ROLAND KOCH, VORSITZENDER DER LUDWIG-ERHARD-STIFTUNG
Subventionen – Hier muss der Staat sparen
Subventionen haben ihren Sinn, aber nur als Ausnahme und nicht als Regel. Dieser Grundsatz wird im Laufe der Zeit von Regierung und Parlament gern missachtet. Dennoch gehört das Thema Subventionskürzungen permanent auf die wirtschaftspolitische Tagesordnung. Auch jetzt ist die Zeit wieder reif.
Für die Politik ist es attraktiver, Subventionen zu verteilen, aber sehr unattraktiv, sie abzulehnen oder gar zu streichen. Mit Subventionen greift der Staat in vielfältiger Weise in das wirtschaftliche Geschehen ein. Das führt erfahrungsgemäß zu Fehlanreizen, Mitnahmeeffekten, Ineffizienzen. Die finanziellen Hilfen behindern den notwendigen Strukturwandel und verursachen einen erheblichen Verwaltungsaufwand. In besonders gravierenden Fällen wird Subventionierung zum Ärgernis, wie die offenbar verlorenen 620 Millionen Euro Subventionen für die Batteriefirma Northvolt gerade belegen.
Subventionsabbau statt neuer Schulden
Derzeit erleben wir, dass nach neuen Schulden für vermeintlich unabweisbare Investitionen gerufen wird. Ich finde allerdings, dass – neben den großen Blöcken der Sozialleistungen von Bürgergeld bis Rentenzuschüsse – insbesondere die Subventionen auf den Prüfstand gehören. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Subvention als Finanzhilfe oder als Steuervergünstigung gewährt wird. Umfang und Breite der Subventionen in Deutschland haben längst ein unverträgliches Ausmaß angenommen. Die Bundesregierung weist im 29. Subventionsbericht ein Gesamtvolumen an Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für das Jahr 2024 von veranschlagten 67,1 Milliarden Euro aus. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft kommt auf Grundlage eines sehr viel weiteren Subventionsbegriffs sogar auf ein Volumen von 362 Milliarden Euro für das Jahr 2023.
Bei den Haushaltsplanberatungen nach den kommenden Bundestagswahlen sollten daher Subventionen, die bundesrechtlich geregelt sind, einen wichtigen Beitrag zur Gewinnung neuer Freiräume für Investitionen leisten können. Hier muss unmittelbar durch Eingriffe in bundesrechtliche Regelungen gekürzt werden.
Koch-Steinbrück-Liste als Modell
Ziemlich genau vor 21 Jahren, im November 2003, hatte ich gemeinsam mit Peer Steinbrück, meinem damaligen Ministerpräsidenten-Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, die sogenannte „Koch-Steinbrück-Liste“ zum Subventionsabbau vorgelegt. Beamte der beiden Landesregierungen hatten einige Monate daran gearbeitet, einen sehr genauen Mechanismus zur Reduzierung der Subventionen zu erarbeiten. Das 157 Seiten starke Papier (https://www.steuerberater-center.de/media/Koch-Steinbrueck.pdf) wurde zur Grundlage einer sehr schnellen und effizienten Gesetzgebung.
Auch wenn ein Subventionsabbau von allen Seiten immer gefordert wird, zeigt sich zu oft, dass es dem organisierten Widerstand der betroffenen Gruppen und Verbände gelingt, ihre Vorteile zu Lasten der Allgemeinheit zu bewahren. Ein Subventionsabbau kommt nur zustande, wenn ein straffer Beratungsprozess zu schnellen Entscheidungen führt. Bei unseren Vorschlägen war uns damals aber auch klar, dass Unternehmen und Bürger aufgrund der Subventionsgewährung langfristige Investitions- und Dispositionsentscheidungen getroffen haben. Eine sofortige und vollständige Streichung hätte ihre Planungssicherheit zerstört und passive strukturelle Probleme verursachen können.
Beträchtliche Erfolge bei der Einsparung sind möglich
Deshalb schlugen wir vor, staatliche Hilfen von 2004 bis 2006 um jährlich vier Prozent zu kürzen. Insgesamt entsprach dieser Subventionsabbau einer Reduzierung um zwölf Prozent. Als Protagonisten von CDU und SPD konnten wir uns gemeinsam auf eine umfangreiche Liste von Streichungen einigen, wobei einige Zuwendungen auch unangetastet blieben.
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft zog 2011 in einem Gutachten dazu Bilanz: „Der Koch-Steinbrück-Plan vom Herbst 2003 hat die Subventionspolitik der Jahre 2004–2006, auf die er eigentlich abzielte, aber auch die Politik danach stark geprägt. Es wurden beträchtliche Erfolge bei dem Abbau der Steuervergünstigungen und der Finanzhilfen des Bundes erzielt. Der Kürzungsprozess verlief zwar zum Teil anders als vorgeschlagen, das angestrebte Kürzungsvolumen insgesamt wurde aber überschritten. Bei den Steuervergünstigungen wurde es nicht ganz erreicht, bei den Finanzhilfen wurde es deutlich übertroffen. Für das Jahr 2006 ergibt sich ein Kürzungsvolumen von 5,14 Mrd. Euro, für das Jahr 2008 resultiert ein Kürzungsvolumen von 5,86 Mrd. Euro.“ Über die Jahre hinweg summierten sich die Einsparungen auf über 20 Mrd. Euro.
Ein solcher Einstieg ist auch jetzt notwendig, um ein deutliches Signal zu setzen und einen großen Kreis staatlicher Hilfen zu erfassen. Diese Vorgehensweise kann aber nur ein erster Schritt sein, dem Weitere folgen müssen. Moderate, schrittweise Kürzungen staatlicher Hilfen und Vergünstigungen geben den Betroffenen Zeit, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Am Ende soll ein Teil der gegenwärtigen staatlichen Transfers und Vergünstigungen gänzlich entfallen.
Einsparpotential von 8,1 Milliarden pro Jahr ab 2025
Die Subventionsberichte der Bundesregierung und des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zeigen, dass unterschiedliche Subventionsbegriffe zu weit auseinander liegenden Ergebnissen führen. Es wäre wünschenswert, von einem einheitlichen Subventionsbegriff ausgehen zu können, aber das kostet zu viel Zeit. Nimmt man also die aktuellen Daten, so enthält der diesjährige Bundeshaushalt (ohne Sondervermögen!) 67,1 Mrd. Euro an staatlichen Unterstützungen, die sich in zwei Gruppen aufteilen: Steuervergünstigungen (18,4 Mrd. Euro) und Finanzhilfen (48,7 Mrd. Euro).
Würde man das Schema wie vor 21 Jahren erneut anwenden, könnten jährlich 8,1 Milliarden Euro eingespart werden: 3,5 Mrd. Euro durch weniger Steuervergünstigungen und 4,6 Mrd. Euro durch gekürzte Finanzhilfen. Schon zwischen 2024 und 2026 könnten die öffentlichen Haushalte so um insgesamt mehr als 12,2 Mrd. Euro entlastet werden. Ich betone, dass dies eine Schätzung in Anwendung früherer Erfahrungen ist, also keine exakte Berechnung. Dazu wäre eine intensive Arbeit der Experten nötig.
Diese Rechnung soll zeigen, dass die Beschäftigung mit den Subventionen nützlich und notwendig ist. Die Erträge sind ein Vielfaches der Summe, an der die aktuelle Regierungskoalition gescheitert ist. Die Methode wäre so schonend, dass wirtschaftliche und soziale Schäden dadurch sicher nicht entstehen. Eine neue Regierung müsste es einfach tun.