Klimawandel im Nebel
Der fast völlige Ausfall des Solar- und Windstroms Anfang November 2024 zeigt erneut, auf welch dünnem Eis die deutsche Energiewende fährt. Das ergibt sich auch aus einer Analyse des Deutschen Wetterdienstes (DWD), über die die Tageszeitung DIE WELT vom 23. Dez. 2024 berichtete. Danach sind „Phasen ohne Wind und Sonne praktisch jährlich zu erwarten und können weit länger andauern, als es in diesem Winter bislang der Fall war“. Die zunehmend vom Wetter abhängige Stromversorgung Deutschlands muss sich demnach auf noch größere Stromausfälle einstellen.
Was ist geschehen? Hochnebel und Windstille in Zentraleuropa hatten die Produktion von Wind- und Solarstrom in der ersten Novemberwoche 2024 fast vollständig zum Erliegen gebracht. Am Spotmarkt der Strombörse kletterte der Strompreis daraufhin auf 1000 Euro pro Megawattstunde, im Kurzfristhandel sogar auf 4000 Euro für eine Strommenge, die am Terminmarkt normalerweise nur 40 Euro kostet. Zeitweise musste rund ein Viertel des deutschen Strombedarfs importiert werden.
Eine Analyse dieses Vorgangs durch den Deutschen Wetterdienst führte zu dem Ergebnis, dass solche Dunkelflauten auf Grund von Hochwetterlagen seit 1950 praktisch in jedem Winterhalbjahr auftreten. Im Schnitt gebe es eine solche Wetterlage an 8,2 Tagen pro Winterhalbjahr, im Winterhalbjahr 2010/2011 gab es sie sogar an 23 Tagen. Auch eine Dauerflaute von sechs aufeinander folgenden Tagen sei „nicht ungewöhnlich“. In mehreren Jahren habe sie sogar neun oder zehn Tage gedauert.
Das deutsche Stromsystem müsse sich dementsprechend auf solche Zeiträume ohne Wind- und Solarstrom einrichten, mahnte der Deutsche Wetterdienst. Das Problem seit langem bekannt. Tatsächlich ist aber wenig geschehen.
Die Klimawandel-Lobby bagatellisiert diesen Vorwurf mit dem Argument, dass in den vergangenen zwei Jahren in privaten Haushalten rund zwei Millionen neue Solaranlagen mit Batteriespeichern installiert wurden. Außerdem gebe es auch immer mehr Großspeicher für den industriellen Bedarf. Sie verschweigt aber, dass diese Batterien hauptsächlich installiert wurden, um die Preisschwankungen zwischen dem Tages- und dem Nachtstrom zu nutzen. Für die Überbrückung einer Dunkelflaute reichen diese Speicherkapazitäten nicht einmal ansatzweise aus.
Das zeigen insbesondere Berechnungen des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) für Bayern, das wegen seiner hohen Zahl an Solar-Anlagen und der Stilllegung des Atomkraftwerks Isar 2 in besonderem Maße von Dunkelflauten betroffen ist. Laut Angaben der Zeitung DIE WELT haben die in Bayern installierten Batteriespeicher zusammen eine Leistung von 1,6 Gigawatt. „Sie weisen bislang aber nur eine Speicherkapazität von 2,5 Gigawattstunden (GWh) auf und stehen damit im Unterschied zu einem Kraftwerk nur für eine sehr kurze Zeit zur Deckung des Strombedarfs zur Verfügung“, heißt es beim Energieverband. „Bei einem angenommenen durchschnittlichen Tagesstrombedarf von etwa 215 GWh reicht die Batteriekapazität rein rechnerisch derzeit für etwa 17 Minuten.“
Noch mal die gleiche Zeit kommt durch die in Betrieb befindlichen Pumpspeicherkraftwerke in Bayern hinzu. Würden sich darüber hinaus alle in Bayern vorhandenen Elektroautos „an der Deckung des Strombedarfs beteiligen, wäre dies gedanklich für etwa eine Stunde möglich“, führt der Energieverband weiter aus. Auf Grund dieser Zeiten würden die vorhandenen Speicherkapazitäten also im Ergebnis nur wenig zur Überbrückung einer mehrtätigen Dunkelflaute beitragen können.
Um sich gegen einen wochenlangen Ausfall abzusichern, bleiben Deutschland somit nur zwei Optionen: Stromimporte und wetterunabhängige Kraftwerke.
Stromimporte sind wenig verlässlich: Die Dunkelflauten wie die vom November 2024 erfassen oft ganz Zentraleuropa, so dass in der Konsequenz eine überregionale Stromknappheit herrscht. Auch Frankreich ist kein zuverlässiger Lieferant, weil die 56 Kernkraftwerke meist für das eigene Land gebraucht werden. „Frankreich ist das wärmeempfindlichste Land Europas, schon kleine Temperaturschwankungen wirken sich wegen des großflächigen Einsatzes von Stromheizungen auf den Stromverbrauch aus“, sagte Fritz Vahrenholt, früherer Chef der Ökostromsparte der RWE. „1 Grad Celsius weniger und der Verbrauch in Frankreich steigt um 2400 Megawatt.“ In besonders kalten Wintern fällt Frankreich deshalb als Stromlieferant aus.
Der seit langem geplante Bau von wetterunabhängigen Reservekraftwerken kommt auch nicht voran, weil die Rahmenbedingungen für einen sogenannten Kapazitätsmarkt fehlen, ohne den solche Kraftwerke nicht rentabel sind. Nach den Analysen der Bundesnetzagentur braucht Deutschland kurzfristig rund 40 neue Gaskraftwerke der großen 500 Megawatt-Klasse, um das wetterempfindliche Stromsystem stabil zu halten. Laut WELT erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) inzwischen, dass ein Gesetz über finanzielle Anreize zum Kraftwerksbau durch den Bruch der Ampelkoalition keine Chance mehr habe.
Fritz Vahrenholt führt die Knappheit an Reservekapazitäten laut WELT auf eine verfehlte Energiepolitik zurück: „Die Ampelregierung und die vorherigen Merkel-Regierungen hatten 19 Kernkraftwerke (30 Prozent des deutschen Strombedarfs) stillgelegt. Allein am 1.4.2003 gingen 15 Kohlekraftwerke vom Netz.“ Und der Kohleausstieg geht im Januar 2025 mit der Abschaltung des RWE-Kraftwerks Weisweiler weiter, so Vahrenholt: „Ausgerechnet im Januar, wenn der Stromverbrauch in Deutschland am höchsten ist und Frankreich möglicherweise wenig liefern kann.“