Gerechte Steuern - am Beispiel der Erbschaftssteuer
„Einfach, niedrig und gerecht“ lautete ehemals das steuerpolitische Credo von CDU und FDP. Die CDU formulierte es letztmalig auf ihrem Leibziger Parteitag im Jahr 2003. Die FDP machte es 2009 zum zentralen Thema des Bundestagswahlkampfes, gewann damit die Wahl und legte es dann ebenfalls ad acta.
„Einfach“ sollten Steuern sein, damit jeder sie versteht und ausrechnen kann. Der Bierdeckel von Friedrich Merz brachte dies plastisch zum Ausdruck. „Niedrige“ Steuern wurden gefordert, um den wirtschaftlichen Spielraum der Bürger zu vergrößern. Man war damals noch der Überzeugung, dass Private mit dem Geld besser umgehen können als der Staat. Und „gerecht“ mussten Steuern sein, weil sie ansonsten auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen. Darunter verstand man vor allem eine gleichmäßige und an der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung der Bürger.
In der gegenwärtigen steuerpolitischen Diskussion tauchen solche Vorschläge und Gedanken nicht mehr auf. Für die Steuerprofis in der Verwaltung sind Vorschläge für ein „einfaches“ Steuerrecht unrealistisch, weil die zu besteuernde Wirklichkeit „komplex“ ist. Auch die Forderung nach „niedrigen“ Steuern ist in allen Parteiprogrammen gestrichen worden. Stattdessen fordern die linken Parteien „höhere“ Steuern, insbesondere für Vermögen und Reiche. Selbst das Postulat nach „gleichmäßiger“ Besteuerung tritt zunehmend in den Hintergrund und wird durch das Merkmal der „sozialen“ Besteuerung ersetzt. Immer deutlicher wird das Ziel formuliert, den volkswirtschaftlichen Reichtum mit Hilfe der Steuerpolitik „umzuverteilen“.
Die jüngst beschlossene Reform der Erbschaftssteuer ist ein Beispiel für diesen steuerpolitischen Paradigmenwechsel.
I
Die Erbschafts- und Schenkungssteuer
Das Erbschaftssteuergesetz besteuert den Übergang von Vermögen in Erbfällen und bei Schenkungen. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer ist wie die Vermögenssteuer eine Substanzsteuer, fällt aber nicht periodisch an. Fiskalisch handelt es sich um eine Landessteuer, die gesetzgeberische Zuständigkeit liegt aber beim Bund.
Ihre Rechtfertigung findet die geltende Steuer letztlich im Leistungsfähigkeitsprinzip. Der Erbe oder der Beschenkte gewinnt durch den Vermögenstransfer an Leistungsfähigkeit, die eine Besteuerung rechtfertigt. Die Steuersätze sind „progressiv“ und vom Verwandtschaftsgrad abhängig. Sie beginnen mit 7 Prozent und reichen bis zu 50 Prozent in der Spitze. Solche Steuersätze entsprechen nicht dem Grundsatz einer maßvollen Besteuerung. Im unternehmerischen Bereich gefährden sie Wertschöpfung und Arbeitsplätze.
Die geltende Erbschafts- und Schenkungssteuer ist nach der Erhebungsform eine „Erbanfallsteuer“. Sie erfasst den „unentgeltlichen Vermögenszugang, d.h. die Bereicherung beim Erwerber“. Sie ist eine „komplizierte“ Steuer mit zahlreichen Ausnahmen, Freigrenzen und Freibeträgen sowie Verschonungsmöglichkeiten.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, der Steuer durch zivilrechtliche Gestaltungen auszuweichen. Davon wird auch Gebrauch gemacht, weil die Erbschafts- und Schenkungssteuer trotz ihres relativ kleinen Aufkommens ein emotionsgeladenes Thema ist. Der Widerstand gegen diese Steuer rührt daher, dass in vielen Fällen erwirtschaftetes Vermögen dadurch doppelt erfasst wird.
Den Anforderungen einer „gleichmäßigen“ Besteuerung genügt die Erbschafts- und Schenkungssteuer wegen der zahlreichen Ausnahmen nicht. Nur in 5 Prozent aller steuerbaren Erwerbe erfolgt eine Erbschaftssteuerfestsetzung. Die Universität Mannheim hat schon 2006 in einer Studie festgestellt,
• dass von jährlich rund 800.000 Todesfällen nur gut 60.000 besteuert werden,
• dass von einem jährlich vererbten Vermögen von ca. 50 Mrd. Euro nur gut 15 Mrd. Euro besteuert werden,
• dass die oberen Steuersätze so gut wie nicht zur Anwendung kommen,
• dass aus Betriebsvermögen nur ein Steueraufkommen von etwas mehr als 10 Prozent resultiert.
Wolfgang Schön kommt deshalb in der FAZ vom 27. März 2015 zu dem Ergebnis, dass das geltende Erbschaftssteuerrecht nicht „die Anforderungen an eine maßvolle und gleichheitsgerechte Umverteilung“ erfüllt. Am unteren Ende der Vermögensskala hat der Gesetzgeber (2009) durch großzügige Freibeträge für nahe Verwandte und die Freistellung von Familienwohnheimen breite Wählerschichten von der Erbschaftssteuer ausgenommen. Am oberen Ende der Vermögensskala hat er durch die Verschonung von Betriebsvermögen mit den Unternehmern eine Personengruppe weitgehend entlastet, die über die höchsten Vermögenswerte verfügen. Es bleiben die „Sandwichbürger“, Freiberufler und leitende Angestellte, die Erbschaftssteuern zu zahlen haben.
„Mit Steuergerechtigkeit oder gar Sozialstaatlichkeit hat dies nicht mehr viel zu tun. Schlimmer noch: Um mit einer solch schmalen Steuerbasis überhaupt ein nennenswertes Aufkommen zu erzielen, musste der Gesetzgeber relativ hohe Steuersätze vorsehen und damit das Ausmaß der Ungleichheit drastisch verstärken“, schreibt Wolfgang Schön.
II
Zweck der Steuer
Fiskalisch rechnet sich die Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht. Mit ihrem jährlichen Aufkommen von circa 5,5 Milliarden Euro bei einem gesamten Steueraufkommen von 671 Mrd. Euro liegt ihr Anteil deutlich unter einem Prozent. Es handelt sich also um eine Bagatellsteuer. Der Verwaltungsaufwand ist relativ hoch.
Viele Staaten haben die Erbschaftssteuer abgeschafft, weil sie wie keine andere Steuer Kapitalflucht bewirkt. Dazu gehören zum Beispiel Österreich und die Schweiz (beim Erbgang auf Ehegatten und Kinder), die sich dadurch Vorteile im internationalen Standortwettbewerb versprechen.
Befürworter der Erbschaftssteuer halten dagegen und meinen, dass die Erbschafts- und Schenkungssteuer einen erheblichen Beitrag dazu leistet, „die Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft zu erhöhen“. Ziel sei die Umverteilung privater Ressourcen – von den Vermögenden auf den Staat, von den Reichen zu den Armen. Von Seiten der Kritiker wird hiergegen eingewendet, dass sich die Erwerbschancen von Nichterben nicht dadurch erhöhen, dass Erben Steuern an den Staat zahlen müssen. Als Nachteil der Erbschaftssteuer wird die Schwächung privater Unternehmen gesehen, wodurch sich auch die Erwerbschancen von Nichterben verschlechtern.
Der Zweck der Erbschaftssteuer kann allenfalls in einer langfristigen Vermögensnivellierung gesehen werden. Für Wolfgang Schön versinnbildlicht die Erbschaftssteuer „das politische Ziel, die Anhäufung von Reichtum im langfristigen Abstand der Generationswechsel zu beschneiden und jeder neuen Alterskohorte ein Stück weit einen gemeinsamen Neuanfang, ein level playing field, zu garantieren.“
So sehen es auch drei Verfassungsrichter, die an der Erbschaftssteuerentscheidung vom 17. Dezember 2014 mitgewirkt haben. In ihrem Minderheitenvotum charakterisieren sie diese Steuer als „Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit, die sich in einer freien Ordnung nicht von selbst herstellt“. Sie diene „nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern (sei) zugleich ein Instrument des Sozialstaates, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst“.
Ob die Senatsmehrheit diese Zweckbestimmung teilt, weiß man nicht, weil sie dazu schweigt. Auch Politiker und Experten halten sich mit klaren Aussagen zurück. „Der Grund liegt in der Sorge, dass ein grundsätzliches Ja zur steuergesetzlichen Redistribution von Reichtum von deren Befürwortern als Freibrief zu weitergehenden Eingriffen in die Ordnung privaten Eigentums missbraucht werden könnte.“ (Wolfgang Schön)
Andere Institutionen sind in dieser Beziehung weniger zurückhaltend. So schlägt der „Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderung (WBGU)“, der die Bundesregierung in Klimafragen berät, in seinem jüngsten Gutachten vor, zur Finanzierung eines „Staatsfonds“, der den Klimaschutzes finanzieren soll, auch die Erbschaftssteuer heranzuziehen. Denn mit Blick auf künftige Generationen sei es „ethisch geboten, Vermögen nicht allein privat an die eigenen Nachkommen zu transferieren, sondern sie zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft zu nutzen.“ Bis zu 20 Prozent des nationalen Erbschafts- und Schenkungsvolumens sollen in den Staatsfonds fließen. In Deutschland wären das 40 Milliarden Euro im Jahr – achtmal soviel, wie die Länder heute an Erbschaftssteuer einnehmen.
An Ideen, den Zweck der Erbschaftssteuer neu zu definieren und die Steuersätze zu erhöhen, fehlt es also nicht. Die Hoffnung, dass das Grundgesetz solcher Kreativität Grenzen setzt, sollte nicht aufgegeben, aber auch nicht überschätzt werden.
Eine Grenze ergibt sich aus Artikel 14 Grundgesetz (GG), der nicht nur das Privateigentum, sondern ergänzend auch das Erbrecht schützt. Beides setzt dem Steuerzugriff in Erbschafts- und Schenkungsfällen eine verfassungsmäßige Grenze. So wäre eine konfiskatorische Erbschaftssteuer in jedem Fall verfassungswidrig.
Der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie stellt eine weitere Grenze dar. So ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) das persönliche Gebrauchsvermögen (Familienheim) steuerfrei zu stellen, die eheliche Erwerbsgemeinschaft (Abzug des Zugewinns) ist zu berücksichtigt und die Mitberechtigung der Kinder am Familienvermögen (Freibeträge, Steuerklasse) darf nicht verloren gehen.
Als besonders wirksame Grenze hat sich das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Gebot der gleichmäßigen Besteuerung erwiesen. Hierzu ist auf einer ersten Stufe eine realitätsgerechte Bewertung des Vermögens durchzuführen. Darauf aufbauend kann der Gesetzgeber auf einer zweiten Stufe steuerliche Lenkungsziele durch Belastungs- und Verschonungsregelungen verwirklichen. Beide Ebenen bedürfen jedoch der strikten Trennung. Die Verfolgung außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele auf der Bewertungsebene hält das BVerfG für verfassungswidrig.
Aus Art. 3 Abs. 1 GG hat das BVerfG auch abgeleitet, dass bei der Steuerlast auf die „verminderte Leistungsfähigkeit der Erben von Unternehmen“ Rücksicht zu nehmen sei. Denn „aufgrund der gesteigerten rechtlichen Bindungen dieser Betriebe entspreche der vom Erben durch den Erbfall erworbene Vermögenszuwachs nicht voll der durch den Betrieb entgegengenommenen finanziellen Leistungsfähigkeit“. Der Gesetzgeber hat dem durch die Regelung zur Verschonung von Betriebsvermögen entsprochen. Die Milderung des Steuerzugriffs gilt folgerichtig aber nur für Erwerber von Unternehmen, die fortgeführt werden.
III
Die Verschonung von Unternehmen
Unternehmerisch gebundenes Vermögen wird durch das Erbschaftssteuergesetz großzügig verschont. Voraussetzung ist die Fortführung des Betriebes und die Sicherung der Arbeitsplätze.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine solche Privilegierung von Betriebsvermögen in seiner Entscheidung vom 17.12.2014 grundsätzlich für verfassungsmäßig erklärt, die damalige Verschonungsregelung aber als unverhältnismäßig angesehen, soweit
• bei großen Unternehmen keine Bedürfnisprüfung vorgesehen war,
• Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme freigestellt wurden,
• die Verschonung von Unternehmen mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 Prozent Gestaltungen zuließen, die zu Ungleichbehandlungen führten.
In der Begründung führt das Verfassungsgericht aus, dass der Gesetzgeber nicht gehindert ist, mit Hilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förderziele zu verfolgen. Dabei verfügt er über einen großen Einschätzungsspielraum, bleibt aber an den Maßstab der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die steuerliche Privilegierung produktiven Vermögens, um den Bestand des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze nicht zu gefährden, hält das Gericht grundsätzlich für legitim.
Wie richtig diese Einschätzung ist, zeigt die nachfolgende Beispielsrechnung:
Unternehmen werden zukünftig im vereinfachten Verfahren mit dem 13,75fachen ihres durchschnittlichen Gewinns bewertet. Bei einem Gewinn von einer Million Euro nach Steuern beläuft sich der Unternehmenswert auf 13,75 Millionen Euro. Darauf entfallen im günstigsten Fall (Klasse 1) 3,1625 Euro (13,75 Millionen Euro x 23 %) und im schlechtesten Fall 6,875 Millionen Euro (13,75 Millionen Euro x 50 %) Erbschaft- oder Schenkungssteuern.
Jedem leuchtet ein, dass die deutsche Wirtschaft eine solche konfiskatorische Substanzbesteuerung nicht überleben würde. Es ist deshalb wirtschaftspolitisch geboten, die Unternehmen mit ihrem produktiven Vermögen von einer solchen Besteuerung zu verschonen. Scharfe Bewertungsregeln und hohe Steuersätze erfordern zwingend Ausnahmen von der Regelversteuerung.
Das Bundesverfassungsgericht forderte den Gesetzgeber auf, das Erbschaftssteuergesetz bis zum 30. Juni 2016 nachzubessern. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kündigte daraufhin eine zügige und „minimalinvasive“ Reform der vom BVerfG beanstandeten Punkte an. Es dauerte jedoch fast zwei Jahre, bis sich die drei Regierungsparteien auf einen Änderungsentwurf einigen konnten. Im Ergebnis wurde die Verschonungsregelung noch komplexer und unübersichtlicher.
Grundsätzlich hat sich an der Systematik des Erbschaftssteuergesetzes also nichts geändert. Produktives Vermögen wird verschont, wenn der Betrieb fortgeführt wird und die Arbeitsplätze bestehen bleiben. Beim Erwerb größerer Unternehmensanteile muss der Erwerber künftig jedoch nachweisen, dass er die Steuerschuld nicht aus seinem Privatvermögen leisten kann, um von der Steuer verschont zu werden. Zudem ist die Freistellung von der Mindestlohnsumme auf kleine Betriebe begrenzt worden. Außerdem muss das Verwaltungsvermögen unter 10 Prozent liegen.
Die Neufassung der Verschonungsregeln wäre eine geeignete Gelegenheit gewesen, das Erbschaftssteuergesetz grundlegend zu ändern. Das Bundesverfassungsgericht hätte dem nicht im Wege stehen wollen. Senatspräsident Ferdinand Kirchhof belehrte die Parteien bei der Urteilsverkündung vielmehr, die Politik habe nun die Wahl, ob sie nur die beanstandeten Punkte korrigieren oder „die Erbschaftssteuer völlig neu strukturieren“ wolle.
Bei den Beratungen über das Änderungsgesetz zogen die Finanzpolitiker von Union und SPD eine solche grundsätzliche Reform ernsthaft in Betracht. Sie verabredeten, dass sich jede Seite zwei Alternativmodelle durch das Bundesfinanzministerium durchrechnen lassen konnte. Dabei sollte es sich um Modelle mit weniger Ausnahmen, aber dafür spürbar geringere Sätze (Flat-Tax-Modelle) handeln.
Der CDU-Politiker Christian Freiherr von Stetten, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), machte dazu folgenden Vorschlag: Der einheitliche Steuersatz für die Vererbung von Privatvermögen und Unternehmen sollte 10 Prozent betragen. Davon sollte es nur noch wenige Ausnahmen geben. Persönliche Freibeträge sowie Steuerbefreiungen für Hausrat und das Familienheim und die Begünstigung für die Land- und Forstwirtschaft sollten beibehalten werden. Zusätzlich sah der Vorschlag einen Freibetrag bei Übertragung von Unternehmen an nahe Angehörige in Höhe von 1 Million Euro vor.
Im Kern ging es bei diesem Vorschlag darum, die geltende Erbanfallsteuer durch eine sogenannte Nachlasssteuer zu ersetzen. Solche Pläne entsprachen jedoch nicht der strukturkonservativen Denkungsweise des Bundesfinanzministeriums und liefen dem von Wolfgang Schäuble vorgegebenem Regierungskurs entgegen. Die Pläne verliefen deshalb im Sande.
Bedenken kamen aber auch von Seiten der Wirtschaft, die das Risiko sah, dass – wie bei der Grunderwerbsteuer – erst die Ausnahmen gestrichen werden, um die Steuersätze zu senken, um diese dann später unter Verweis auf das früher Übliche wieder zu erhöhen. Ohne Ausnahmen wäre dann die Last entsprechend höher. Das Risiko ist grundsätzlich nicht zu leugnen, hängt aber davon ab, wie radikal die Ausnahmen gestrichen werden. Und hier ging der Vorschlag des PKM nicht weit genug.
Die Bedenken der Wirtschaft lassen zudem unberücksichtigt, dass auch der Verschonungsregelung Gefahren drohen. So wird darüber diskutiert, ob es sich bei der Verschonung der Familienunternehmen von der Erbschaftssteuer um eine von der EU zu verbietende Beihilfe handelt. Sollte die EU-Kommission zu diesem Ergebnis kommen, müssen die Steuerpflichtigen mit Nachzahlungen rechnen. Dieses Risiko trägt nicht der Staat, sondern der betroffene Steuerpflichtige ist den Forderungen der EU ausgeliefert, auch wenn er sich an die Regelungen seines Staates gehalten hat.
IV
Die Nachlasssteuer
Auch nach der inzwischen beschlossenen kleinen Reform der Erbschaft- und Schenkungssteuer stellt sich die Frage, ob es nicht nach der Kette missglückter Reformen an der Zeit ist, sich für ein alternatives Erbschaftsteuermodell mit angemessener Bewertung des Vermögens und niedrigen Steuersätzen zu entscheiden. Dann könnte man gleichzeitig auf die streitanfälligen Ausnahmen und Befreiungen von der Regelversteuerung verzichten.
„Die Lösung ist einfach und liegt seit Jahren auf dem Tisch: Ein allgemeiner Niedrigsteuersatz für Erbschaften aller Art, der schlicht durch sein geringes Maß garantiert, dass kein Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit verliert oder gar in die Insolvenz getrieben wird. Dazu bedarf es dann auch einer gleichheitsgerechten Erweiterung der Steuerbasis – nicht nur in Richtung auf Unternehmen, sondern auch auf kleine und mittlere Erbschaften einschließlich Immobilien, die heute (anders als in den vielen Jahrzehnten der Erbschaftssteuerreform bis1995) unter dem steuerlichen Radarschirm durchsegeln“, schreibt Wolfgang Schön in der FAZ.
In der Finanzwirtschaft ist es so gut wie Konsens, dass ein an Ausnahmen armes Erbschaftssteuerrecht eine Bereicherung wäre. Zuletzt hat sich der Sachverständigenrat für ein solches Verfahren ausgesprochen. Er kritisiert den jüngsten Beschluss der Regierung scharf. „Damit kommt es vor allem zu einer Verkomplizierung des Steuerrechts und einer Erhöhung des bürokratischen Aufwands. Die Steuergerechtigkeit wird mit der Reform der Verschonungsregeln nicht erhöht.“
Die Wirtschaftsweisen verweisen auf die Vorzüge einer Erbschaftssteuer mit breiter Bemessungsgrundlage und niedrigen Sätzen, verbunden mit großzügigen Stundungen. Bei einer entsprechend gestalteten Reform wäre eine Verschonungsregel nicht notwendig, meinen die Wirtschaftsweisen. „Durch die Gleichbehandlung aller Vermögen wäre eine solche Reform gerechter sowie wesentlich einfacher und unbürokratischer.“
In diesem Sinne hat sich auch der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, für eine grundsätzlich andere Reform ausgesprochen. "Die Politik hangelt sich von einer hochkomplizierten Regelung zur nächsten, in dem eigentlich richtigen Bemühen, Arbeitsplätze und Firmen zu sichern beim Übergang in die nächste Generation."
Im Deutschen Bundestag gibt es jedoch derzeit keine Partei, die sich für ein solches Vorhaben stark machen könnte. Steuerfragen werden außerhalb der Öffentlichkeit nur in Fachkreisen erörtert. Dabei sind Steuern „der Lebensnerv eines jeden demokratischen Staates. Diese Fragen werden leider in der Öffentlichkeit viel zu wenig diskutiert; das Thema ist eben nicht sexy“, bedauert Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs.
Anmerkung:
Im August 2007 veröffentlichten Dr. Josef Schlarmann als MIT-Bundesvorsitzender und Peter Jungen als Co-Präsident der SME Union ein Positionspapier zur Erbschaftssteuerreform, in dem vier Reformvarianten vorgestellt wurden:
- Komplette Abschaffung der Erbschaftssteuer; wenn sich der Gesetzgeber dazu nicht entschließen kann, bieten sich folgende Reformansätze an:
- Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder;
- Schaffung einer Opt-Out-Klausel;
- Systemumstellung von der Erbanfall- auf die Nachlass-Steuer.