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Politische Reden : Dr. Schlarmann: „MIT-Bericht“ 2005 - 2013
29.12.2015 11:53 (3824 x gelesen)

Dr. Schlarmann: MIT- Bericht 2005 - 2013

Die heutige Bundesdelegiertenversammlung (11. Oktober 2013) hat die Aufgabe, für unsere Vereinigung einen neuen Vorsitzenden und einen neuen Vorstand zu wählen. Damit endet meine Tätigkeit als Bundesvorsitzender, die ich vor acht Jahren begonnen habe. Es waren spannende Jahre  –  vier Jahre mit der großen Koalition und vier Jahre mit der schwarz-gelben Regierung.

Erlauben Sie mir deshalb, dass ich heute nicht nur über die letzten zwei Jahre berichte, sondern etwas weiter aushole. 

I

Bei Beginn meiner ersten Amtszeit im Jahr 2005 startete die große Koalition nach sieben Jahren rot-grüner Bundesregierung unter Gerhard Schröder. Die Union übernahm wieder Regierungsverantwortung und stellte mit Dr. Angela Merkel die Kanzlerin.

Damit endete auch die Phase reformpolitischer Diskussionen in der Union, an der mein Vorgänger Peter Rauen intensiv mitgewirkt hatte.

Heute ist dies für die Union eine vergessene Geschichte. Wer will noch an den Leipziger Parteitag, an das Steuermodell von Kirchhof oder die Gesundheitsprämie erinnert werden. „Tempus edax rerum“ schrieb schon Ovid; dies bedeutet: „die Zeit zernagt die Dinge“.

Für uns blieben die Reformthemen aber auf der Tagesordnung.  In den vier Jahren der Großen Koalition bestand der Schwerpunkt unserer politischen Arbeit darin, als marktwirtschaftliches Korrektiv zu wirken und sowohl die Bundesregierung als auch die eigene Partei an die Notwendigkeit von marktwirtschaftlichen Reformen zu erinnern.

Das verlief nicht immer reibungsfrei, auf Grund der Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten aber nicht  verwunderlich.  Denn alle für Reformen zuständigen Ministerien lagen in Händen der SPD, die nach ihrem Wahldebakel einen deutlichen Linksschwenk vollzog. Nutznießer dieser Entwicklung innerhalb der Union war der Sozialflügel.

Insgesamt wird man die Arbeit der großen Koalition aus Sicht des Mittelstandes differenziert beurteilen müssen.

Positiv war die Einführung der Rente mit 67, mit der das Rentensystem stabilisiert wurde.  Gleiches gilt mit Einschränkungen auch für die Unternehmens- und Erbschaftssteuerreform, die in den Grundzügen bis heute gehalten hat.

Insgesamt hat sich die Wirtschaft in dieser Zeit  – mit Ausnahme der Realeinkommen für die Arbeitnehmer – positiv entwickelt, bis die Wirtschaftskrise kam. Aber auch diese hat die damalige Bundesregierung im Rahmen der G-8-Staaten professionell gehandhabt.

Es gibt aber auch Minus-Punkte, die wir kritisieren  mussten. Dazu gehörte die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Punkte auf 19 Prozent und die Gesundheitsreform mit dem zentralen Gesundheitsfonds und der staatlichen Beitragsfestsetzung.  In der großen Koalition  erlahmte auch der Widerstand der Union gegen staatlich festgesetzte Mindestlöhne. 

Wie sich die Gewichte zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik verändert hatten, zeigte insbesondere der Parteitag in Dresden.

Nach langen Diskussionen wurde beschlossen, dass das Arbeitslosengeld I verlängert, aber gleichzeitig Kündigungsschutz und Tarifbindung gelockert werden sollten. Dieser Doppelbeschluss war ein Kompromiss zwischen Wirtschafts- und Arbeitnehmerflügel. Umgesetzt wurde später nur die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I.

II

Mit der Bundestagswahl 2009 waren deshalb große Hoffnungen verbunden. Unser Ziel war die Ablösung der großen Koalition durch eine bürgerliche Regierung aus Union und Freidemokraten.

In der Vorbereitung des Wahlprogramms und im Wahlkampf  waren wir stark engagiert, weil wir die Zusage hatten, dass unsere Positionen berücksichtigt werden sollten.

Der Wahlausgang enttäuschte unsere Hoffnungen nicht. Das Wahlergebnis für die FDP sorgte dafür, dass unter der Führung von Angela Merkel eine stabile bürgerliche Regierung gebildet werden konnte. In dem Koalitionsvertrag fanden wir viele unserer Forderungen wieder.  

Unsere Kernforderungen damals waren

-die Korrektur der Unternehmens- und Erbschaftsteuerreform 2008 sowie eine steuerliche Forschungsförderung,

-eine Einkommenssteuerreform und die Abschaffung der kalten Progression,

-die Überprüfung aller arbeitsmarktpolitischen Instrumente und Erleichterungen beim Kündigungsschutz,

-eine technologieoffene sowie marktorientierte Energiepolitik.

Wir hatten die Hoffnung, dass wesentliche Teile dieser Forderungen im Lauf der Legislaturperiode umgesetzt  werden würden. Ein erster Schritt wurde mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz auch gemacht.

Dies war für den Mittelstand eine gute Zeit, die aber sehr schnell wieder endete.

Mir ist bis heute nicht erklärlich, warum das historische Zeitfenster bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Frühsommer 2010 mit einer bürgerlichen Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat nicht genutzt wurde, um wesentliche Teile des Koalitionsvertrages zügig umzusetzen

Ich habe damals die Bundeskanzlerin in einem persönlichen Brief  gebeten, diese einmalige politische Chance nicht verstreichen zu lassen; eine Antwort darauf habe ich nie erhalten.  Vermutlich ist die Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“, mit der man die Wahl in NRW gewinnen wollte, die Antwort gewesen, auf die ich bis heute warte.

Das Zeitfenster für notwendige Reformen wurde so verspielt. Nach der verlorenen Wahl in Nordrhein-Westfalen konnte die Bundesregierung wichtige Gesetzesvorhaben wegen der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nur noch mit Hilfe der Opposition durchbringen.

Hierfür mussten Zug um Zug  immer mehr Positionen der Union geräumt werden. Faktisch hatten wir wieder eine große Koalition.  Krisenpolitik trat an die Stelle von Reformpolitik.

Auch in diesen letzten Jahren haben wir an unserem satzungsmäßigen Auftrag festgehalten, die ordnungspolitischen Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft  innerhalb und außerhalb der Union aktiv zu vertreten. Ich bin der Überzeugung, dass wir dadurch für uns nicht nur viele neue, vor allem junge Mittelständler gewonnen, sondern auch Stammwähler an die Union gebunden haben.

Unsere politischen Aktivitäten in den letzten Jahren hatten im Wesentlichen zwei Schwerpunkte.  Einmal ging es darum, staatliche Maßnahmen abzuwehren, die den Mittelstand belasten oder behindern.

Hierzu gehörten vor allem linke Kampagnen gegen flexible Beschäftigungsverhältnisse wie Zeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Mini- und Midi-Jobs. Das Thema hat sich keineswegs erledigt, wie der Streit um Werkverträge zeigt. Im Falle der Mindestlöhne ist es uns gelungen, die Union auf eine nach Regionen und Branchen differenzierte Lösung einzuschwören. Hoffentlich bleibt es dabei!

Ein anderes Feld war die Steuerpolitik, wo wir die Regierung immer wieder gemahnt haben, die im Koalitionsvertrag versprochenen Steuerreformen anzugehen, leider ohne viel Erfolg. Erstaunlicherweise vergaß auch die FDP diesen Teil des Koalitionsvertrages.  Erst in letzter Minute hat die Regierung einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der kalten Progression eingebracht, der erwartungsgemäß an der Opposition im Vermittlungsausschuss gescheitert ist.  

Ein weiterer Streitpunkt war die Rentenpolitik. Angesichts der vollen Sozialkassen haben wir die Bundesregierung an ihr Versprechen erinnert, das zeitliche Vorziehen der Versicherungsbeiträge wieder rückgängig zu machen,  um den Mittelstand von Bürokratie zu entlasten. Leider vergeblich!

Die Politik hat stattdessen die Praxisgebühr abgeschafft und unter Berufung auf eine zu erwartende Altersarmut zahlreiche Vorschläge für die  Anhebung von Niedrigrenten gemacht: die Wahlversprechen heißen „Mindestrente, Garantierente oder Lebensleistungsrente“.  Wir haben uns hiergegen massiv zur Wehr gesetzt, weil es mit der Grundsicherung bereits ein wirksames Instrument gegen Altersarmut gibt.

Ein zweiter  Schwerpunkt war die Eurokrise und die Energiewende.

Mit dem drohenden Staatsbankrott von Griechenland begann die Eurokrise.  Das Unglück von Fukushima war der Treibsatz für  die Energiewende.

In beiden Fällen geht es um dieselbe Frage: Kann auf Dauer politisch richtig sein, was ökonomisch falsch oder fraglich ist?

Stark ist der politische Wille, den Euro zu erhalten; aber stark sind auch die wirtschaftlichen Fliehkräfte in der Europäischen Union.

Stark ist auch der politische Wille, die Energiewende in Deutschland durchzusetzen, aber ebenso stark sind die damit verbundenen technischen, ökonomischen und politischen  Widerstände.

Zurzeit kann niemand sagen, ob sich am Ende der politische Wille oder die ökonomische Gesetzmäßigkeit durchsetzen wird. Wir Mittelständler müssen aber alles tun, dass auf diesem Weg grundlegende Prinzipen der Sozialen Marktwirtschaft nicht verloren gehen.

Dass dies eintreten kann, wird niemand bestreiten können. Bei der Euro-Rettung und der Energiewende setzt die Politik immer weniger auf Markt und Wettbewerb, sondern stattdessen immer mehr auf staatliches Eingreifen. Umso wichtiger werden Vorschläge und Konzepte, die den Weg zurück zu Markt und Wettbewerb weisen.  

Solche Initiativen gemacht zu haben, war der politischer Beitrag der MIT zur europäischen Rettungspolitik und  zur Energiewende.

Es ist sehr erfreulich, dass solche Vorschläge inzwischen auch in der Öffentlichkeit erörtert werden. Ich bin sicher, dass sich auch die Politik über kurz oder lang mit Alternativen zur jetzigen Politik in der Eurokrise und bei der Energiewende beschäftigen wird. Die MIT ist darauf vorbereitet.

III

Damit komme ich zur Gegenwart und Zukunft unserer Vereinigung. 

Die Bundestagswahl 2013 war ein großer Erfolg für die Union. Das Wahlergebnis zeigt, dass die Parteivorsitzende Dr. Angela Merkel in der Öffentlichkeit eine hohe Glaubwürdigkeit genießt und dafür belohnt wurde. Dies verdient unseren Respekt

Besonders freut mich der hohe Mobilisierungsgrad, den wir innerhalb der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung erreichen konnten. Die Aktivitäten  auf  Bundesebene und das Engagement in vielen MIT-Gliederungen haben gezeigt, dass wir eine starke kampagnefähige Vereinigung sind.

Gleichwohl sei mir zum Abschied ein Ausblick gestattet.

Bei aller Freude über das Wahlergebnis: Der Ausgang der Bundestagswahl eröffnet der Union lediglich Optionen für eine Koalition mit den Sozialdemokraten oder den Grünen, beides Linksparteien, die sich der Unterstützung der Linken im Bundestag sicher sein können.

Andere Optionen hat die Union nicht.  Die  FDP als liberales Korrektiv und die AfD  sind an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Damit haben linke Parteien im Bundestag die Mehrheit erhalten, obgleich sich die Wähler überwiegend für bürgerliche Parteien entschieden haben.

Vor diesem Hintergrund hat die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU in den kommenden vier Jahren eine große Aufgabe zu übernehmen. Denn sie wird künftig  als das ordnungspolitische Korrektiv für die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verstärkt in den Kampf ziehen müssen: In der Öffentlichkeit, in der Partei und in den politischen Gremien.


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