Kann die CDU mit den Grünen koalieren?
Nach dem Bruch der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hat Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, am 16. Dezember 2024 im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Scheitert er damit erwartungsgemäß, ist der Weg für Neuwahlen frei.
Die Bundestagswahl soll dann am Sonntag, dem 23. Februar 2025, stattfinden.
Auf diesen Termin haben sich die SPD- und die Unionsfraktion im Bundestag geeinigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gab für den Zeitplan bereits grünes Licht.
Nach den derzeitigen Umfragen ist davon auszugehen, dass CDU/CSU aus dieser Wahl als Sieger hervorgehen und mit Friedrich Merz den Bundeskanzler stellen werden. Sicher ist aber auch, dass CDU/CSU für eine Mehrheit im Bundestag einen oder sogar zwei Koalitionspartner benötigen.
Da CDU/CSU eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen haben, kommen als Koalitionspartner nur die SPD und die Grünen in Frage, wenn die FDP oder das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an der 5 %-Klausel scheitern. Mit der SPD als Koalitionspartner würde Deutschland erneut von einer Großen Koalition regiert werden. Eine Koalition von CDU/CSU mit den Grünen auf Bundesebenen wäre demgegenüber Neuland, so dass sich die Frage stellt, ob es dafür eine gemeinsame Basis gibt.
Die Grünen haben sich auf ihrem Parteitag vom 15. - 17. November 2024 in Wiesbaden bereits für den Regierungswechsel positioniert und wollen erkennbar mit ihrem Frontmann Robert Habeck an der Spitze mit der CDU koalieren. Die Frage ist, ob die CDU/CSU sich darauf einlassen sollte.
Erfolge der Grünen
Die grüne Bewegung entstand in den 1970er-Jahren mit den Themen Umwelt, Frieden und Frauenrechte. Wie die Studentenbewegung veranstalteten sie Demonstrationen, Blockaden und Hausbesetzungen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Im Unterschied zu den Studenten konnten sie aber einen weitaus größeren Teil der deutschen Bevölkerung mobilisieren. Bekannt wurden sie vor allem durch ihre Demonstrationen gegen Atomkraftwerke.
Gleichzeitig mit solchen grünen Initiativen bildeten sich „alternative Bewegungen“, die der modernen Industriegesellschaft skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden. Ihre Kritik richtete sich gegen die allgemeinen Produktionsverhältnisse, womit die großen Unternehmen und Organisationen gemeint waren, die den Einzelnen angeblich manipulieren und die natürlichen Lebensgrundlagen zerstören. Diese Bewegung erhielt starken Aufwind von dem im Jahr 1972 veröffentlichten Bericht des „Club of Rome“, der unter dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht wurde und weltweit für Aufsehen sorgte. Die Politik gegen den Klimawandel und die Umweltzerstörung wurden dadurch entscheidend beeinflusst.
Im Jahr 1983 gelang den Grünen mit den programmatischen Grundsätzen „ökologisch-sozial-basisdemokratisch-gewaltfrei“ der Einzug in den Bundestag. Neu an den grünen Abgeordneten waren nicht nur die Vollbärte und Strickpullover, neu war vor allem der Politikstil: provokativ und schonungslos offen und kritisch - auch untereinander.
Nach der Abwahl von Helmut Kohl im Jahr 1998 stellten SPD und Grüne dann die neue Bundesregierung, die unser Land tiefgreifend veränderte: Umweltminister Jürgen Trittin boxte den Atomausstieg durch und stellte mit dem „Regenerative-Energien-Gesetz“ das gesamte Energiesystem auf eine neue Grundlage. Ziel dieses Gesetzes ist es, die fossilen Energieträger komplett durch regenerative Energien zu ersetzen. Begründet wird die Notwendigkeit einer solchen Umstellung mit dem naturwissenschaftlichen Phänomen des sog. „Treibhauseffektes“, der die zunehmende Erderwärmung mit dem Ausstoß von CO2 durch fossile Energieträger erklärt.
Die Grünen haben gezeigt, dass sie mit ihrem Programm die Wähler, insbesondere junge weibliche Wähler, mobilisieren können. Der Partei gelingt es zudem seit Jahren, die anderen Parteien und die jeweilige Bundesregierung mit ihren klimapolitischen Forderungen vor sich herzutreiben. Mittlerweise haben sie es sogar erreicht, dass sich bedeutende Politiker aus dem bürgerlichen Lager als engagierte Klimapolitiker in Szene setzen und dirigistische staatliche Eingriffe befürworten.
Selbstverständnis der Grünen
Die Grünen verstehen sich als eine postindustrielle Partei, die den modernen Zeitgeist verkörpert. Tatsächlich gehören sie inzwischen – auch dank der medialen Öffentlichkeit – mit ihrem kosmopolitisch-städtischen Lebensstil, mit ihren Vorstellungen von einer multikulturellen Gesellschaft und ihrem Öko-Label zur tonangebenden Bevölkerungsgruppe in der Gesellschaft.
Den zentralen Markenkern der Grünen bildet eine wohlklingende ökologische Ideologie, verbunden mit einem hohen moralischen Anspruch, einem unerschütterlichen Machbarkeitsglauben und der Neigung zum allumfassenden Staatsdirigismus. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass das Denken und Handeln der Grünen in vielen Teilen mit demokratisch/rechtsstaatlichen Prinzipien und einer marktwirtschaftlichen Ordnung in Widerspruch stehen.
Die Grünen sehen sich selbst als die „moralischte aller Parteien in Deutschland“ – so Boris Palmer, Oberbürgermeister in Tübingen. Ihnen dient vor allem die Klimakrise dazu, die Welt in „gute“ und „schlechte“ Menschen einzuteilen. Nach ihrem Verständnis wird das Weltklima destabilisiert, weil rücksichtslose Menschen das Klima absichtlich gefährden, um ihre egoistischen Pläne durchzusetzen. Sich selbst rechnen die Grünen zu den guten Menschen, weil sie mit der Absicht angetreten sind, eine Klimakatastrophe zu verhindern.
Aus dem angeblich erforderlichen Schutz des Klimas und der Rettung der Erde leiten die Grünen auch die Legitimation für ihre Politik und das Handeln des Staates ab. Ihr politischer Auftraggeber ist also nicht der mündige Staatsbürger, wie es in Demokratien der Fall ist. Die Grünen sehen sich vielmehr unabhängig vom Votum der Wähler einzig dem Klimaschutz verpflichtet.
Politik der Grünen
Die zurückliegenden Wahlen haben gezeigt, dass das Thema Klimawandel die Wähler, insbesondere junge weibliche Wähler, mobilisieren kann und den Grünen beachtliche Erfolge beschert. Die Grünen haben inzwischen in vielen politischen Fragen - der Klima- und Energiepolitik, der Wirtschafts- und Verkehrspolitik und in der Gesellschafts- und Kulturpolitik - die politische Deutungshoheit erlangt und geben die politische Richtung in Deutschland vor.
Bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen setzen die Grünen in erster Linie auf den Staatsdirigismus. Die Verbots- und Ausstiegsliste der Grünen ist lang: Sie sind für einen konsequenten Atomausstieg; sie sind aber auch für den Ausstieg aus der Kohle und allen fossilen Energieträgern. Sie sind gegen die Dieseltechnik und Verbrennungsmotoren, gegen SUVs, gegen freie Fahrt auf deutschen Autobahnen und generell gegen die Automobilindustrie, gegen die Energiewirtschaft (wenn nicht erneuerbar), gegen den Luftverkehr, Flughäfen mit ihren Start- und Landebahnen, gegen Einfamilienhäuser; sie sind im Grunde gegen Wirtschaftswachstum und plädieren lieber für Verzicht. Die Grünen sind somit in der Tat eine „postindustrielle“ Partei.
Dem Staatsoptimismus auf der einen Seite steht auf der anderen Seite eine tiefe Marktskepsis gegenüber, die vor allem von den grünen Fundis kultiviert wird. Im Wahlprogramm der Grünen zur Bundestagswahl 2021 werden der Erfolg und die Errungenschaften die Sozialen Marktwirtschaft kategorisch als Profitstreben abgewertet. Gleichzeitig wird das Zerrbild einer ungleichen und ungerechten Gesellschaft in Deutschland gezeichnet. Die Soziale Marktwirtschaft soll nach den Vorstellungen der Grünen zu eine sozial-ökologischen Marktwirtschaft unter dem alleinigen Leitgedanken des „klimagerechten Wohlstands“ umgedeutet werden, was nur mit einer grundlegend veränderten Gesellschaft möglich wäre.
Und natürlich sind den Grünen alle Mittel recht und billig, um ihre klimapolitischen Ziele durchzusetzen – Schulstreiks, Verkehrsblockaden und Verstöße gegen die öffentliche Ordnung. Hier offenbart sich die autoritäre Haltung der Grünen, die mit demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar ist. Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier warnte deshalb: „Eine solche Haltung ist (…) von einem hohen Maß an Arroganz und Selbstüberschätzung gekennzeichnet; Menschen verkennen schnell, dass ihre eigenen subjektiven Moralvorstellungen kein Allgemeingut sind. In der rechtstaatlichen Demokratie ist es der durch Volkswahlen legitimierte Gesetzgeber, der den Auftrag zur Bestimmung und zur Konkretisierung dessen hat, was das Wohl des Gemeinwesens ist und was der Allgemeinheit am meisten nützt.“
Fazit: Mit einer solchen Partei sollten CDU/CSU nicht koalieren!