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Wirtschaftspolitik : Deutschlands Industrie schrumpft
31.08.2024 23:22 (197 x gelesen)

Deutschlands Industrie schrumpft 

Die schlechten Nachrichten aus der Industrie kommen in immer kürzeren Abständen: Kaum eine Woche vergeht, ohne dass ein deutscher Konzern (z.B. Bayer, Bosch, Henkel) einen massiven Arbeitsplatzabbau ankündigt. Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen will mehr als 10.000 Mitarbeiter entlassen.  Im Volkswagenwerk im sächsischen Zwickau müssen 1.000 Leute gehen, weil sich E-Autos schlecht verkaufen. Der Heizungshersteller Viessmann hat wegen der schwierigen Marktsituation für dieses Jahr Kurzarbeit angemeldet.

Gleichzeitig schnellen die Insolvenzzahlen in die Höhe: Nach IWH-Berechnungen meldeten im Juli 1406 Personen- und Kapitalgesellschaften Insolvenz an – so viele wie seit etwa zehn Jahren nicht mehr. Und last not least steigt auch die Arbeitslosigkeit. Die Bundesagentur für Arbeit meldet Ende August 2024 so viele Arbeitslose wie zuletzt 2021.

Solche Nachrichten stehen in krassem Gegensatz zu der Hoffnung der Ampel-Regierung, durch den Umstieg auf klimafreundliche Technologien diese miserable Entwicklung aufhalten zu können. Während die Politik immer noch über die Risiken einer Deindustrialisierung debattiert, ist diese Entwicklung bereits in vollem Gang, wie der Ifo-Chef Clemens Fuest jüngst im „Handelsblatt“-Interview feststellte.  

Deutschlands Dax-Konzerne erwirtschaften ihre Gewinne zunehmend im Ausland. Die für den Arbeitsmarkt wichtige Automobilindustrie befindet sich in dem stärksten Strukturwandel ihrer Geschichte. Die energieintensiven Branchen sind auf dem Weltmarkt kaum noch wettbewerbsfähig. Gemessen an den Rekordwerten vom Sommer 2018 wird heute in der Industrie rund 20 Prozent weniger produziert.

Gründe für den Abwärtstrend

Wie es derzeit tatsächlich um die deutsche Industrie steht, zeigt eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), über die jüngst die FAZ berichtete. Danach besteht bei der Industrieproduktion im zweiten Quartal 2024 gegenüber dem Jahresdurchschnitt 2019 eine Lücke von zehn Prozent. Parallel dazu sind 318.000 Industriearbeitsplätze verloren gegangen, was einem Rückgang von vier Prozent entspricht.

Von diesem Rückgang der Produktion sind nicht nur wenige Bereiche, sondern ist nahezu das gesamte verarbeitende Gewerbe betroffen: Die Produktionslücke zwischen dem zweiten Quartal 2024 und dem Jahresdurchschnitt 2019 beträgt bei den industriellen Vorleistungen 11,5 Prozent, bei den Investitionsgütern 10,3 Prozent, bei den Konsumgütern 6,9 Prozent und in den Industriezweigen Automobil, Maschinenbau und Metallindustrie rund 14 Prozent. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Für das laufende Jahr erwartet das IW einen gesamtwirtschaftlichen Produktionsrückgang von 2,5 Prozent.

Für den anhaltenden Abwärtstrend sieht das IW vier Gründe:

1. Die schwache Weltwirtschaft bremst das Industriegeschäft. Ablesbar ist das am deutschen Export, der zu vier Fünfteln aus Industriewaren besteht und der im ersten Halbjahr knapp unter dem Vorjahresniveau lag.
2. Die Industrie bremst bei den Investitionen im Inland, weil die Auftragslage schwach ist und die Geschäftsaussichten nicht dazu ermutigen.
3. Die geopolitischen Unsicherheiten und die derzeitige Wirtschaftspolitik der Bundesregierung führen zur Zurückhaltung bei Investitionen.
4. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen ist durch gestiegene Energiepreise, höhere Rohstoff- und Materialkosten, gestiegene Arbeitskosten und Logistikprobleme geschwächt.  

Laut IW steht der negative Trend in der deutschen Industrie im krassen Gegensatz zu den Hoffnungen der Politik auf ein „grünes Wirtschaftswunder“, das durch den Umstieg auf klimafreundliche Technologien befeuert werden soll. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in diesem Zusammenhang Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts wie in Zeiten des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg in Aussicht gestellt. Hierzu stellt das IW fest: „Die Verunsicherungen durch die Geopolitik, aber vor allem auch durch den unklaren wirtschafts- und transformationspolitischen Kurs in Deutschland bremsen eher die Investitionen und stehen dem gewünschten grünen Wirtschaftswunder ernsthaft im Weg.“

Befund des Statistischen Bundesamtes (Destatis)

Die Analyse des IW wird durch die im August 2024 veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) bestätigt. Danach ist die deutsche Wirtschaft auch 2024 weiter geschrumpft.

Vom Außenhandel kamen 2024 keine Impulse für die Belebung die Konjunktur. Im zweiten Quartal sanken die Exporte um 0,2 Prozent, die Importe stagnierten. Das Ifo-Barometer zur Stimmung in der deutschen Exportindustrie verschlechterte sich im August weiter.

Auch der private Konsum ging mit einem Minus von 0,2 Prozent im Quartalsvergleich zurück. Dabei hatte man damit gerechnet, dass die Konsumenten dank stark gestiegener Reallöhne zur Belebung der deutschen Konjunktur beitragen würden. Tatsächlich sank das Barometer für das Konsumklima laut GfK aber auf minus 22,0 Punkte. Die Bereitschaft, größere Anschaffungen zu tätigen, hat deutlich nachgelassen. Parallel dazu stieg die Sparneigung.

Der wichtigste Grund für die aktuelle Malaise ist der Einbruch bei den Investitionen der Unternehmen.  Laut den Zahlen von Destatis für 2024 fielen die Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen um 4,1 Prozent und die Bauinvestitionen um 2,0 Prozent. Allein dadurch sank das Bruttosozialprodukt (BIP) im zweiten Quartal um 0,5 Prozentpunkte.

Schon seit Jahren hatten Industrieverbände angesichts akuter Krisen und sich verschlechternder Standortbedingungen auf eine solchen Entwicklung hingewiesen. Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) warnte, dass Investitionen „verschoben, verlagert oder gestrichen“ werden. Auch die chemische Industrie hatte auf die „zunehmende Investitionszurückhaltung“ hingewiesen: „Die Investitionen im Inland sind seit 2022 rückläufig. Die Pläne für 2024 lassen für Deutschland einen weiteren Rückgang vermuten.“  

Was das für Folgen hat, lässt sich ebenfalls aus den aktuellen Destatis-Zahlen ablesen. Demnach fiel das BIP pro Erwerbstätigenstunde - d.h. die Arbeitsproduktivität - im zweiten Quartal um 0,5 Prozent, nachdem dieser Wert bereits im ersten Quartal um 0,6 Prozent zurückgegangen war. Damit hatte sich die Arbeitsproduktivität bereits zu sechsten Mal in Folge rückläufig entwickelt.

Der Rückgang der Arbeitsproduktivität bedeutet, dass die Arbeitsstunde je Arbeitnehmer weniger Wertschöpfung generiert als früher. Um den früheren Wert zu halten, müsste also länger gearbeitet werden. Geschieht das nicht, sinkt in der Folge das Bruttoinlandsprodukt und damit der Wohlstand der Bevölkerung.   

Die Wirtschaft stagniert – der Staat wächst

Die neuen Destatis-Zahlen zeigen auch, dass die deutsche Wirtschaft bereits seit sechs Jahren stagniert. Vergleicht man das Niveau des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vom ersten Quartal 2018 mit dem Niveau des zweiten Quartals 2024, so zeigt sich, dass die aktuelle Wirtschaftsleistung geringer ist als Anfang 2018 - in der Zwischenzeit also kein Wirtschaftswachstum stattgefunden hat.  

Dieses Schicksal teilt Deutschland nur mit wenigen anderen Nationen, beispielsweise Estland, Finnland, Österreich oder Großbritannien.  In den meisten anderen Ländern dagegen liegt das BIP inzwischen deutlich über dem Niveau von 2018/9: in Spanien um ein Prozent, in Frankreich um zwei Prozent, in Japan um 4 Prozent, in Italien um sechs Prozent, in Griechenland um zehn Prozent und Polen um über 13 Prozent.

Das gilt auch für die Einkommen der Haushalte. Diese lagen Anfang dieses Jahres inflationsbereinigt ebenfalls immer noch auf dem Niveau vom ersten Quartal 2018 und haben sich erst in den vergangenen Monaten leicht erhöht. Währenddessen befinden sie sich in den meisten anderen Ländern längst auf einem deutlich höheren Niveau, in den USA und Spanien sogar rund zehn Prozent höher. Es stagniert also nicht nur die deutsche Wirtschaft, auch die Verbesserung des Wohlstands für die Bürger ist zum Stillstand gekommen.

Überraschend wirkt unter diesen Umständen, dass die Zahl der Erwerbstätigen trotz kriselnder Wirtschaft kontinuierlich steigt. Im zweiten Quartal 2024 gingen 46,1 Millionen Personen einer festen Arbeit nach – 167.000 mehr als im Vorjahr und 784.000 mehr als im Schlussquartal 2019. Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Arbeitsminister Hubertus Heil weisen immer wieder auf diesen Rekordwert hin, wenn die Wirtschaftspolitik der Ampel-Regierung kritisiert wird. Von einem „sehr beeindruckenden Wert“ sprach der Bundeskanzler unlängst.

Eine Erklärung dafür ist die steigende Teilzeitquote. So arbeiteten Anfang dieses Jahres 39,1 Prozent der Erwerbstätigen in Teilzeit. Offenbar wird das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen auf mehr Köpfe verteilt.

Eine andere Erklärung ist dagegen kritischer zu sehen: Während im gewerblichen Sektor Arbeitsplätze abgebaut wurden, fand im staatlichen Sektor ein großzügiger Beschäftigungsaufbau statt. Gemessen am Schlussquartal 2019 stieg die Erwerbstätigkeit im Bereich „öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit“ saisonbereinigt um 819.000 Personen, dagegen sank sie im verarbeitenden Gewerbe um 289.000 Personen. Im öffentlichen Dienst sind inzwischen 12,2 Millionen tätig. Das ist mehr als ein Viertel aller Erwerbstätigen.

Der prozentual stärkste Zuwachs erfolgte dabei im Aufgabenfeld „Politische Führung und zentrale Verwaltung“. Auf Bundesebene wuchs dieser Bereich zwischen 2012 und 2022 um 8.000 Personen auf insgesamt 42.000 Personen an, die in den Ministerien und Bundesbehörden tätig sind. Das ist die Hälfte aller Bundesbediensteten, die in diesem Zeitraum in den Dienst des Bundes traten.

Es besteht kein Zweifel, dass ein leistungsfähiger Staat für eine moderne Gesellschaft unverzichtbar ist. Zur Finanzierung seiner Aufgaben benötigt der Staat aber eine florierende Wirtschaft und gut bezahlte Beschäftigte. Alle Parteien, die politische Verantwortung übernehmen wollen, sollten deshalb anerkennen, dass die großen Aufgaben ohne eine starke Industrie nicht lösbar sind.


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