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Klima und Energiewende : Die Klimapolitik der Union
22.08.2024 23:16 (124 x gelesen)

Die Klimapolitik der Union

Zu den politischen Säulen, auf denen die Ära Merkel einst beruhte, zählte neben der Willkommenskultur auch der Konsens über den „ökologischen Umbau“ Deutschlands. Doch inzwischen sortiert das Land seine politischen Prioritäten grundsätzlich neu. Deutschland hat die Ära Merkel schon ein gutes Stück hinter sich gelassen.

So hat der vehemente Widerstand gegen das Heizungsgesetz der Partei der Grünen einen schweren Schlag versetzt. Sie musste die bittere Erfahrung machen, dass die Gefolgschaft dort endet, wo Eingriffe des Klimaschutzes als unangemessen empfunden werden. Denn es hat sich herumgesprochen, dass dirigistische Eingriffe wie das Vorschreiben eines Heizungstyps für deutsche Hausbesitzer teuer sind, aber wenig Einfluss auf den weltweiten Ausstoß von CO2 haben.

Offenkundig geworden sind auch die inneren Widersprüche der deutschen Energiewende, insbesondere des Atomausstiegs, mit dem sich das Land auf einen schwer durchzuhaltenden Sonderweg begeben hat. In ihrer Regierungserklärung vom Juni 2011 behauptete Merkel, der Reaktorunfall von Fukushima sei „ohne Zweifel ein Einschnitt für die Welt“. Dabei war er allenfalls ein Einschnitt für die deutsche Politik; anderorts wird der Ausbau der Kernenergie massiv vorangetrieben. Zweifel wachsen deshalb auch an der Idee, dass Deutschland mit nationalen Leuchtturmprojekten eine internationale Vorreiterrolle einnehmen müsse.

Es dürfte eine Frage der Zeit sein, bis sich auch die Parteien, die die Ära Merkel mitgestaltet haben, den neuen Gegebenheiten anpassen. Das wird ein schwieriger Prozess, wie das neue Grundsatzprogramm der CDU zur künftigen Klimapolitik eindrucksvoll zeigt.

Zwei widersprüchliche Konzepte

Die deutsche Klimapolitik beruht auf zwei unterschiedlichen Ordnungskonzepten: dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft und dem Konzept der dirigistischen Planwirtschaft.

Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft wird dabei öffentlich kaum wahrgenommen und wirkt erfolgreich im Verborgenen. Seit 2005 bepreist das Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) Treibhausgas-Emissionen der europäischen Energiewirtschaft und Industrie; seit 2012 auch die Emissionen des innereuropäischen Luftverkehrs. Wer Treibhausgase ausstoßen will, muss eine entsprechende Menge an Emissionszertifikaten vorhalten. Nicht genutzte Emissionsrechte können frei gehandelt werden, so dass sich ein Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen bildet. Durch die unsichtbare Hand der Preissignale sorgt der Emissionshandel dafür, dass Emissionen dort eingespart werden, wo dies zu den geringsten Kosten effizient möglich ist. Effektiver und effizienter als mit dem Emissionshandel lässt sich Klimaschutz nicht erreichen.

Das Konzept der dirigistischen Planwirtschaft ist mit seinen Verboten, Technologievorgaben, Zielen, Taxonomien, Quoten, Berichtspflichten, Subventionen und Grenzwerten dafür umso sichtbarer, dabei allerdings weder effizient noch effektiv. Diese Instrumente kosten viel und bringen wenig. Die Vielzahl unterschiedlicher Instrumente führt zu widersprüchlichen Signalen und Anreizen, zu großer Verunsicherung bei (potentiellen) Investoren und zu einem unüberschaubaren Berg von Vorschriften. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit fehlt ein konsistenter, anreizkompatibler klimapolitischer Ansatz. Zudem stehen symbolische, kleinteilige und nahezu wirkungslose Forderungen wie ein 9-Euro Ticket oder ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen in merkwürdigem Kontrast zum drohenden Weltuntergang, den Klimaaktivisten noch abwenden wollen.

Wie inkompatibel marktwirtschaftliche und planwirtschaftliche Politikansätze sind, zeigt sich am Nebeneinander des marktwirtschaftlichen Emissionshandelssystems (EU-ETS) und dem planwirtschaftlichen Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). Wenn in Deutschland Wind- und Solarenergie mit massiven Subventionen ausgebaut werden, lassen sich die in Deutschland eingesparten Emissionsrechte anderswo in der EU einlösen. Für den Klimaschutz ist damit nichts gewonnen. Ähnliche sogenannte „Wasserbetteffekte“, die in Deutschland eingesparte CO2-Emissionen in anderen Teilen der Welt steigen lassen, entstehen etwa,

  • wenn Deutschland weniger Rohöl nachfragt, der Ölpreis sinkt und der Rest der Welt mehr Öl nachfragt,
  • wenn Deutschland mit seinen Gaskäufen die Preise auf den Weltmärkten so stark nach oben treibt, dass Pakistan auf Kohlekraft umsteigt,
  • wenn wir energieintensive Industrien zu stark belasten und diese ihre Produktionsstätten ins Ausland verlagern,
  • wenn strenge Flottengrenzwerte und Subventionen für E-Mobilität zwar die Emissionen im deutschen Verkehrssektor senken, dafür aber die Emissionen in anderen Sektoren (v.a. Strom) und Ländern (Produktion, Rohstoffe, Batterien etc.) erhöhen, oder
  • wenn Länder weniger in die Emissionsvermeidung investieren, um sich gegenüber ambitionierten Vorreiternationen wie Deutschland Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Während in den vom Emissionshandel erfassten Sektoren der Klimawandel in Deutschland und der EU in die richtige Richtung fährt, entstehen in den übrigen Bereichen immense Kosten, weil Aktivisten, Politiker, Verbände und Wissenschaftler leidenschaftlich einzelne Techniken wie Windenergie, Elektromobilität oder Wärmepumpen voranbringen wollen, ohne auch nur einen Blick über den nationalen und sektoralen Tellerrand zu wagen. Die Frage, was die CO2-Vermeidung wo kostet, wird erst gar nicht gestellt. Subventionen verdecken das Preissignal. Im Ergebnis wird dort besonders viel gefördert, wo die Emissionsvermeidung am meisten kostet. (vgl. Denkfabrik R 21)

Neues Grundsatzprogramm der CDU

Das neue Grundsatzprogramm der CDU folgt bei seinen Aussagen zur Klimapolitik sowohl dem marktwirtschaftlichen als auch dem planwirtschaftlichen Konzept.

Zu den marktwirtschaftlichen Grundlagen sagt das Grundsatzprogramm: „Wir Christdemokraten setzen auf das erfolgreichste Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell der Welt: die Soziale Marktwirtschaft.“ - „Die soziale und ökologische Marktwirtschaft setzt auf die Kräfte und Steuerungsmechanismen des Marktes, um einen schonenden Umgang mit Natur und Umwelt zu erreichen.“  - „Wir setzen auf einen weltweiten Emissionshandel. Der Emissionshandel ist als marktwirtschaftliches Instrument unser Weg, um das Klima effizient zu schützen.“ - „Wir arbeiten für eine Zukunft, in der Energie sicher, sauber und bezahlbar ist. Auch hierfür ist die Soziale Marktwirtschaft das Modell der Zukunft.“

Einschränkend heißt es dann aber: „Die Soziale Marktwirtschaft ist und bleibt unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell. Sie umfasst auch eine ökologische Dimension.“

Gleichzeitig werden die planwirtschaftlichen Absichten hervorgehoben: „Die Einhaltung der Pariser Klimaziele ist unser Ziel…Die im Klimaschutzgesetz verbindlich verankerte Klimaneutralität bis 2045 haben wir fest im Blick – wohlwissend, dass Klimaschutz nur im globalen Kontext gelingen kann.“ - „Wir wollen die Erneuerbaren Energien deutlich ausbauen. Die Erneuerbaren Energien allein werden für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung nicht ausreichen. Wir stehen zum vereinbarten Kohleausstieg und wollen in der nächsten Dekade mit Gaskraftwerken … die erforderlichen Grundlasten sichern. Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten.“

Zum Stellenwert der Klimapolitik sagt das Grundsatzprogramm: „Der Klimawandel und die Gefährdung der biologischen Vielfalt sind eine existentielle Bedrohung für unsere Erde und uns Menschen.“ - „Wir verstehen Wirtschaft und Klima nicht als Gegensätze, sondern sehen Klimaschutztechniken als Chance und wollen damit Vorbild für andere Länder sein.“ - „Maßnahmen zur Klimaanpassung sind nicht allein Teil der Klimapolitik, sondern sind grundlegend in allen Politikfeldern.“

Das Bekenntnis zu Technologieoffenheit ist begrenzt: „Wir setzen bei der Gesamtenergieversorgung von morgen auf Technologieoffenheit in Forschung und Anwendung. Aus heutiger Sicht gehören dazu Brennstoffzellen, Wasserstoffkraftwerke, Geothermie, klimaneutrale Gaskraftwerke, Kernkraftwerke der vierten und fünften Generation sowie Fusionskraftwerke.“

Zum Politikverständnis sagt das Grundsatzprogramm: „Politische Entscheidungen sollen dynamisch und auf Daten, Fakten und strategischer Vorschau getroffen werden.“ – „Wir stehen für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum. Wir setzen auf die Kraft des technologischen Fortschritts…Wir lehnen eine Politik ab, die auf weniger Wachstum … setzt.“

Das Grundsatzprogramm plädiert für eine gestaltende Politik: „Deutschland muss führendes Industrieland bleiben…. Wir werden den industriellen Kern unserer Wirtschaft stärken. Wir brauchen eine Wachstumsagenda mit Strukturreformen: …eine Investitions- und Innovationsoffensive für Wirtschaft, Energie und Klima zur Sicherung unseres Industriestandortes.“ „Wir wollen den Rahmen für die Transformation so gestalten, dass unsere Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben. Die notwendigen Innovationen sehen wir als Chance. Damit einhergehende Belastungen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, wollen wir entschärfen.“

Kritik an der Klimapolitik

Die Aussagen des neuen Grundsatzprogramms der CDU zur zukünftigen Klimapolitik stellen keinen grundsätzlichen Bruch mit der klimapolitischen Agenda der Merkel-Ära dar. Der parteipolitische Vorteil liegt auf der Hand: der innerparteiliche Friede bleibt gewahrt und man muss sich nicht für fehlerhafte Entscheidungen in der Vergangenheit rechtfertigen. Der Nachteil ist aber ebenso offensichtlich: Die Partei verpasst die Chance, eine fehlerhafte Politik zu korrigieren. Und das geht zulasten des Gemeinwohls.

Der planwirtschaftliche Ansatz der Klimapolitik erzeugt eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente, die zu widersprüchlichen Signalen und Anreizen, zu großer Verunsicherung bei (potentiellen) Investoren und zu einem unüberschaubaren Berg von Vorschriften führen. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit fehlt ein konsistenter, anreizkompatibler klimapolitischer Ansatz.

Wie Deutschland ohne planwirtschaftliche Klimapolitik aussehen würde, kann niemand genau wissen. Denn im marktwirtschaftlichen Entdeckungsverfahren ist offen, welche Lösungen und Technologien sich am Ende durchsetzen, wenn technologische Irrwege frühzeitig verlassen und durch bessere Lösungen ersetzt werden. Unabhängig von den genauen Technologien lässt sich aber ein Bild zeichnen, wie Deutschland heute aussähe, wenn die Politik einen konsequent marktwirtschaftlichen Kurs verfolgt hätte:

  • Nach Berechnungen des Energy Modeling Forum (EMF) der Universität Stanford hat es die EU 2,2 Prozent des BIP gekostet, die Emissionen von 2008 bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Hätte die EU nur auf den CO2-Preis gesetzt, wäre die Emissionssenkung für rund 1 Prozent des BIP zu haben gewesen.
  • Andere Schätzungen gehen davon aus, dass Klimaschutz über das Instrument eines CO2-Preises weder Wachstum noch Arbeitsplätze kosten muss. Ein hoher CO2-Preis macht CO2-intensive Technologien und Brennstoffe im Vergleich zu CO2-armen weniger attraktiv. Sie scheiden aus dem Markt aus, ohne dass es Runden bedarf, in denen sich Umwelt- und Industrieverbände auf Kosten der Steuerzahler auf teure Ausstiegspfade einigen.  
  • Deutschland hätte ohne Kostentreiber wie die EEG-Umlage nicht die höchsten Strompreise der Welt und auch die Belastungen für den Staatshaushalt und damit für die Steuerzahler wären geringer. Je mehr Länder und Sektoren in den Emissionshandel einbezogen werden, desto effizienter ist er. Steigt der Preis, wächst auch der Spielraum, die europäische Industrie und ärmere Haushalte zu entlasten. Statt wie bisher große Teile der Einnahmen aus dem Emissionshandel über Förderprogramme an Besitzer von PV-Anlagen, Wärmepumpen und E-Autos umzuleiten, könnte ein aus den Einnahmen der Emissionszertifikate finanziertes Pro-Kopf-Energiegeld die zusätzlichen Energiekosten für einkommensschwache Haushalte kompensieren.
  • Bereits die glaubwürdige Ankündigung einer CO2-Bepreisung und die Erwartung hoher Preise in der Zukunft lenken die Investition hin zu CO2-armen Technologien. Es ist besser, zukünftige Investitionen mit einem glaubwürdigen Reduktionspfad langfristig zu lenken, als bereits getätigte Investitionen in Autos, Häuser oder Maschinen durch aktionistische Sofortprogramme und ordnungsrechtliche Eingriffe zu entwerten.
  • Deutschland und die EU wären auf dem Weg zu einem globalen Klimaclub mit großen Volkswirtschaften wie den USA oder China weiter, wenn sie ihr politisches Gewicht nicht durch nationale Sonderwege und Pfadabhängigkeiten geschwächt hätten. Auch die Länder des globalen Südens könnten bereits Teil eines globalen Emissionshandelssystems sein, in dem sie ihre Emissionsrechte verbilligt oder kostenlos erhalten und an reichere Länder verkaufen, nachdem sie die günstigen Vermeidungsmöglichkeiten in ihrem Land genutzt haben.
  • Sachlichere, transparentere und entpersonalisierte Debatten müssten sich nicht mehr um die Klimaneutralität von Städten, um zum Selbstzweck erhobene Technologien und um Untergangsszenarien drehen, sondern um den Reduktionspfad des Mengendeckels im ETS, um die Höhe einer CO2-Kopfpauschale oder um die Ausgestaltung eines Grenzausgleichmechanismus.
  • Mit transparenten Vermeidungs- und Klimaanpassungskosten könnten wir Ziele gegeneinander abwägen und teure Irrwege frühzeitig beenden. In den Ministerien müssten weniger Fachkräfte immer komplexere, von oben vorgegebene Energie- Mobilitäts- und Wärmewenden administrieren, in den Unternehmen und Behörden müssten weniger Mitarbeiter die wachsende Regulierung umsetzen, weniger Klima- und Energielobbyisten müssten um Fördergelder und Ausnahmeregeln streiten und die Wähler könnten entscheiden, wie viel ihnen effektiver Klimaschutz wert ist.

Fazit

Auch der marktwirtschaftliche Weg zur globalen Klimaneutralität kostet Kraft, Mühe und Wohlstand, doch einen günstigeren, effektiveren und freiheitlicheren Weg gibt es nicht. Gefragt sind Ökonomen, die Politik und Bürger vom marktwirtschaftlichen Klimapfad überzeugen und Politiker, die für diesen Weg national Mehrheiten gewinnen und international Allianzen organisieren. Sobald die Preise ökologisch ehrlich sind, passen Verbraucher unabhängig von ihrer Einstellung zum Klimaschutz ihr Verhalten effizient an, entwickeln Ingenieure neue Technologien und setzen Unternehmer diese in neue Geschäftsmodelle um. Staatlicher Dirigismus und immer mehr Vorgaben werden überflüssig. Wenn wir uns konsequent für den Weg der Klimamarktwirtschaft entscheiden, dann sollten wir ebenso konsequent den Weg der Klimaplanwirtschaft verlassen. Verfolgen wir beide Wege gemeinsam, addieren sich nur die Kosten der jeweiligen Wege, nicht aber ihr Nutzen (Text der Denkfabrik R 21).

Wenn die Union dem Einzelnen wieder mehr Handlungsspielraum zugesteht und der Staat zu jener Rolle zurückkehrt, die ihm die Väter der Sozialen Marktwirtschaft einst zugedacht haben, muss sich der Staat darauf beschränken, der Wirtschaft Regeln zu geben und Schiedsrichter im Wirtschaftsgeschehen zu sein. Er soll aber nicht selbstherrlich handelnder Akteur im Wirtschaftsprozess sein.


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