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Reform- und Steuerpolitik : Roland Koch, Finger weg von der Schuldenbremse
17.01.2025 23:47 (14 x gelesen)

Roland Koch,Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

Finger weg von der Schuldenbremse


Kaum eine Diskussion kommt in diesen Tagen ohne eine Debatte über die Schuldenbremse aus. Viele Bürger glauben inzwischen, dass die Zukunftsprobleme aus Geiz (Stichwort „Schwarze Null“) entstanden sind und ohne massive Verschuldung für eine Reihe von Feldern – von Infrastruktur über Verteidigung, Klimawende, Strompreissubvention bis zur Bildung – keine wirkliche Zukunftshoffnung besteht. In zahlreichen Erhard-Kommentaren konnte ich mich in den vergangenen Jahren immer wieder mit diesen Themen beschäftigen.  

Es gibt keinen Zweifel: Unser Land steht vor großen Herausforderungen. Wir geraten an die Grenze unserer Leistungsfähigkeit und ganz offensichtlich wurden in den letzten Jahrzehnten auch bedeutsame Fehler gemacht. Dennoch bleibt es dabei, jede Generation muss ihre Lasten überwiegend selbst tragen und kann sie nicht auf die Kinder- und Enkelgenerationen verschieben. Genau das ist aber zwischen 1970 und 2010 in kaum zu verantwortender Weise geschehen und würde sich ohne Schuldenbremse fortsetzen.  

Jede Generation hat eine Verantwortung für ihre Zeit

Ein Land mit gut funktionierender Wirtschaft muss seinen Lebensunterhalt verdienen können. Wenn es dann noch Überschüsse gibt, mehrt das den „Wohlstand für Alle“. Ludwig Erhard hatte eine klare Position zum Thema Schulden, die er angesichts wachsender Schuldenberge in den 1970er Jahren mahnend in Erinnerung rief: „Gleich aber, ob es sich um Ausgaben oder Einnahmen des Staates handelt, ist und bleibt es besonders wichtig, dass alle Überlegungen über Herkunft und Verwendung der Mittel außer von der unmittelbaren Zwecksetzung nicht zuletzt auch von wirtschaftlicher Vernunft getragen sein müssen. (…) Das deutsche Volk hat in den zurückliegenden Jahren mannigfache Überlegungen hinsichtlich der Beziehungen zwischen finanzieller und wirtschaftlicher Ordnung anzustellen Gelegenheit gehabt. Das hat zugleich bewirkt, dass sich seine Vernunft und sein Urteilsvermögen immer mehr gefestigt haben. Jeder Versuch, im Zeichen vermeintlicher Wohlfahrt aus wohltätiger Gesinnung mehr Geld auszugeben, als dem Fiskus aus ordnungsgemäßen und vertretbaren Einnahmen zufließt, verstößt gegen gute und bewährte Grundsätze. Der sozialen Fürsorge ist in letzter Konsequenz auch nicht damit gedient, durch immer höhere Steuerbelastungen die Produktivität und die menschliche Arbeitsergiebigkeit zu schmälern oder auch durch fragwürdiges Finanzgebaren die Volkswirtschaft immer stärker zu verschulden, damit aber auch eine verstärkte Inflation anzufachen. Auch diese Schulden müssen einmal zurückgezahlt werden. Aber wiederum werden dann die Bürger begangene Fehler zu büßen haben und die Leidtragenden sein müssen.“ (Ludwig Erhard, Rede als Alterspräsident zur Eröffnung des 8. Deutschen Bundestages am 14. Dezember 1976)

Erhards Mahnung ist zeitlos: Der respektvolle Umgang mit den Steuergeldern der Bürger ist ein Gebot der Gerechtigkeit gegenüber künftigen Generationen. Wer ohne Rücksicht auf eine solide Haushaltsführung handelt, hinterlässt nicht nur hohe Schulden, sondern beschneidet auch die Gestaltungsmöglichkeiten in der Zukunft.

Die „Schwarze Null“ wird trotz Schuldenbremse auf sich warten lassen

Häufig wird die Schuldenbremse als Hauptursache für den Investitionsstau in Deutschland angeführt. Das greift zu kurz: In der Praxis zeigt sich beispielsweise, dass bereitgestellte Mittel nicht vollständig abgerufen werden. Das eigentliche Problem liegt weniger in der Schuldenregel selbst, sondern vielmehr in der Planung und mangelhaften Umsetzung öffentlicher Projekte. Bevor also Forderungen laut werden, die Schuldenbremse zu lockern oder gar abzuschaffen, sollte der Fokus darauf liegen, verfügbare finanzielle Mittel effizient und zielgerichtet einzusetzen. Das würde erheblich dazu beitragen, notwendige Zukunftsinvestitionen voranzubringen.

Schulden sind auch heute keineswegs ein absolutes Tabu. Für die Jahre 2024 und 2025 hatte die bisherige Bundesregierung immerhin eine Verschuldung von rund 100 Milliarden Euro eingeplant. Aber in einem 500 Milliarden umfassenden Bundeshaushalt, in dem im Jahr 2024 rund 121 Milliarden als Rentenzuschuss, 37 Milliarden als Zinsausgaben, 26,5 Milliarden als Zuschuss zum Bürgergeld und 14,5 Milliarden als Zuschuss zur Krankenversicherung aufgewandt wurden, ist der Druck steigender Konsumausgaben so groß, dass alle Parteien immer wieder der Versuchung erliegen, Investitionen durch die kommenden Generationen bezahlen zu lassen. Diese Politik macht die Schuldenbremse zu Recht unmöglich.

Sparen ist möglich

Ist das das Ende der Zukunft? Die klare Antwort lautet „Nein!“ In einem immer noch erfolgreichen Land können und müssen wir uns neue Spielräume erarbeiten. Eine Faustregel der deutschen Finanzpolitik besagt, dass ein Prozent reales Wirtschaftswachstum etwa sieben bis zehn Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen für die öffentlichen Haushalte bringt. Davon entfallen etwa 40 bis 50 Prozent, also drei bis fünf Milliarden Euro jährlich auf den Bund. Einen noch höheren Betrag jährlich könnte man durch eine behutsame Kürzung der Subventionen erzielen. Eine ebenfalls bereits in vorherigen Kommentaren beschriebene Reduzierung der Personalkosten des Bundes würde pro Prozent etwa 400 Millionen Euro erbringen. Aus vielfältigen Berechnungen der letzten Monate wissen wir, dass 20 Prozent weniger arbeitsfähige Bürgergeldempfänger den Bundeshaushalt um 5,6 Milliarden Euro pro Jahr entlasten würde. Der Bund könnte die Herausforderungen grundsätzlich selbst lösen.

Steuersenkungen sind möglich

Dies gilt ausdrücklich auch für die so wichtigen Steuersenkungen. In den Vorschlägen des CDU/CSU-Wahlprogramms werden zu Recht stufenweise Steuersenkungen vorgeschlagen. Ein Beispiel ist die große, von Helmut Kohl und Gerhard Stoltenberg initiierte Steuerreform, die zwischen 1986 und 1990 in drei Stufen umgesetzt wurde. Die erste Stufe (1986) führte zu Steuerentlastungen von etwa 11 Milliarden D-Mark. Die zweite Stufe (1988) erbrachte rund 14 Milliarden, die dritte Stufe (1990) führte schließlich zu einer weiteren Nettoentlastung von fast 21 Milliarden D-Mark – summa summarum also rund 46 Milliarden D-Mark in der Endstufe. Deutschland verschaffte sich damit die Voraussetzungen zum Kraftakt der Wiedervereinigung. Ein solch pragmatischer Weg steht auch heute offen.

Begründete Ausnahmen sind kein Tabu

In einem begründeten Ausnahmefall kann ein „Sondervermögen“ gebildet werden, wie das unmittelbar nach Putins Überfall auf die Ukraine schon einmal geschah. Das widerspricht der Schuldengrenze nicht. Bei der Kombination von Putins Kriegslust und Trumps Isolationismus kann es Gründe geben, hier noch einmal eine tatsächlich ungeplante und unmöglich verkraftbare Summe von einigen hundert Milliarden zu schultern. Das kann Deutschland leisten, wenn die Alternative die Bedrohung der Souveränität und Freiheit ist. Das gilt aber sicher nicht für Straßenbrücken, Schienenwege und fragwürdige Industriefinanzierungen.

Eine zweite weitere Diskussion wird uns begegnen. Die Bundesländer haben im Gegensatz zum Bund grundsätzlicher kein Recht zur Verschuldung bei normaler konjunktureller Lage. Sie haben es sich bei der Reform „abkaufen“ lassen, was sicher ein Fehler war. Jede Korrektur an dieser Stelle würde die Gesamtverschuldung erhöhen, viel Spielraum ist hier nicht. Will auch der Bund die geltenden Schuldenregeln verlassen, ist die Solidität Deutschlands Geschichte.

Ohne Stabilität in Deutschland gibt es keine Stabilität in Europa

Die Folgen wären gravierender als die meisten ahnen. Unsere Wirtschaftskraft beruht auf einem stabilen Euro. Diese Stabilität ist ohnehin immer in Gefahr. Wir sehen gerade, wie Frankreich taumelt, zuvor waren es Italien und Spanien. Griechenland konnte das europäische Gebäude bereits spürbar erschüttern. Deshalb gibt es seit dem Frühjahr 2024 erneuerte verbindliche Regeln für die Verschuldung der europäischen Staaten. Ein Verstoß Deutschlands gegen diese Regeln würde die Stabilität des Euros gefährden, da sowohl die Glaubwürdigkeit des Regelwerks als auch das Vertrauen der Märkte erheblich beeinträchtigt würden. Wir sind zwar die Profiteure, aber auch die wichtigsten Garanten für die Stabilität in Europa.


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