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Wirtschaftspolitik : Industrie-Ikonen in der Krise
09.09.2024 22:49 (160 x gelesen)

Industrie-Ikonen in der Krise

Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands beruht nicht zuletzt auf seiner starken und vielseitigen Industrie. Damit wird nach wie vor jeder fünfte Euro erwirtschaftet. Ob das so bleibt, ist mehr als ungewiss: denn in vielen Industriebetrieben kriselt es gewaltig.  

Industrie-Ikonen wie Thyssenkrupp, BASF und VW sind dafür prominente Beispiele: die Aufträge gehen zurück, die Produktionsstätten sind nicht mehr ausgelastet, Investitionen werden verschoben, und die Gewinne sinken. Gleichzeitig steigt die Angst der dort Beschäftigten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Das deutsche Geschäftsmodell ist also in Gefahr. Nichts verdeutlicht das so sehr wie die Krisen bei Thyssenkrupp, BASF und VW. Die Fälle gleichen sich und zeigen exemplarisch die Schwächen des deutschen Industriestandorts:

  • Die von der Politik erzwungene Transformation der industriellen Produktion hin zur Klimaneutralität verursacht hohe Kosten (durch den Emissionshandel oder durch Investitionen), die in den Preisen der Produkte nicht weitergegeben werden können.
  • Politisch gesteuerte Interventionen, zum Beispiel die Streichung der Kaufprämie für Elektroautos, nehmen den Unternehmen die Planungssicherheit und beeinträchtigen ihre Investitionsbereitschaft.
  • Allgemeine Standortnachteile, wie hohe Energiepreise, schlechte Infrastruktur, hohe Steuern und Überregulierung, verschlechtern die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Es ist dieses Bündel an Ursachen, das am Fundament der deutschen Industrie nagt und Hundertausende Arbeitsplätze gefährdet. Die jüngsten Ereignisse bei Thyssenkrupp, BASF und VW sind dafür warnende Beispiele:

Beispiel Thyssenkrupp Steel

Die Thyssenkrupp Steel Europe AG (TKSE), Deutschlands größter Stahlhersteller, soll nach den Vorstellungen von Wirtschaftsminister Robert Habeck ein Vorzeigeprojekt für die Transformation zur klimaneutralen Stahlindustrie werden. Statt auf der traditionellen Hochofenroute mit Koks soll das Unternehmen künftig grünen Stahl mit einer wasserstoffbasierten Direktreduktionsanlage produzieren. Bund und das Land Nordrhein-Westphalen wollen dieses Projekt mit zwei Milliarden Euro fördern.

Die Umstellung ist wirtschaftlich geboten, weil Thyssenkrupp Steel 2,5 Prozent des deutschen CO2-Ausstoßes verursacht, und eine Tonne CO2 im Rahmen des Europäischen Emissionshandels inzwischen 70 Euro kostet. Die Umstellung der Produktion ist deshalb für das Unternehmen eine Überlebensfrage. Doch mit den zwei Milliarden Euro, die der Bund und das Land zuschießen, ist die Sache nicht erledigt: Thyssenkrupp Steel betreibt drei weiteren Hochöfen, für die es noch keine grüne Perspektive gibt. Sicher ist nur, dass die Emissionen durch den CO2-Handel immer teurer werden. Ungeklärt ist darüber hinaus, woher der Strom kommen soll, den man zur Herstellung von grünem Strom braucht.

Aus eigener Kraft wird die Stahlsparte von Thyssenkrupp die Umstellung der Produktion nicht bewerkstelligen können. Denn die Branche steht unter erheblichen Druck: Die weltweiten Überkapazitäten, die chinesische Konkurrenz und die schwache Nachfrage der Automobilindustrie drücken auf den Absatz und die Preise. Laut Auskunft von Miguel Lópes, dem Chef der Muttergesellschaft Thyssenkrupp, sind „in den vergangenen fünf Jahren über 3 Milliarden an Cashflow aus dem Stahlbereich abgeflossen“. Finanziell überlebt hat die Stahlsparte nur, weil die Aufzugsparte vor vier Jahren für 17,2 Milliarden Euro verkauft werden konnte. Der größte Teil des Geldes wurde jedoch bereits ausgegeben, ohne dass damit die dringenden Sanierungsprobleme gelöst werden konnten.

Miguel Lópes setzte dem Vorstand von der Thyssenkrupp Steel daraufhin ein Ultimatum, die nicht mehr wettbewerbsfähigen Produktionskapazitäten abzubauen und sich auf Produktlinien zu konzentrieren, die eine Zukunft haben. Als sich Teile des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Stahltochter dem widersetzten, eskalierte der seit längerer Zeit schwelende Streit über die Zukunft der Stahlsparte. Als Ergebnis traten sieben Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats der Stahltochter zurück.

Das sind bittere Aussichten für die Arbeitnehmer, die sich mit Hilfe ihrer Gewerkschaft gegen die Pläne des Mutterkonzerns heftig zur Wehr setzen. Denn es ist zu erwarten, dass sich Miguel Lópes mit seinen Plänen zur Sanierung der Stahlsparte TKSE durchsetzen wird. Die mit der klimaneutralen Produktion verbundenen Probleme sind damit aber noch nicht gelöst.   

Beispiel BASF

Einen vergleichbaren Kraftakt hat der Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen und Duisburg zu stemmen. Noch betreibt der Konzern in Ludwigshafen drei konventionelle Kraftwerke, die es in Zukunft jedoch nicht mehr geben wird. Um klimaneutral zu werden, benötigt die BASF für die Produktion künftig grünen Strom. Aus diesem Grund investiert die BASF erhebliche Summen in den Bau von Windparks in der Nordsee, um die Produktion aufrechterhalten können. Der Vorstand schätzt, dass sich der Strombedarf bis 2030 verdoppeln bis verdreifachen wird. Dieser Umbau der Produktion und der Aufbau einer künftigen Batteriechemikalien-Produktion kosten Milliarden, die erst mal keine Rendite bringen.

Dazu kommen die Verluste, die im Russlandgeschäft entstanden sind. Der russische Staat hat Milliardenwerte der ehemaligen Tochtergesellschaft Wintershall einkassiert, die bei der BASF zu Abschreibungen in Höhe von sieben Milliarden Euro geführt haben. Außerdem gibt es sichtbare Risiken auf dem für die BASF wichtigsten Wachstumsmarkt der Batteriechemikalien: Weil weniger E-Autos gekauft werden, muss auch dieses Projekt bei BASF neu überdacht werden.

Auch in Ludwigshafen sind viele Anlagen nicht ausgelastet, weil die Kosten für Gas und Energie so hoch sind, dass sich manche Produktion nicht mehr rechnet. Schon jetzt verdient der Standort kein Geld. Das Jahr 2023 schloss sogar mit einem Verlust ab. Aus diesem Grund hat der Vorstand zwei Sparprogramme aufgelegt, Stellen gestrichen und kleinere Teile der Produktion geschlossen. „Die alten Zeiten kommen nicht wieder“, sagte der scheidende Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller bei der Vorstellung der Sparmaßnahmen.  

Der Vorstand der BASF setzt in dieser Lage weiterhin auf das China-Geschäft. In Südchina baut der Konzern einen neuen Standort für 10 Milliarden Euro - die größte Investition seiner Unternehmensgeschichte. Eine Abhängigkeit von China befürchtet der Vorstand nicht. BASF müsse als Weltmarktführer auch auf dem mit Abstand größten Chemikalienmarkt die Geschäfte ausbauen. „Wo soll das Volumen herkommen, um die Transformation in Deutschland zu bezahlen, wenn nicht aus China?“, sagte Brudermüller im März bei seinem Abschied. Aber auch in China wachsen inzwischen Überkapazitäten.

Beispiel VW

Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden. Bis dahin muss die Industrie Produktion und Produkte radikal umgestellt haben. Die Europäische Union (EU) hat darüber hinaus ein Verbrenner-Verbot beschlossen, wonach Verbrenner-Autos nur noch bis 2035 produziert werden dürfen. Damit setzt die EU die Autobranche unter erheblichen Druck.

Denn die Kunden nehmen die elektrischen Modelle aus nachvollziehbaren Gründen (hohe Preise, niedrige Reichweite) nicht wie erhofft an. Darüber werden in vielen Regionen der Welt noch lange Autos mit Diesel- und Benzinantrieb dominieren, weil schon die notwendige Ladeinfrastruktur fehlt.  

Auf Grund der Entscheidung der EU zum Verbrenner-Verbot befindet sich der Volkswagen-Konzern schon heute in einer äußerst prekären Lage. Der Konzern hatte sich in voreilendem Gehorsam schon früh entschieden, auf die Produktion von Elektroautos zu setzen, um sich als Vorreiter für saubere Mobilität zu positionieren.

Doch die eilig entwickelten Modelle kommen bei den potentiellen Käufern nicht an. Der Gewinn der Marke VW ist eingebrochen. In Deutschland verdient das Unternehmen mit der Produktion von Autos kein Geld mehr, ließen die Manager durchblicken. VW benötigt aber viel Geld, um die Transformation zum autonomen und elektrischen Fahren zu bewältigen. Dafür reicht die derzeitige Rendite jedoch nicht mehr aus.    

Zudem wurde VW negativ überrascht, als die Ampelregierung Ende 2023 die Kaufprämie für Elektroautos kurzerhand aufgrund von Haushaltsnöten strich. Dass nun auch noch das Verbrenner-Aus in der EU für 2035 wieder infrage gestellt wird, verstärkt nur noch die Planungsunsicherheit.   

Die Folgen dieser Entscheidungen zeigen sich schon jetzt in den VW-Standorten Zwickau, Emden oder Hannover, die alle nur noch schwach ausgelastet sind. Das Stammwerk in Wolfsburg, ausgelegt auf eine Produktion von mehr als 800.000 Autos, läuft nur mit halber Kraft. Als die Konzernleitung die Möglichkeit von Werkschließungen und Entlassungen ankündigte, war der Konflikt mit den Mitarbeitern, der Gewerkschaft IG Metall und der Politik (Niedersachsen besitzt 20 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien an VW) unvermeidlich.

Hinzu kommen die Probleme auf dem chinesischen Markt: Lange wurden die hiesigen Probleme durch die Erfolge in China überdeckt, wo sich VW über Jahrzehnte zum Marktführer entwickelt hatte. Doch der harte Wettbewerb mit den chinesischen Autobauern bei der Elektromobilität hat alles verändert. Der Absatz und der Gewinn von VW in China sinken. Es komme „kein Scheck mehr aus China“, sagte VW-Chef Oliver Blume auf einer Betriebsversammlung. Und das ist nicht alles: die Chinesen kommen jetzt auch mit ihren billigen E-Autos nach Europa. Ihr Vorteil ist die Kostenführerschaft, die VW nie gehabt hat.   

Die Politik überschlägt sich nun mit Vorschlägen, wie VW zu retten ist. Bundeskanzler Olaf Scholz spreche persönlich mit den Beteiligten, ließ er ausrichten. Oppositionsführer Friedrich Merz sieht in der Krise einen weiteren Beweis dafür, dass Deutschland wettbewerbsfähiger gemacht werden muss. Und Arbeitsminister Hubert Heil, dessen Wahlkreis im niedersächsischen Peine liegt, kündigt vorsorglich an, dass man VW gern mit „arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen“ unterstützen könne.

Erstaunlich ist, dass erst die Ankündigung von VW, die schwierige Absatzlage mache auch Standortschließungen notwendig, ein so großes Echo in der Politik ausgelöst hat. Dabei passiert in der Autoindustrie gerade nur das, was Experten seit Jahren vorhergesagt haben: Durch die Umstellung vom Verbrennungsmotor auf die E-Mobilität fallen zehntausende Arbeitsplätze weg. Das trifft besonders die Zulieferer: Bosch und ZF Friedrichshafen streichen Tausende Jobs und schließen Fabriken. Die Proteste dazu waren verhalten. Erst VW hat alle wachgerüttelt.  


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