Donald Trump und Angela Merkel
Angela Merkel hat dem Bundesvorstand der CDU in seiner Sitzung vom 20. November mitgeteilt, dass sie 2017 noch einmal als Kanzlerkandidatin antreten will. „Viele hätten wenig Verständnis, wenn ich jetzt den Dienst für Deutschland nicht mehr tun soll. In dieser Zeit habe ich gesagt, jetzt kannst du dich nicht vom Acker machen.“ Der Beifall der Vorstandsmitglieder war lang und laut. Dankesreden und Belobigungen der Spitzen der Partei folgten.
Auch über fehlendes Lob aus dem Ausland musste sich Angela Merkel nicht beklagen. Der scheidende US-Präsident Barack Obama rief der deutschen Öffentlichkeit zu: „Wenn ich Deutscher wäre und wählen dürfte, würde ich sie unterstützen.“ Und die „New York Times“ meinte nach der Wahl von Donald Trump, nun sei Angela Merkel „die letzte Verteidigerin des freien Westens“. Solche Stimmen aus dem demokratischen Lager zählen aber nur noch wenig, nachdem der amerikanische Wähler sich für eine andere Politik entschieden hat.
I
Für Angela Merkel stellt sich vielmehr die Frage, wie sie ihr Verhältnis zu dem gewählten Republikaner Donald Trump, dem nächsten Präsidenten der USA, gestalten will. Man weiß von ihm, dass er von ihrer Politik nicht viel hält, was sicherlich auf Gegenseitigkeit beruht. Nicht zu wünschen wäre, dass sich dadurch die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA verschlechtern, unserem wichtigsten Verbündeten in der westlichen Welt.
Es war schon nicht hilfreich, dem neuen amerikanischen Präsidenten öffentlich eine Lektion in Demokratie zu erteilen. "Die USA ist die älteste Demokratie der Welt, die meisten Länder der Welt haben ihre Verfassung bei den Amerikanern abgeschrieben. War es clever, wenn eine Jungdemokratin wie Frau Merkel ihm eine Lektion erteilt? Oder wenn der deutsche Außenminister ihn Hassprediger nennt", fragte der Deutsch-Amerikaner Martin Richenhagen, Vorstandschef von AGCO, einer der größten Traktorenhersteller der Welt. Und zur Kritik, die von Trump mit Regierungsämtern betrauten Manager seien fast alle politisch unerfahren, sagte er: "Wenn jemand Außenminister wird, der einen Laden wie den Ölkonzern Exxon über Jahre so erfolgreich führt, muss das nicht schlechter sein, als wenn das ein Taxifahrer wie Joschka Fischer macht."
Vergleicht man die Hausmacht des amerikanischen Präsidenten mit den politischen Möglichkeiten der deutschen Bundeskanzlerin, könnten die Unterschiede kaum größer sein. Während Donald Trump im Kongress über komfortable Mehrheiten verfügt, hat Angela Merkel deutlich an Gestaltungsmöglichkeiten und Einfluss verloren. Innerhalb der Europäischen Union spielt sie seit der Flüchtlingskrise keine entscheidende Rolle mehr. Und in Berlin hat sie Einfluss eingebüßt, weil die CDU bei nahezu allen Landtagswahlen herbe Verluste hinnehmen musste. Stellte die Union vor zehn Jahren noch 94 Landesminister, gibt es heute nur noch 48 Minister von der Union. Dadurch liegen ganze Politikfelder inzwischen brach und das inhaltliche und personelle Angebot der CDU ist besorgniserregend eng.
Auch in den politischen Grundüberzeugungen liegen der rechts-konservative Donald Trump und und die links-liberale Angela Merkel weit auseinander. Dies prägt auch die Einstellung zu konkreten Problemen: Zur Eindämmung der Einwanderung will Trump an der mexikanischen Grenze eine Mauer bauen, während die deutsche Bundeskanzlerin für offene Grenzen in Europa und eine Willkommenskultur plädiert. Trump steht der Obama´schen Gesundheitsreform (Obamacare) kritisch gegenüber, weil er staatlich organisierte Sozialpolitik ablehnt. Demgegenüber ist die von Angela Merkel geführte Bundesregierung intensiv damit beschäftigt, den deutschen Sozialstaat weiter auszubauen. Ob sich angesichts solcher bis ins Persönliche reichende Unterschiede eine vertrauensvolle Beziehung herausbilden kann, ist alles andere als selbstverständlich.
Für das links-liberale Lager in den USA und Europa, das auf Hillary Clinton als zukünftige Präsidentin gesetzt hat, war die Wahl von Donald Trump ein regelrechter Schock. Sie stellt darüber hinaus für die gesamte westliche Welt eine Zäsur dar, weil der Republikaner in wichtigen Politikfeldern Auffassungen vertritt, die dem politischen Mainstream fundamental widersprechen. Dies betrifft den Klimaschutz und die Energiepolitik ebenso wie die Globalisierung und Freihandelsabkommen, auch die internationale Rolle der USA und die Zukunft der NATO sowie das Verhältnis von Geld- und Fiskalpolitik. Auf all diesen Feldern wird Angela Merkel auf einen selbstbewussten Präsidenten der USA treffen. „Wir werden Amerikas Interessen an die erste Stelle setzen“, sagte er in seiner Siegesrede. Dann erst, versicherte er, wolle er jeden fair behandeln.
II
Erstmals wird es Angela Merkel auf höchster Ebene mit einem „Leugner des Klimawandels“ zu tun haben. Donald Trump ist ein scharfer Kritiker der von den UNO organisierten Klimaschutzpolitik: er bezweifelt, dass zwischen der zu beobachtende Erderwärmung und dem Ausstoß von Klimagasen durch Menschen ein kausaler Zusammenhang besteht. Folglich sei es sinnlos, fossile Energieträger durch teure regenerative Energien zu ersetzen. Dies schade der Volkswirtschaft und vernichte Arbeitsplätze in den westlichen Industrieländern. Trump versprach in seinem Wahlkampf, mit einer solchen Politik Schluss zu machen.
Angela Merkel sowie das linke Lager in den USA und in Europa haben dazu eine völlig andere Sicht der Dinge. Sie glauben fest daran, dass die Erderwärmung von Menschen verursacht wird und die Welt nur durch den Umstieg auf regenerative Energien gerettet werden kann. Mit dem von der Bundesregierung jüngst beschlossenen Klimaschutzplan 2050 hat Angela Merkel diesen Glauben noch einmal befestigt. In dieser Frage mit der zukünftigen amerikanischen Regierung zu einer gemeinsamen Linie zu kommen, ist nur schwer vorstellbar.
Donald Trump vertritt auch in Fragen der Globalisierung und der Zweckmäßigkeit von Freihandelsabkommen eine Position, die von der bisher geläufigen Meinung abweicht, wonach internationaler Handel nur Gewinner kennt. Auch die Europäische Union lässt sich bei den Verhandlungen um TTIP oder Ceta davon leiten, dass mit solchen Verträgen allgemeine Wohlstandgewinne verbunden sind.
Dass es in den westlichen Industrieländern auch Verlierer der Globalisierung gibt, weil Industriearbeitsplätze wegfallen oder die Löhne sinken, wird meistens nicht erwähnt. Ein wesentlicher Grund für den Wahlerfolg von Trump war, den Finger in diese Wunde der Globalisierung gelegt zu haben. Dies wird die Einstellung der amerikanischen Regierung zu den laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen entscheidend prägen.
Donald Trump hat auch angekündigt, dass die Lastenverteilung innerhalb der NATO neu geregelt werden soll. Nach seiner Meinung zahlen die USA zu viel und die Europäer zu wenig. Dies gilt insbesondere für Deutschland, das seinen Verteidigungshaushalt kräftig gekürzt hat und nur noch einen weit unterdurchschnittlichen Beitrag leistet.
Die Bundesregierung wird sich deshalb damit beschäftigen müssen, wie sie die Aufstockung des Wehretats bewerkstelligen will. Dazu gehören auch Koalitionsfragen, weil es in links-liberalen Kreisen nicht selbstverständlich ist, dass für die Friedenssicherung in unruhigen Zeiten schlagkräftige Streitkräfte erforderlich sind.
Donald Trump hat außerdem angekündigt, dass er die Steuern massiv senken und die Infrastrukturausgaben deutlich erhöhen will, um auf diesem Weg Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Schon dies wird der deutschen Bundesregierung nicht gefallen, weil sie dem Ausgleich ihres Haushalts Vorrang gibt und dieses Ziel durch Steuersenkungen und kreditfinanzierte Investitionen nicht gefährden will.
Trump geht es jedoch auch darum, das Verhältnis von Geld- und Fiskalpolitik auf eine neue Grundlage zu stellen. Die westlichen Industriestaaten haben sich nach der Finanzkrise 2008 darauf verständigt, dass den Zentralbanken die Aufgabe zufällt, mit einer Politik des leichten Geldes die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auszubügeln. Die Vorschläge von Trump sehen demgegenüber vor, die Wirtschaft mit den Mitteln der Fiskalpolitik anzukurbeln, um der amerikanischen Zentralbank die Möglichkeit zu geben, die Zinsen wieder anzuheben. Dies wäre ganz im Sinne der Sparer, die die eigentlichen Verlierer der Politik des leichten Geldes sind.
III
Die Wahl von Donald Trump hat das politische Establishment in den USA überrascht. Mehr als 160 führende Republikaner hatten sich öffentlich geweigert, ihn zu unterstützen. Von keiner der großen Zeitungen in den USA erhielt er Rückendeckung, während 57 Zeitungen für Hillary Clinton Partei ergriffen. Donald Trump hat seinen Erfolg dem Fernsehens und den sozialen Medien zu verdanken. Ihm ist es gelungen, vor allem die Wähler in den ländlichen und industriellen Regionen in der Mitte des Landes zu mobilisieren, die sich als Verlierer der Globalisierung und der Einwanderung sehen.
Die Wahl von Trump war jedoch auch eine Protestwahl gegen die etablierten links-liberalen Eliten im Osten und Westen der USA einschließlich Washington. Eine Revolte der Unzufriedenen hat Donald Trump zum Wahlsieg verholfen. „Make America great again“, war sein Motto, das gezogen hat.