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Klima und Energiewende : Grüne Schildbürger
20.12.2016 21:21 (2885 x gelesen)

Grüne Schildbürger

Die von der Bundesregierung mit Unterstützung  aller im Bundestag vertretenen Parteien vorangetriebene Energiewende weckt Erinnerungen an die Bürger von Schilda, die beim Bau ihres neuen Rathauses die Fenster vergessen hatten. Als sie überlegten, wie sie das Problem lösen konnten, machte ein Ratsherr den Vorschlag, zur Mittagszeit Licht in Säcken zu sammeln, um es im Rathaus wieder auszuschütten. Gesagt getan, die Bürger schaufelten tagelang Licht in Säcke und liefen damit ins Rathaus. Aber es wurde nicht hell darin, sondern blieb dunkel wie vorher. 

Diese Geschichte weist deutliche Parallelen zur derzeitigen Energiepolitik der Bundesregierung auf, deren primäres Ziel es ist, den Ausstoß von Kohlendioxid zu senken. Dafür soll die deutsche Energieversorgung komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist bereits beschlossen und der Ausstieg aus der Kohleverstromung wird vorbereitet. Gleichzeitig wird der Ausbau der erneuerbaren Energien auf Kosten der Verbraucher massiv vorangetrieben. Trotz aller Bemühungen und Interventionen von Seiten der Bundesregierung will sich aber der Erfolg nicht einstellen: der Ausstoß von Kohlendioxid steigt in immer neue Höhen. Wie im fensterlosen Rathaus wird es auch in der Klimapolitik der Bundesregierung nicht hell, sondern bleibt dunkel wie vorher.

Die Bundesregierung ist - wie die Bürger von Schilda - nicht in der Lage, sich das Scheitern ihrer Politik einzugestehen. Stattdessen verlegt sie sich auf einen energiepolitischen Aktionismus, der zur Lösung der vielen Ungereimtheiten und  Widersprüche  nichts beiträgt. Für den Erfolg der Energiewende wird es vielmehr entscheidend darauf ankommen, ob es der Bundesregierung geling, den wetterabhängigen und schwankenden Ökostrom technisch und wirtschaftlich erfolgreich in das Gesamtsystem der Stromversorgung zu integrieren. Hiervon sind die verantwortlichen Politiker noch weit entfernt  und die Welt wartet gespannt darauf,  wie die Regierung diese komplizierte Aufgabe lösen wird.

Wirtschaftsvertreter wie der Geschäftsführer von Wingas, Ludwig Möhring, jedenfalls sind skeptisch:  „Obwohl Deutschland mehrere hundert Milliarden Euro investiert hat, ist man dem grundlegenden Ziel – die Minderung des Ausstoßes von CO2 – bis heute keinen Schritt näher gerückt“. Trotz starken Ausbaus der Windkraft- und Photovoltaikanlagen ist der Ausstoß von Kohlendioxid sogar gestiegen.


Ausstieg aus der Atomenergie

Deutschland hat sich für den Ausstieg aus der Kernenergie entschieden. Das letzte Atomkraftwerk wird 2022 vom Netz gehen. Inzwischen hat sich die Regierung mit den Energiekonzernen auch über die Kosten der Atommüllentsorgung verständigt. Für die Lagerung des Atommülls sind künftig nicht mehr die Betreiber der Kernkraftwerke, sondern der Staat, also der Steuerzahler, verantwortlich. Im Gegenzug zahlen die Betreiber 26,6 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds, der die Kosten der Einlagerung übernimmt.  Die politisch umstrittene Frage des Lagerortes ist aber weiterhin offen.

Die Politik feierte diesen Entsorgungs-Deal als einen „Riesenschritt“ auf dem Weg zur Vollendung der Energiewende. Gemessen an den Zielen der Energiepolitik, stellt er jedoch eher einen Rückschritt dar. Seit jeher verfolgt die Energiepolitik das Ziel, die Volkswirtschaft (1.) bedarfsgerecht und sicher sowie (2.) zu wettbewerbsfähigen Kosten und  (3.) in umweltschonender Weise mit elektrischer Energie zu versorgen.

Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie entfernt sich Deutschland von dem Ziel einer sicheren und bedarfgerechten Versorgung, weil die Stromgewinnung aus Sonne und Wind wetter- und tagesabhängig ist. Mit dem schwankenden Ökostrom  wird die Energieversorgung nicht sicherer, sondern immer volatiler. Zudem wandelt sich der  Strommarkt vom Käufer- zum Verkäufermarkt, auf dem der Produzent und nicht der Verbraucher das Angebot bestimmt. 

Atomkraftwerke gehören unter den Stromerzeugern zu den Produzenten mit den niedrigsten Betriebskosten. Unter Marktbedingungen garantiert dieser Kostenvorteil den Atomkraftwerken die vorrangige Einspeisung des produzierten Stroms in das Stromnetz. Demgegenüber produzieren die  erneuerbaren Energien den teuersten Strom, der selbst im Vergleich mit den  fossilen Energieträgern nicht wettbewerbsfähig ist. Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie ersetzt der Gesetzgeber also eine kostengünstigste Stromproduktion durch eine teure, was den Strompreis nach oben treibt.

Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie verfehlt die Regierung auch das Ziel einer umwelt- und klimafreundlichen Stromproduktion. Um die schwankende Stromproduktion aus Sonne und Wind auszugleichen, müssen fossile Kraftwerke, insbesondere Kohlekraftwerke, vorgehalten oder angeworfen werden, um Stromlücken auszugleichen. Der Atomausstieg führt also unmittelbar zu einem höheren CO2-Ausstoß, der den Einspareffekt der erneuerbaren Energien deutlich übersteigt. Es ist deshalb leicht zu erklären, warum der CO2-Ausstoß  in Deutschland trotz der gewaltigen Investitionen in die erneuerbaren Energien nicht gesunken ist.

Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass Investitionen in erneuerbare Energien  auch deshalb keinen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten, weil Deutschland am europäischen Emissionshandel teilnimmt. In diesem System legt die EU für den Ausstoß von Kohlendioxid Höchstgrenzen fest, die durch den Handel mit Zertifikaten abgesichert werden. Die Wirkung dieses Mechanismus besteht darin, dass der Ausbau von Erzeugeranlagen für erneuerbare Energien nur regional den Ausstoß von CO2  mindert, nicht aber auf europäischer Ebene.  „Wenn in Deutschland die Kraftwerke abgeschaltet werden, werden sie anderswo in Betrieb genommen, und zwar in einem Umfang, dass dort exakt so viel zusätzliches Kohlendioxid in die Luft geblasen wird, wie wir einsparen“, erklärt Hans-Werner Sinn dazu. Per Saldo ist deshalb der Beitrag der erneuerbaren Energien für den Klimaschutz gleich null.

McKinsey-Experten, die seit mehreren Jahren die Energiewende untersuchen, kamen Mitte September 2016 zu dem Ergebnis, dass sich die politischen Vorgaben in Bezug auf Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit mit der gegenwärtigen Politik nicht erreichen lassen. So haben sich die deutschen CO2-Emissionen auf 925 Megatonnen erhöht, „womit das für 2020 angepeilte Ziel von 750 Megatonnen in immer weitere Ferne rückt“, heißt es in der Studie der Expertengruppe.

Ausstieg aus der Kohleverstromung

Nachdem der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossene Sache ist, haben sich die  Klimaschützer vorgenommen, den  fossilen Energieträgern und insbesondere dem schmutzigen Kohlestrom den Garaus zu machen. Mit dem Klimaschutzplan 2050 verfolgt die Bundesregierung das Ziel „der weitgehenden Treibhausneutralität bis 2050“. Bis dahin soll die Stromerzeugung „nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien beruhen“. 

Der heutige Strommix in Deutschland besteht zu 14,1 Prozent aus Kernenergie und zu 55,9  Prozent aus fossiler Energie (Erdgas 8,8; Braunkohle 24,0; Steinkohle 18,2; Sonstige 4,9) sowie zu 30,0 Prozent aus erneuerbarer Energie (Windkraft 13,3; Biomasse 7,7; Photovoltaik 5,9; Wasserkraft 3,0).

Die Idee der Energiewende ist es, nach dem Atomstrom auch den Kohlestrom aus dem Markt zu nehmen und durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, sollten die flexiblen und sauberen Gaskraftwerke einspringen und für sicheren Strom sorgen. So sollte die Luft sauberer werden und Deutschland weiterhin als Vorreiter beim Klimaschutz glänzen können.

Tatsächlich hat sich diese Idee aber als falsch herausgestellt. Wenn es aus Gründen des Wetters oder der Tageszeit zuwenig Ökostrom gibt, springen nicht die emissionsarmen Gaskraftwerke ein, sondern Braun- und Steinkohlenwerke. Die Luft wird dadurch immer schmutziger und  Deutschland verfehlt seine selbstgesetzten und ehrgeizigen Ziele beim Klimaschutz.  

Der Grund für dieses „Energiewende-Paradox“ liegt in der Funktionsweise des Strommarktes:  Der jeweils aktuelle Strompreis legt fest, welches Kraftwerk Strom produziert. Kraftwerke sind aus betriebswirtschaftlichen gründen nur solange am Netz, wie der Strompreis ihre Betriebskosten deckt. Uran ist am billigsten, dann kommen Braun- und Steinkohle, am teuersten ist Erdgas. Dies erklärt, warum bei fallendem Strompreis die Gaskraftwerke häufig, die Kohlekraftwerke nur selten und Atomkraftwerke faktisch nie abgeschaltet werden.

Die Produzenten erneuerbaren Stroms sind diesem Regelmechanismus nicht unterworfen, weil sie zweifach privilegiert sind. Der gesetzliche Einspeisevorrang macht sie von der Stromnachfrage unabhängig. Außerdem erhalten sie für 20 Jahre eine gesetzlich garantierte Vergütung, selbst dann, wenn der Strom nicht geliefert oder gebraucht wird. Eingesammelt wird diese Vergütung  über die EEG-Umlage, mit der die Verbraucher in Höhe von fast 25 Milliarden Euro belastet werden.

Mit seiner privilegierten Stellung gefährdet der volatile Ökostrom die Funktionsfähigkeit des gesamten Strommarktes. Je nach Wetterlage und Tageszeit drängt der privilegierte Wind- und Sonnenstrom in die Netze und vertreibt dort den konventionellen Strom. An besonders windreichen Tagen und in den heißen Stunden des Tages deckt der Strom aus den erneuerbaren Energien nahezu die gesamte Stromnachfrage ab. Infolgedessen gehen die Einsatzzeiten der konventionellen Kraftwerke zurück. Gleichzeitig sinken die Börsenpreise wegen des zeitweiligen Überangebots. Selbst negative Preise sind möglich.

Betroffen sind davon in erster Linie die konventionellen Gaskraftwerke, weil sie die höchsten Betriebskosten aufweisen und deshalb als erste durch den Öko-Strom aus dem Markt verdrängt werden. Viele Erzeuger beabsichtigen deshalb, solche Kraftwerke stillzulegen, weil sie unrentabel geworden sind. Sie sind zu wenige Stunden am Netz, um ihre Kosten einzuspielen. Für konventionelle Stromerzeuger bietet der Strommarkt deshalb keinen Anreiz mehr, in Gas- oder Kohlekraftwerke zu investieren.

Für bestimmte Länder ist dies inzwischen zu einem politischen Problem geworden. So reagierte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, einst Fan der Solarindustrie, ungehalten auf die von Bundespolitikern erhobene Forderung nach einem raschen Ausstieg aus der Kohleverstromung. „Wir halten nicht aus Spaß an der Braunkohle fest, sondern um den ganzen Krempel der fluktuierenden Einspeisung überhaupt am laufen zu halten.“ Ohne grundlastfähige Großkraftwerke wäre die Chemieindustrie aus Bitterfeld  und Leuna doch „längst verschwunden“.

Gefahr für die Versorgungssicherheit

Nach Meinung der Bundesregierung ist die Energiewende eine Erfolgsgeschichte: "Die Energiewende in Deutschland ist kein fernes Zukunftsprojekt - sie ist erfolgreich und längst Gegenwart", schreibt das Bundeswirtschaftsministerium in einer jüngst veröffentlichten Broschüre zur Energiewende. Darin wird mit Stolz vermerkt, dass die erneuerbaren Energien mit einem Anteil am Stromverbrauch von 32 Prozent bereits jetzt der wichtigste Energieträger ist.

Wie es in Wirklichkeit mit der Energiewende steht, zeigt die Stromversorgung zu Beginn dieses Jahres. Im Januar fielen die deutschen Ökostromanlagen wochenlang als Energielieferanten fast vollständig aus. An manchen Tagen in dem Monat deckten Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke mehr als 90 Prozent des deutschen Strombedarfs. Ursächlich war eine sogenannte Dunkelflaute: Ein für diese Jahreszeit typisches Hochdruckgebiet sorgte für zehntägige Windstille und Nebel - während zugleich der Strombedarf in Deutschland stark anstieg, weil es ziemlich kalt war.

"Der Januar hat deutlich gezeigt: Wir brauchen weiterhin flexible konventionelle Kraftwerke, um die stark schwankende Stromeinspeisung aus Wind und Fotovoltaik jederzeit ausgleichen zu können", warnte Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). "Die Stromnachfrage muss bei jeder Wetterlage gedeckt und das Stromnetz stabil gehalten werden", sagte Kapferer in der Tageszeitung DIE WELT vom 6. Februar 2017. 

Erheblich verschärft wurde die Situation dadurch, dass viele konventionelle Kraftwerke vom Markt verschwinden. In den vergangenen fünf Jahren wurden insgesamt 82 Stromerzeuger mit einer Leistung von mehr als zwölf Gigawatt zur Stilllegung angemeldet, weil sich ihr Betrieb im Marktumfeld der Energiewende nicht mehr rechnet. "Aktuell führen die schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dazu, dass etliche konventionelle Kraftwerke zur Stilllegung angemeldet werden oder vom Netz gehen", fasste Kapferer die Lage zusammen. "Investitionen in den Kraftwerksneubau sind bereits zum Erliegen gekommen."

Die Architekten der Energiewende im Bundeswirtschaftsministerium sehen aber keinen Handlungsbedarf. Der zuständige Staatssekretär Rainer Baake erwartet, dass das Wegbrechen der konventionellen Kraftwerke zu steigenden Strompreisen führt. Und damit werde es bald wieder genug Anreize geben, in neue Kraftwerke zu investieren. Der Markt werde das Problem von allein lösen.

In der bereits zitierten Broschüre schreibt das Wirtschaftsministerium zu Versorgungssicherheit: "In Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, müssen wir trotzdem dafür sorgen, dass die Stromnachfrage jederzeit gedeckt und damit ein hohes Maß an Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Ein Herausforderung, die wir bisher gut gemeistert haben: Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland einen Spitzenplatz bei der Versorgungssicherheit ein." Wie die Versorgungsprobleme im Janunur 2017 wieder gezeigt haben, ist das Gegenteil der Fall.

Um die Sicherheit der deutschen Stromversorgung wurde auch während der Sondierungsgespräche zur Jamaika-Koalition heftig gestritten: Die Grünen forderten, Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von zehn Gigawatt kurzfristig stillzulegen. Das Gegenangebot der Union lag bei drei bis fünf Gigawatt - alles andere würde die Versorgungssicherheit gefährden. Der Vorschläg zur Güte kam schließlich aus dem Bundeskanzleramt: Sieben Gigawatt seien nach einem eiligst angefertigten Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums vertretbar. In dem Gutacheten wurde behauptet, dass "die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt, wenn eine angenommene Kapazität von 7 Gigawatt Kohlekraftwerken im Jahr 2020 stillgelegt würde".

In der Energiebranche wurde diese Aussage angezweifelt, weil sie auf fragwürdigen Annahmen beruhe. So seien die Kraftwerke der Fernwärmeversorgung mit ihrer vollen elektrischen Leistung berücksicht, obgleich sie im Winter ein Drittel ihrer Leistung verlören. Zudem unterstelle das Bundeswirtschaftsministerium bei den restlichen Kraftwerken eine Verfügbarkeit von 93 Prozent, obgleich sie wegen Revisionen und Pannen nur bei 80 bis 85 Prozent liege. Daniel Wetzel äußerte deshalb in der Tageszeitung DIE WELT vom 3. Dezember 2017 deutliche Zweifel an der Belastbarkeit der Regierungsaussagen zur Versorgungssicherheit: "Zieht die Bundesregierung wirklich sieben Gigawatt aus dem Verkehr, darf es im übrigen deutschen Kraftwerkspark keinerlei Pannen - und am besten auch keine Revisionen  - mehr geben. Eine wohl eher unrealistische Prämisse."

Energiepolitische Interventionsspirale

Die Energiewende ist mehr als der Ausstieg aus der Kernenergie und der Umstieg in die erneuerbaren Energien. Sie ist ein politisches Projekt, mit dem die gesamte Energiewirtschaft schrittweise in ein planwirtschaftliches System überführt werden soll. Es handelt sich um einen Prozess der Transformation, in dem die Zielstellung der Energiepolitik, die Rahmenbedingungen für die Energiewirtschaft und die Steuerung der energiewirtschaftlichen Prozesse grundlegend geändert werden.

Das oberste Ziel der Energiewende ist die Begrenzung der Erderwärmung auf  1,5 Grad, indem Energie eingespart und die Energiegewinnung auf erneuerbare Energien umgestellt wird. Diesem Klimaziel werden alle anderen Ziele untergeordnet, vor allem die sichere und kostengünstige Energieversorgung.  Wirtschaftswachstum wird nur noch toleriert, wenn es nicht mit der Ressourcenschonung kollidiert.

Um das Klimaziel zu erreichen, hat der Gesetzgeber den Energiemarkt inzwischen auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Auf dem Strommarkt sind die erneuerbaren Energien durch ein Einspeisungsrecht und garantierte Vergütungen für 20 Jahre gegenüber den konventionellen Energieträgern privilegiert. Mit dem Strommarktgesetz 2015 hat der Bund eine subventionierte Kapazitätsreserve geschaffen, die bei Engpässen auf dem Markt zum Einsatz kommen soll. Außerdem ist  mit einer Novelle zum EEG 2016 für zukünftige Ökoanlagen das Ausschreibungsmodell eingeführt worden. Damit hat die Bundesregierung für den Bereich der erneuerbaren Energien auch die Investitionsplanung übernommen. 

Die Energiewende erfordert darüber hinaus einen tiefgreifenden Umbau der Stromnetze, weil der Wind- und Sonnenstrom nicht dort anfällt, wo er gebraucht wird. Außerdem erfordert die Umstellung der Stromproduktion von den großen zu kleinen Anlagen den Ausbau dezentraler Netze, über die der Strom kleinteilig eingesammelt wird. Nach Angaben der Branchenverbände BDEW und VKU werden die geplanten neuen Stromautobahnen und der notwendige Ausbau der Regionalnetze die  Verbraucher in den nächsten Jahren bis zu 50 Milliarden Euro kosten.

Innerhalb der vom Verbraucher zu bezahlenden Netzentgelte ist der sogenannte „Redispatch“ inzwischen der stärkste Kostentreiber. Die Netzbetreiber müssen für die Sicherheit der Versorgung immer häufiger intervenieren, um das schwankende Aufkommen des Wind- und Sonnenstroms auszugleichen. Ersatzkraftwerke müssen bei Fehlmengen kurzfristig angemietet oder Windräder wegen Überlastung vorübergehend vom Netz genommen werden. Hierdurch werden Entschädigungen und Kosten ausgelöst. Nach Schätzungen der Bundesnetzagentur können solche Redispatch-Kosten schnell auf vier bis fünf Milliarden Euro jährlich steigen. Dazu kommen die Entschädigungszahlungen für Reservekraftwerke, die an dunklen und windstillen Tagen die Stromversorgung sichern sollen.

Die Energiewende befindet sich in einer Interventionsspirale, die sich immer schneller dreht, ohne dem Ziel näher zu kommen. Daniel Wetzel beschreibt den derzeitigen Zustand der Energiewende in DIE WELT vom 30. September 2016 folgendermaßen: „Der ökologische Umbau der Stromversorgung erweist sich vielmehr nun auch technisch als höchst anspruchsvolles Unterfangen. Die Energiewende ist auf einmal komplizierter geworden, unübersichtlich, widersprüchlich und verliert sich im Kleinklein der tausendfach nötigen Regulierungen – und macht deshalb plötzlich deutlich weniger Spaß!“ Staatliche Planung und Lenkung ist das unvermeidliche Merkmal der deutsche Energiewende. 

Die Alternative dazu ist die amerikanische Energiewende, die die Marktkräfte wirken lässt und prinzipiell keinen Energieträger vom Strom- und Energiemarkt ausschließt. Die Atomkraft ist in den USA fester Bestandteil des Energiemix: vier Kraftwerke werden derzeit gebaut, 18 weitere sind in Planung. Kohle ist weiterhin der wichtigste Energieträger. Aber die alternativen Energien haben in den letzten Jahren mächtig aufgeholt. Sie werden einmal mit Steuerfreibeträgen pro kWh (Product Tax Credit) gefördert und zum anderen durch die Verpflichtung der Energieerzeuger, eine bestimmte Menge Strom aus erneuerbaren Energien zu beziehen (Renewable Portfolio Standard). Ein Einspeiseprivileg und garantierte Vergütungen für 20 Jahre, wie sie das deutsche EEG kennt, gibt es in den USA nicht. Die erneuerbaren Energien stehen dadurch unter einem erheblichen Kostendruck und kommen nur zum Zuge, wenn sie wettbewerbsfähig sind. 

Der Wettbewerbsdruck gilt übrigens auch für die Kohle, die bei der Stromerzeugung zunehmend durch Erdgas ersetzt wird. In den USA werden zahlreiche Kohlekraftwerke stillgelegt, weil die Kohle zu teuer ist im Vergleich zu Gas, das durch Fracking gewonnen wird. Neue Kohlekraftwerke sind in den USA nicht geplant. Weil das Erdgas deutlich sauberer verbrennt, sind Amerikas CO2-Emissionen auch auf das niedrigste Niveau seit 25 Jahren gefallen. Der Markt in den USA löst damit ein Problem, an dem die deutschen Politiker bisher gescheitert sind.

Schwindende Akzeptanz

Die Energiewende verliert in der Bevölkerung zunehmend an Akzeptanz. An Lippenbekenntnissen mangelt es zwar nicht: Bei Umfragen erklären die Bundesbürger mehrheitlich immer noch ihre Unterstützung für die Energiewende. Wird es aber konkret, ist von dieser Begeisterung nicht mehr viel zu spüren. Ein Indiz dafür ist der deutliche Rückgang bei der Nachfrage nach Ökostromtarifen.

Die Verbraucherzentralen erklären das nachlassende Interesse an solchen Tarifen mit der steigenden EEG-Umlage, die auf den Stromrechnungen der Verbraucher immer gewichtiger wird. Für einen Durchschnittshaushalt sind laut Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) seit dem Atomausstieg 2011 zusätzliche Stromkosten in Höhe von 540 Euro angefallen sind. Davon entfallen allein 350 Euro auf die Förderung von Ökostrom.

Die schwindende Akzeptanz hat auch etwas mit dem rasanten Wachstum der Ökoanlagen zu tun. In deutschen Landen rotieren inzwischen 26.000 Windräder und bestimmen das Landschaftsbild. Weil die besten Standorte bereits belegt sind, werden auch zunehmend Wälder als Windkraftgebiete ausgewiesen. Nach aktuellen Zahlen waren Ende 2015 bereits 1.200 Windkraftanlagen in Wäldern in Betrieb, was Proteste auslöst.  „So haben sich in den Flächenländern schon mehr als 600 Bürgerinitiativen gegründet, um den Bau von Windparks zu verhindern. Waldschützer beklagen, dass schon mehr als 1.000 Drehflügler in Wälder hinein gebaut wurden, Vogelkundler beklagen das Verschwinden des bedrohten Rotmilans aus den Windkraftländern“, schreibt Daniel Wetzel.

Die Energiewende kennt aber auch Gewinner: Dazu zählen die Besitzer und  Betreiber eines Windrades, einer Solar- oder Biogasanlage. Ihnen geht es nicht um Klimaschutz, sondern um das ganz profane Ziel, wirtschaftliche Vorteile zu erlangen oder zu sichern. Zu den Profiteuren gehören auch die vielen Landwirte, Hausbesitzer, Handwerker, Investoren, Industrie, Lobbyisten usw., die an dem Topf von 25 Mrd. Euro beteiligt sind, der jährlich an die erneuerbaren Energien verteilt wird. Dieser Topf wird durch die EEG-Umlage gefüllt, die die Stromverbraucher für den Ökostrom zu zahlen haben.

Die unzähligen Profiteure der Energiewende  sind inzwischen so mächtig, dass sich kein Politiker mehr traut, an ihren Besitzständen zu rütteln. Angela Merkel hat das EEG-System zutreffend analysiert: „Sie können daran studieren wie es ist, wenn Mehrheiten zu Subventionsempfängern werden und damit nicht mehr bereit sind, die eigene Subvention abzuschaffen.“ Zu ergänzen ist, dass sie an verantwortlicher Stelle diesen unerfreulichen Zustandes mit herbeigeführt hat.

Ideologischer Klimaschutz

Bei der Energiewende handelt es sich schon längst nicht mehr um das Projekt einer rationalen Energiepolitik. Es ist vielmehr Teil einer Klimapolitik, die alle Merkmale einer regierungsamtlichen Ideologie aufweist.

Der von der Bundesumweltministerin  2016 vorgelegte Klimaschutzplan 2050 lässt daran keinen Zweifel mehr. Darin wird unmissverständlich gesagt, wohin die Reise gehen soll: "Die Energieerzeugung muss spätestens bis 2050 nahezu vollständig CO2-neutral erfolgen." Damit ist nicht nur die Elektrizität gemeint, sondern auch die Energie, die für industrielle Prozesse, für Wärme und Kälte in Wohnungen, für den Transport auf Straße und Schiene benötigt wird. Es gibt kaum einen Wirtschaftssektor, der durch diesen Plan nicht angesprochen wird.

Die FAZ (Ausgabe vom 30. Juni 2016) schrieb dazu: "Mit dem Klimaschutz auf den Lippen, aber der Diktatur des Ordnungsrechts im Gepäck kommt Umweltministerin Barbara Hendriks (SPD) daher: Öl- und Gasbrenner werden verboten, das Ausstreuen von Torf im heimischen Garten wird untersagt. Der Fleischkonsum soll halbiert werden, damit die Kühe in Deutschland weniger Methan abgeben. Der Exportweltmeister erwägt sogar, die Fleischausfuhr zu verbieten. Die Einfuhr von Holz könnte untersagt werden, wenn es nicht zertifiziert ist. Die Braunkohlekumpel sollen mit einem "Regionalfonds" darüber hinweggetröstet werden, dass ihre Arbeitsplätze baldmöglichst abgewickelt werden. Dass der Industrie geraten wird, CO2 in die Erde zu verpressen, obwohl die Politik genau dies verhindert hat, ist eine besondere Frechheit. Die Bürger sollten und werden sich diesen Weg in eine Klimadiktatur auf Dauer nicht gefallen lassen."

Wie illusionär solche Pläne sind, zeigt schon ein Blick auf den derzeitigen Anteil der Wind- und Sonnenenergie an der gesamten Energiebilanz: Gerade einmal 3,3 Prozent des Primärenergiebedarfs wird heute durch die Erneuerbaren gedeckt. Ein wesentlicher Grund dafür ist die fehlende Speicherfähigkeit und die Tages- und Wetterabhängigkeit des Öko-Stroms: „Berücksicht man den Energieverlust, der bei der Speicherung entsteht, und beachtet, dass Windkraftanlagen ohnehin nur 1500 von 8760 Stunden im Jahr (17 Prozent) Volllast bringen, zeigt sich, dass nur maximal 10 Prozent der Nennleistung einer Windkraftanlage tatsächlich dauerhaft nutzbar sind“, schreibt der Umweltökonom Joachim Weimann von der Universität Magdeburg. „Man kann leicht überschlagen, welche Kapazitäten für die Windstromerzeugung, die Speicherung und die Rückgewinnung des Stroms aus dem Speichermedium notwendig sind, um allein die Atomkraftwerke zu ersetzen, die wir demnächst stilllegen werden.“

Die ideologischen Grundlagen für den Klimaschutzplan der Bundesregierung liefert der von ihr installierte „Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderung (WBGU)“, dessen Auftrag es ist, geeignete Vorschläge zur Vermeidung einer Klimakatastrophe zu machen. Dem ist der Beirat mit seinem Hauptgutachten aus dem Jahr 2011 nachgekommen, in dem er eine „Große Transformation der Gesellschaft“ vorschlägt, die mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts vergleichbar sein soll. Alles in der Gesellschaft werde sich verändern müssen, „nicht nur Produktions- und Konsumgewohnheiten, sondern auch Anreizsysteme, Institutionen, normative Maximen und Wissenschaftsdisziplinen“. Diese Transformation müsste innerhalb der kommenden zwanzig Jahre stattfinden, weil die Klimaänderung nicht wartet. Sie ergäbe sich nicht von selbst, sondern erfordere bewusste Planung und den „gestaltenden Staat“. Notfalls müsste sie auch gegen demokratische Mehrheiten durchgesetzt werden.

In gleichem Sinn schreibt  Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD in der FAZ vom 26. Mai 2015: Beim Klimaschutz „geht es um viel mehr als die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien…. Es geht in der Klimapolitik darum, gesellschaftliche Strukturen neu zu denken und neue Geschäftsmodelle für die Wirtschaft zu entwickeln. Dazu braucht es Pioniere, die innovative Konzepte und Techniken nicht nur in Forschung und Entwicklung fördern, sondern erproben, weiterentwickeln und kosteneffizient machen. Deutschland ist entschlossen, dafür auch in Zukunft ein Wegbereiter zu sein.“

Diesen Pionier sieht die Bundesregierung in Hans Joachim Schellnhuber, Gründungsdirektor und Leiter des "Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung", das die Bundesregierung in Klimafragen berät. Schellnhuber sieht sich selbst in der Rolle des Weltenretters, der buchstäblich im letzten Moment das Ruder herumreißt und unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem vor dem Zusammenbruch bewahrt. Um dieser Rolle auch weiterhin gerecht zu werden, hat der von ihm geleitete WBGU-Beirat  2016 im Beisein von Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ein weiteres  Gutachten präsentierte, in dem bis 2050 die „vollständige Dekarbonisierung der G-20-Ökonomien“ erfolgen soll. Dafür müssen Autos mit Verbrennungsmotoren bereits von 2030 an nicht nur in der EU sondern auch in Amerika, Russland, China, Indien und Mexiko verboten sein.

Um die Rettung der Welt zu finanzieren, schlägt der Beirat einen „transformativen Staatsfonds“ vor, der sich aus dem Verkauf von Verschmutzungsrechten sowie aus der Besteuerung von Erbschaften und Vermögen speist. Denn mit Blick auf künftige Generationen sei es „ethisch geboten, Vermögen nicht allein privat an die eigenen Nachkommen zu transferieren, sondern sie zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft zu nutzen.“ Bis zu 20 Prozent des nationalen Erbschafts- und Schenkungsvolumens sollen in den Staatsfonds fließen. In Deutschland wären das 40 Milliarden Euro im Jahr – achtmal soviel, wie die Länder heute an Erbschaftssteuer einnehmen.

Mit solchen Vorschlägen bestätigt der Beirat erneut, dass Utopien und Ideologien die gleichen Wurzeln haben. 


 


 


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