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Der NATO-Russland-Pakt
18.02.2025 18:54 (30 x gelesen)

Der NATO-Russland-Pakt

Die Münchener Sicherheitskonferenz

Es war die Delegation aus den USA, die auf der „Münchener Sicherheitskonferenz (MSC)“ im Februar 2025 den Ton angab. Die Amerikaner waren mit mehr als 60 Ministern und Kongressabgeordneten (!) unter der Leitung des neuen amerikanischen Vizepräsidenten JD Vance angereist, um den Europäern auf dieser Konferenz die Leviten zu lesen: Vance machte den europäischen Politikern den Vorwurf, in ihren Ländern die Meinungsfreiheit zu unterdrücken, volksnahe Parteien von Regierungsämtern auszuschließen und dadurch die Demokratie zu gefährden.

Nicht China und Russland seien die Bedrohung, sondern Europa, das sich von den eigenen Werten entfernt habe und mit Zensur, Gerichtsurteilen und politischen Maßnahmen die demokratischen Werte zerstöre, sagte Vance. Man dürfe Menschen „nicht dazu verdonnern, etwas zu glauben“ oder auffordern, bestimmte soziale Medien zu verlassen. Die „deutsche Demokratie hat Greta Thunberg überlebt, sie wird auch Elon Musk überleben“, den Eigentümer der Plattform X (FAZ vom 15 Februar 2025).

JD Vance beließ es nicht bei dieser „Tirade“, sondern stellte außerdem den amerikanischen Schutz für die Sicherheit Europas infrage und forderte die europäischen Staaten auf, sich darum in Zukunft selbst zu sorgen. Hinsichtlich des Krieges in der Ukraine kündigte er an, dass Donald Trump mit dem russischen Staatsführer Wladimir Putin persönlich ohne europäische Beteiligung über einen Friedensschluss verhandeln werde. Bei dem gleichzeitig angesetzten NATO-Treffen in Brüssel teilte Trumps neuer Verteidigungsminister Pete Hegseth seinen europäischen Kollegen mit, wo Trump die Kernpunkte für einen solchen Frieden sieht: Die Ukraine verzichtet auf die Krim und den Donbas, und die NATO-Mitgliedschaft bleibt ihr verwehrt. An einer Friedens- oder Sicherheitstruppe für die Ukraine werden sich die USA nicht beteiligen, das sei dann Sache der Europäer.

Die europäischen Konferenzteilnehmer waren über diesen Auftritt entsetzt und forderten, an den Verhandlungen mit Russland beteiligt zu werden, wenn es um Krieg oder Frieden auf ihrem Kontinent geht. Botschafter Heusgen, der seinerzeit als Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel das Minsk-Abkommen zwischen Russland und der Ukraine mitverhandelt hatte, kritisierte die amerikanische Verhandlungsstrategie: „Ich bin überrascht, wie der größte Deal-Maker aller Zeiten gleich zwei Dinge daher gibt, ganz unnötig.“ (FAZ aaO.)

Gehört wurden die Europäer damit nicht. Die amerikanische Delegation war schon nach Riad in Saudi-Arabien weitergereist, um das Treffen zwischen Trump und Putin vorzubereiten.

Die Stimmung bei den deutschen Außenpolitikern nach dem Auftritt der amerikanischen Delegation brachte CDU-Außenexperte Norbert Röttgen zum Ausdruck: „Jetzt ist die Situation so, dass wir keine Wahl mehr haben. Wir haben immer noch gedacht, wir können ignorieren, wir können weglaufen. Wir sind jetzt selber am Abgrund.“

Die NATO-Russland-Grundakte

Der Grundlage für das „Ignorieren“ und „Weglaufen“, von dem Röttgen sprach, war die sog. NATO-Russland-Grundakte, die Russlands Staatspräsident Boris Jelzin und NATO-Generalsekretär Javier Solana am 27.5.1997 im Pariser Elysee-Palast unterzeichneten. Die Grundakte stellte den Versuch dar, einen Ausgleich zwischen den sicherheitspolitischen Interessen der NATO-Partner einerseits und denen Russlands andererseits herzustellen.

Die Grundsätze, auf die man sich geeinigt hatte, waren:
•    „Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander oder gegen irgendeinen anderen Staat, seine Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit“.
•    „Achtung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Unversehrtheit aller Staaten … sowie der Unverletzlichkeit von Grenzen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker“.
•    Die Schaffung eines NATO-Russland-Rates, um diese Ziele zu verwirklichen. In ihm sollten die Beteiligten in direkter Verbindung stehen und sich gegenseitig konsultieren.

Boris Jelzin sorgte nach der Unterzeichnung des Vertrages für eine Überraschung: „Ich habe soeben beschlossen“, so Jelzin, “alle Atomsprengköpfe abbauen zu lassen, die gegen Ihre Länder gerichtet sind.“

Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl sagte bei der Unterzeichnung des Vertrages: „Über Jahrzehnte war unser Kontinent geteilt. Heute einigen sich die Staaten des atlantischen Bündnisses und Russland auf eine Zusammenarbeit. Die, und es ist wahr, wenn ich das ausspreche, in der Geschichte ohne Beispiel ist“.

Der Vertrag wurde in einer Zeit geschlossen, als die NATO und Russland einander nicht als Gegner betrachteten. Fünf Jahre, bevor die Grundakte unterzeichnet wurde, war die „Sowjetunion“ endgültig auseinandergefallen, weil eine Republik nach der anderen die Unabhängigkeit erklärte. Das nun unabhängige Russland konnte sich zwar die Atomwaffen sichern, doch im Land herrschte Chaos, die Wirtschaft war zusammengebrochen, und der Zustand der russischen Armee war erbärmlich.    

Der Anlass für die Übereinkunft war, dass einige Staaten, die früher dem Warschauer Pakt angehört hatten, in die NATO drängten. Allerdings gab es in Moskau bereits damals Stimmen, die in der NATO-Russland-Grundakte ein Kapitulationsdokument sahen, das den strategischen Zielen des Landes komplett widersprach.

Mit Wladimir Putin kam dann der Umschwung: Die wirtschaftliche und politische Lage in Russland stabilisierte sich und jene Kräfte erhielten die Oberhand, die der imperialistischen Linie von Wladimir Putin folgten und die Beziehungen zur NATO auf den Stand vor 1997, d.h. vor der NATO-Russland-Grundakte, zurückversetzen wollten.

Als Georgien und die Ukraine Anfang 2008 in die NATO drängten, um sich vor dem immer aggressiver auftretenden Nachbarn Russland zu schützen, wurde ihnen der Beitritt zwar versprochen, einen Zeitrahmen gab es aber nicht. Obgleich die Amerikaner drängten, sorgten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident dafür, dass der Beitritt auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Die Folgen spürte Georgien nur wenige Wochen später, als russische Truppen bis kurz vor die Hauptstadt Tiflis vorstießen. 2014 wurden die Krim und große Teile des Ostens der Ukraine durch russische Truppen besetzt. Als die Ukraine sich wehrte, startete Putin am 24. Februar 2022 seinen Vernichtungsfeldzug gegen das ganze Land.

Mit diesen militärischen Aktionen verstößt Russland gegen das in der Grundakte garantierte Recht der Ukraine und Georgiens auf territoriale Unversehrtheit.  
 
Putins ultimative Forderungen

Donald Trump und Wladimir Putin wollen bei dem Gipfel in Riad nicht nur über den Frieden in der Ukraine, sondern auch über die Sicherheitslage in Europa, d.h. über die NATO-Russland-Grundakte, verhandeln.

Was Putin erreichen will, hat er schon Ende Januar 2025 verkündet: Es müsse bei den Verhandlungen darum gehen, „die Grundursachen des Konflikts“ in der Ukraine zu beseitigen. Dazu rechnet er alle Fragen, die mit der Sicherheit Russlands und des „europäischen Kontinents“ insgesamt verbunden sind und zu denen die russischen Forderungen schon seit Dezember 2021 auf dem Tisch liegen.

Im Dezember 2021 veröffentlichte das russische Außenministerium Entwürfe für Verträge mit den Vereinigten Staaten und der NATO, die „Sicherungsgarantien für Russland“ vorsehen. In den Texten werden zwar Frieden und Vertrauen beschworen, die Forderungen laufen aber darauf hinaus, das gesamte Europa der „Einflusssphäre von Russland“ zuzuschlagen.

Konkret fordert Putin:

•    Den Verzicht auf jede weitere NATO-Erweiterung.  
•    Das Verbot für Staaten, die vor dem 27 Mai 1997 – dem Abschluss der NATO-Russland-Grundakte – Mitglieder der NATO waren, ohne Zustimmung Russlands Truppen oder Ausrüstung in Staaten zu bringen, die erst danach Mitglieder wurden. Alle sechszehn seit 1999 der NATO beigetretenen Staaten Mittel-, Ost- und Nordeuropas stünden damit ohne militärischen Schutz der Partner dar.
•    Das Verbot für alle NATO-Staaten, „Manöver und andere militärische Aktivitäten oberhalb des Niveaus von Brigaden in einem Streifen vereinbarter Breite und Konfiguration“ entlang der russischen Grenze durchzuführen. Damit wäre den drei baltischen Staaten jede Bewegungsfreiheit genommen.
•    Den Abzug aller Truppen der USA einschließlich Ausrüstung aus Europa, sobald Moskau erklärt, ihre Anwesenheit als „Bedrohung seiner nationalen Sicherheit“ zu verstehen.
•    Die Verpflichtung Russlands und der USA, keine Nuklearwaffen im Ausland zu stationieren, solche Waffen zurückzuholen und entsprechende Infrastruktur abzubauen. Die USA müssten dann sämtliche Nuklearwaffen aus Europa zurückholen, Russland nur die nach Belarus verbrachten Nuklearwaffen. Diese Verpflichtung richtet sich gegen die „nukleare Teilhabe“ alle NATO-Mitglieder, ein Kernstück der Abschreckungspolitik der NATO.  

Viele sahen in diesen ultimativen Forderungen Russlands den Versuch, angesichts des damaligen Aufmarsches russischer Truppen an der Grenze der Ukraine neue Verhandlungen mit der Regierung in Washington zu erzwingen. Die Regierung des damaligen Präsidenten Joe Biden und die NATO erklärten sich zwar zum Dialog bereit, sagten aber auch, dass man nicht auf die Erweiterungen des Bündnisses oder auf Maßnahmen verzichten würde, um alle Verbündeten zu verteidigen. Daraufhin startete Putins am 24 Februar 2022 seinen Überfall auf die Ukraine. Ob er seine ultimativen Forderungen auch in Riad wieder auf den Tisch legt, bleibt abzuwarten.    

Der US-Deal-Maker

Was Putin bei den Verhandlungen in Riad erreichen will, ist öffentlich bekannt. Was Trump will, weiß niemand genau. Offensichtlich gefällt ihm die Rolle des „Friedenstifters“, der die Weltgeschäfte „auf kurzem Wege“ regeln kann. Dem diente auch das Telefongespräch, das Trump mit Putin führte, um ihm Friedensgespräche zum Krieg in der Ukraine vorzuschlagen.

Von den Zielen Trumps ist nur das bekannt, was sein Verteidigungsminister der Öffentlichkeit mitgeteilt hat:  Die Ukraine verliert die Krim und den Donbas, und die NATO-Mitgliedschaft bleibt ihr verwehrt. An einer Friedens- oder Sicherheitstruppe für die Ukraine werden sich die USA nicht beteiligen, das soll Sache der Europäer sein.

Schon im amerikanischen Wahlkampf hat Trump mit seinem Motto „Make America Great Again“ erfolgreich damit geworben, amerikanisches Geld künftig im eigenen Land statt in der Ukraine auszugeben. Wenn er jetzt seinen Verteidigungsminister sagen lässt, Europa müsse sich selbst um seine Sicherheit kümmern, ist das vielen seiner Wähler nur recht. Außerdem beweist die Bereitschaft der europäischen Regierungschefs in Paris zu einer solchen Friedens- und Sicherheitstruppe, dass der amerikanische Vorstoß ein Wirkungstreffer war.

Trump ist immer auch Geschäftsmann: In einem Interview sagte er laut FAZ vom 16. Feb. 2025, die Vereinigten Staaten verdienten eine Gegenleistung für die Ukraine-Hilfen. Konkret: Bodenschätze im Wert von 500 Milliarden Dollar. Kiew habe dieser Abmachung schon „im Wesentlichen zugestimmt“. Nach Trumps Telefonat mit Putin hat der ukrainische Präsident Selenskyj den bereits vorbereiteten Vertrag aber nicht unterzeichnet.  

Möglicherweise wird sich Selenskyj auch fragen, ob die bisherigen Leistungen der USA einen solchen Preis wert sind. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat zur Waffenunterstützung der Ukraine errechnet, dass die USA bis Ende 2024 insgesamt 64 Milliarden Euro an Waffen geliefert oder zugesagt haben. Demgegenüber belaufen sich die Waffenlieferungen aller europäischen Staaten bis Ende 2024 auf 62 Milliarden Euro. Wenn man die finanziellen und humanitären Hilfen hinzurechnet (Europa: 70 Milliarden Euro; USA 50 Milliarden Euro) haben die Europäer die Amerikaner sogar überholt.

Für Selenskyj beginnt mit den Verhandlungen zwischen den USA und Russland eine schwierige Gratwanderung. Er kann für sein Land, das sich seit drei Jahren nicht nur an der Front verteidigt, sondern dessen Städte tagtäglich aus Russland mit Raketen beschossen werden, kein Ergebnis akzeptieren, bei dem Russlands Forderung nach einer faktischen Aufgabe der ukrainischen Souveränität erfüllt wird. Andererseits kann er nach Kriegsende nicht auf die USA als Garantiemacht verzichten, weil Moskau die Europäer nicht ernst nimmt. „Ein Waffenstillstand ohne verlässliche Sicherheitsgarantien wird der Ukraine keinen dauerhaften und gerechten Frieden bringen“, sagte Selenskyj laut FAZ vom 16. Feb. 2025. „Ich betone, dass die Vereinigten Staaten eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung von Sicherheitsgarantien spielen sollten.“

Die wirksamste Sicherheitsgarantie für Selenskyj ist die Mitgliedschaft in der NATO. Wird der Ukraine diese verwehrt, wird Trump ihm eine vergleichbare Sicherheitsgarantie der USA geben müssen, damit die Ukraine ein souveränes Land bleiben kann. Ansonsten werden die Friedensverhandlungen scheitern.
 


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