Roland Koch, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.
Der Staat wird zum bürokratischen Monstrum - Eine Herausforderung
Bei der vor uns liegenden Bundestagswahl wird es auch um die Rolle des Staates als stetig wachsendes Gebilde aus Personal, finanziellen Ressourcen und Regulierungen gehen. Man muss keine amerikanischen Verschwörungstheorien über den „Deep State“ unterstützen, um auch in Deutschland angesichts der Zahlen ein Problem zu erkennen.
Der Beamtenapparat wächst
In den 1970er-Jahren kam die alte Bundesrepublik noch mit 3,1 Millionen Staatsdienern aus. Diese Zahl ist bis heute deutlich gestiegen: Inzwischen sind wir bei 5,3 Millionen Beschäftigten angelangt. Allerdings hat auch die Teilzeitbeschäftigung zugenommen. Heute arbeiten etwas über 30 Prozent der Angestellten im öffentlichen Dienst in Teilzeit, 1991 waren es noch 16 Prozent.
Insgesamt sind aktuell knapp zwölf Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland im Staatsdienst. Den größten Zuwachs sehen wir dabei in der Bundesverwaltung.
Bernd Raffelhüschen hat in der Studie „Stellenmehrung und Stellenbremse“ für die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft die Zahlen erhoben: Zwischen 2013 und 2024 haben sich die jährlichen Personalausgaben der Bundesministerien nahezu verdoppelt. Besonders im Bundeskanzleramt wurde massiv aufgestockt: Dort wuchs die Zahl der Stellen um 271 Prozent (860 neue Arbeitsplätze).
Der massive Stellenzuwachs in den Bundesbehörden hat seit 2013 drei Milliarden Euro an Personalausgaben gekostet und zieht weitere Kosten nach sich: Bis zum Jahr 2030 werden 6,3 Milliarden Euro, bis 2040 11,6 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Ansprüche, die Beamte oder Angestellte nach dem Ende ihres aktiven Dienstverhältnisses haben, sind dabei noch nicht berücksichtigt.
Je mehr Personal in der Verwaltung beschäftigt wird, desto mehr Gesetze, Verordnungen und Kosten entstehen. Damit wird für uns alle nicht nur der Alltag zunehmend unnötig komplizierter, sondern auch die finanzielle Belastung des Bundeshaushalts (womit meist unmittelbar ein Anstieg der Steuern und Abgaben verbunden ist!).
Regeln im Überfluss
Im Jahr 2010 existierten auf Bundesebene rund 80.000 Gesetze und Verordnungen – mittlerweile sind es über 96.000. Dieser Anstieg von mehr als 20 Prozent führt in der Wirtschaft und öffentlichen Verwaltungen zu erheblich steigenden Bürokratielasten und entsprechendem Mehrbedarf an Geld und Personal. Inzwischen stehen wir vor einem Regulierungsinfarkt. Es haben weder die Verwaltungen einen Überblick über all die erlassenen Detailregelungen, noch können die Regulierten überschauen, welche Regeln insgesamt zu beachten sind. Trotz politischer Absichtserklärungen, die Regelungsdichte zu reduzieren, ist es bisher nicht gelungen, eine wirksame Bürokratiebremse zu implementieren. Beschlossene Maßnahmen – wie die Bürokratieentlastungsgesetze der letzten Jahre oder die Regel „One in, One out“ – haben keine nachhaltigen Fortschritte bewirkt.
Eine neue Regierung wird daran gemessen werden, ob sie willens und in der Lage ist, hier eine Trendumkehr zu bewirken. Weniger Personal, weniger Regeln und der verstärkte Einsatz moderner Technik lautet der Dreiklang, der hier eine Lösung bewirken kann. Nur so kann Bürokratie vereinfacht und die zunehmende Überregulierung gestoppt werden.
Weniger Personal, mehr Effizienz!
Ein Personalabbau stellt für eine neue Regierung eine besondere Herausforderung dar. Zwar erfordern politische Veränderungen oft einen Wechsel in den Führungspositionen, doch die dabei neu geschaffenen Stellen sollten in einem klaren, transparenten Programm innerhalb weniger Monate wieder abgebaut werden. Die Mitarbeiter, die bisher in diesen Leitungsbereichen tätig waren, müssen andere Aufgaben übernehmen.
In der Bundesverwaltung muss grundsätzlich jeder mögliche Weg zum Personalabbau genutzt werden. Dies gilt insbesondere für die höheren Besoldungsgruppen der Bundesministerien, die immer mehr angewachsen sind. Allein die Stellen im höheren Dienst (B-Besoldung) sind seit 2013 um 45 Prozent gestiegen. Diese zusätzlichen Stellen müssen abgebaut werden! In manchen Bereichen wird der Abbau deutlich höher ausfallen, während in anderen Bereichen, wie etwa in der Verteidigung und der inneren Sicherheit, der Personalbedarf steigen wird. Das Bundeskanzleramt, mit einem Anstieg von 271 Prozent an Stellen seit 2013, wird da vorangehen müssen.
Die Sacharbeit sollte in den jeweiligen Ministerien erledigt werden, ohne dass unnötige Doppelstrukturen entstehen. Durch einen vollständigen Einstellungsstopp, bei dem freiwerdende Stellen nicht neu besetzt werden, könnte der Personalbestand bis 2030 um 15,4 Prozent verringert werden. Bei einer abgeschwächten Variante, bei der nur jede zweite Stelle nicht wieder besetzt wird, läge der Rückgang bis 2030 bei 7,7 Prozent und bis 2040 bei 26,3 Prozent. Das muss machbar sein.
Die Last der Vorschriften
Die Reduzierung von Regeln wird jedoch auch Konflikte mit sich bringen. Jede Regel hat Menschen oder Gruppen, die von ihr profitieren und diese verteidigen. Einige Regelungsbereiche könnten komplett überdacht oder abgeschafft werden. Ein Beispiel ist das Lieferkettengesetz, das den Staat mit einer Aufgabe belastet, deren Folgen schwerwiegender sind als nötig. Ein weiteres Beispiel ist die Ausweitung der ESG-Vorgaben (Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien) auf Banken, wodurch eine Flut an zusätzlichen rechtlichen Vorgaben entsteht.
Auch bei europäischen Gesetzen müsste ein „Gold-Plating-Verbot" eingeführt werden, um zu verhindern, dass Länder wie Deutschland zusätzlich nationale Sondervorgaben schaffen. Es ist darüber hinaus notwendig, unnötige Baustandards, wie die genaue Zahl der Steckdosen oder die Ausrichtung von Balkonen, zu überdenken und Sozialleistungen sowie Wohngeld pauschal auszuzahlen, um den Verwaltungsaufwand zu verringern. Ein weiteres Beispiel sind Pläne, für die Einführung einer neuen Kindergrundsicherung tausende neue Staatsbedienstete einzustellen, was zusätzliche Bürokratie erzeugt. Sie sehen, Beispiele für eine unnötige Regulierungs- & Kostenflut gibt es zuhauf.
Digitalisierung endlich verwirklichen
Die verbleibenden staatlichen Aufgaben unterliegen der gleichen Herausforderung wie private Dienstleistungen. Sie müssen Jahr für Jahr mit weniger Personal und besserer Qualität erbracht werden. Auch wenn das ohne Wettbewerb schwer sein wird, muss das der Anspruch sein. Eine flächendeckende Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen würde eine spürbare Vereinfachung und effizientere Ausgestaltung von Prozessen und Verfahren ermöglichen. Auf Bundesebene gehört dazu der Durchsetzungswille eines Bundeskanzlers, ein eigenständiges Digitalministerium und eine zentrale Datenverarbeitung mit Zugang zu allen staatlichen Registern zu schaffen. Auf diesem Weg kann dann auch der Personalbedarf reduziert werden, sodass Nachwuchssorgen infolge des demografischen Wandels abgefedert werden. Für die Privatwirtschaft besteht ein zentraler Vorteil in einer Verringerung des Erfüllungsaufwands, beispielsweise im Rahmen von Planungs- und Genehmigungsverfahren, bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte oder den endlosen Berichts- und Dokumentationspflichten der verschiedenen Verwaltungen.
Wer vermeiden will, dass die Frustration der Bürger über einen ineffizienten und teuren Staat zu radikaler Ablehnung führt – wie wir das in den USA sehen können –, muss bereit und fähig sein, in kurzer Zeit eine Trendwende herbeizuführen. Das ist anstrengend, konfliktreich – aber nicht unmöglich.