreichen Ausnahmen:

Der untere Bereich ist durch großzügige Freibeträge für nahe Verwandte und die Freistellung der Familienheime von der Erbschaftssteuer ausgenommen. Am oberen Ende wird der Unternehmensbereich durch Verschonung des Betriebsvermögens weitgehend entlastet. Es bleibt nur das mittelständische Besitzbürgertum übrig, die sogenannten „Sandwichbürger“, die das Gros der Erbschaftssteuer zahlen.

Und weil die Steuerbasis so klein ist, müssen die Steuersätze relativ hoch sein, um überhaupt ein nennenswertes Steueraufkommen zu erzielen. Das Ausmaß der Ungleichheit wird dadurch noch einmal drastisch verstärkt.

II

Welche Alternativen gibt es?

Schon im Jahr 2007 hat die MIT im Rahmen der damaligen Diskussion drei Reformvarianten vorgeschlagen:

1. Die beste Lösung besteht darin, die Erbschaftssteuer abzuschaffen, weil Steueraufkommen und Verwaltungsaufwand in keinem vernünftigen Verhältnis stehen.
2. Wenn sich die Politik dazu nicht durchringen kann, sollte die  Gesetzgebungskompetenz  den Ländern übertragen werden, denen die Steuer gehört.
3. Wenn auch diese Lösung politisch nicht möglich ist, sollte die Besteuerung vom System der Erbanfallsteuer auf das System der Nachlasssteuer umgestellt werden.

Wie würde eine solche Nachlasssteuer aussehen?

Es sind drei Dinge, die das Wesen einer Nachlasssteuer ausmachen: 

• Die Nachlasssteuer kennt nur einen Steuersatz (flat tax), der so niedrig sein muss, dass Erben nicht in finanzielle Schwierigkeiten kommen oder Unternehmen nicht an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Ein solcher Satz könnte bei zehn Prozent des Nachlassvermögens liegen.
• Um bei einem so niedrigen Steuersatz ein ausreichendes Steuervolumen zu sichern, muss gleichzeitig die Steuerbasis verbreitert werden. Hierzu müssen die derzeit geltenden Ausnahmen, Freibeträge und Verschonungsmöglichkeiten weitgehend gestrichen werden.
• Infolge einer solchen Umstellung werden auch kleine und mittlere Erbschaften sowie Unternehmen aller Größenordnungen, die heute unter dem steuerlichen Radarschirm durchsegeln, steuerpflichtig. Sollten sich trotz des niedrigen Steuersatzes finanzielle Probleme ergeben, können Stundungsmöglichkeiten helfen.
 
In der Finanzwirtschaft ist es so gut wie Konsens, dass ein an Ausnahmen armes Erbschaftssteuerrecht eine Bereicherung wäre, weil es den Anforderungen eines „einfachen, niedrigen und gerechten“ Steuerrechts genügt. Auch der Sachverständigenrat spricht sich seit Jahren aus wirtschaftspolitischen Gründen für eine solche Systemumstellung aus. Das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung bei der Verkündung des jüngsten Urteils zur Erbschaftssteuer sogar den ausdrücklichen Hinweis gegeben, sie könne „die Erbschaftssteuer völlig neu strukturieren“.

Wolfgang Schäuble hat sich jedoch für eine „minimalinvasive“  Reform entschieden, mit der nur die vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Punkte nachgebessert werden. Im Übrigen blieb alles beim Alten.

Dies war finanzpolitisch der sicherste Weg: Größere Reformen bringen häufig Ärger. Es gibt Verlierer, die protestieren und abgefunden werden müssen. An bestehende Steuern hat man sich demgegenüber gewöhnt und darauf eingestellt, mögen sie auch noch so kompliziert, ungerecht und ineffizient sein.

„Alte Steuern sind deshalb gute Steuern“, ist eine weit verbreitete Meinung unter Finanzpolitikern. Dazu gehört auch die deutsche Sektsteuer, die Wilhelm II zur Finanzierung der deutschen Marine eingeführt hat. Die Marine ist längst untergegangen, aber die Sektsteuer sprudelt munter weiter.  


   


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