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Wirtschaftspolitik : Klimaschutzverträge - Ein Plan mit Risiken
16.07.2024 18:54 (358 x gelesen)

Klimaschutzverträge – ein Plan mit Risiken

Mit Klimaschutzverträgen will Wirtschaftsminister Robert Habeck Industrieunternehmen, die auf eine klimaschonende Produktionsweise umrüsten, bis zu 15 Jahre lang die dadurch entstehenden Mehrkosten erstatten. Vor allem energieintensive Unternehmen zeigen großes Interesse am Abschluss von solchen Verträgen mit der Bunderegierung. Die erste Ausschreibungsrunde endete mit einem für das Wirtschaftsministerium erfreulichen Ergebnis: bis zum 11. Juli 2024 gingen 17 Gebote mit einem Volumen von 5,3 Milliarden Euro ein. Diejenigen Unternehmen, die zu den geringsten Subventionskosten die größte Treibhausgas-Einsparung erzielen, sollen den Zuschlag erhalten.

Unbestreitbar geht es um viel Geld, das an die Unternehmen zu verteilen ist. Das Geld stammt aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF). Für die erste Ausschreibungsrunde hat Habeck 4 Milliarden Euro bereitgestellt. Für eine weitere Runde im Herbst dieses Jahres stellt er noch einmal weitere 19 Milliarden Euro in Aussicht. „Heute ist ein guter Tag für den Klimaschutz“, so Robert Habeck. „Ein guter Tag für die Wirtschaft. Vor allem für die Industrie. Und ein guter Tag für den Produktionsstandort Deutschland.“

Es gehört zum Selbstverständnis deutscher Klimapolitik, sich gern als einer der globalen Vorreiter zu sehen. Und aus Sicht des Wirtschaftsministeriums setzt Deutschland mit den Klimaschutzverträgen international neue Standards. „Wir sind das erste Industrieland, das dieses Instrument einführt“, verkündete der grüne Wirtschafsminister Robert Habeck im März 2024 bei der Vorstellung des Programms.

Warum wurde Klimaschutzverträge erfunden?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) hat gemeinsam mit dem Forschungsnetzwerk Climate Strategies das Instrument der Klimaschutzverträge für das Wirtschaftsministerium entwickelt, um es energieintensiven Unternehmen zu ermöglichen, ihre Produktion klimaneutral umzurüsten. Zweck der Verträge ist es, die Unsicherheiten bei der künftigen Preisentwicklung der erneuerbaren Energien und der Emissionszertifikate durch gegenseitige Zahlungspflichten der Vertragspartner abzusichern, um Investitionen in klimaschonende Produktionsverfahren berechenbar zu machen.

Bisher galt der vor fast zwei Jahrzehnten eingeführte Europäische Emissionshandel auch für die Industrie als das zentrale Instrument für die Transformation zu klimafreundlichen Technologien. Über den steigenden Preis für Emissionszertifikate wollte die Politik die Unternehmen veranlassen, ihre Produktion klimaschonend umzurüsten. Überraschenderweise wird nun die Einführung der Klimaschutzverträge von dem DIW damit begründet, dass sich der Emissionshandel als alleiniges Instrument für den Industriebereich als wenig wirksam erwiesen hätte. Angeblich hätten umfassende Studien kaum Fortschritte bei der Emissionsminderung im Schwerindustriebereich feststellen können. Dafür werden von dem DIW drei Gründe genannt:

Erstens soll es für die Industrie lange Zeit einfacher und weniger riskant gewesen sein, weiter mit den CO2-intensiven Technologien zu produzieren. Das habe sich erst vor fünf Jahren geändert, vor allem mit der friday-for-future-Bewegung. Die Notwendigkeit, klimaneutral zu werden, sei jetzt in Gesellschaft und Politik verankert, in Deutschland, Europa und mit ähnlichen Zielen auch weltweit. Einfach weiter so, sei inzwischen also keine Option mehr. Die Schwerindustrie stehe nun am Scheideweg: Investitionen in fossile Technologien seien nicht mehr wirtschaftlich, aber klimaneutrale Optionen noch zu riskant.
Ein zweiter Grund soll in den Maßnahmen des Europäischen Emissionshandels liegen, die die Wettbewerbsnachteile für die Industrie ausgleichen sollen. Um unter anderem die Verlagerung von Industrieproduktion und Emissionen in Drittstaaten zu verhindern, werden nach aktueller Gesetzeslage bis mindestens 2034 Emissionszertifikate kostenlos an konventionelle Produktionsprozesse vergeben. Dies untergrabe die Wirkung des CO2-Preises, die Erlöse zur Finanzierung der Transformation und die Wettbewerbsfähigkeit klimaneutraler Alternativen.
Als dritter Grund für Klimaschutzverträge wird die finanzielle Belastung genannt. Unternehmen in der Schwerindustrie können den Umstieg auf klimaneutrale Produktionsprozesse nicht aus der Portokasse bezahlen. Er erfordert vielmehr hohe Investitionen und bedingt Kosten, die sich nur bei effektiven CO2-Preisen lohnen würden. Angesichts der Unsicherheit über politische Entscheidungen, die zukünftige CO2-Preise und Allokation beeinflussen, aber auch wegen großer Energiepreisschwankungen zögern die Unternehmen bei großen Investitionsentscheidungen.

Das DIW begründet die Notwendigkeit von Klimaschutzverträgen im Kern damit, dass der Europäische Emissionshandel seine Aufgabe, die Industrie zur Umrüstung auf klimaschonende Energien zu veranlassen, nicht erfüllt habe. Neue Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA) bestätigen jedoch, dass sich der zentrale marktbasierte Europäische Emissionshandel immer mehr zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Die in Deutschland von diesem System erfassten Emissionen sind demnach im Jahr 2023 um etwa 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 289 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zurückgegangen. Es handelt sich um den stärksten Rückgang seit der Einführung des Handelssystems. Daran war auch die energieintensive Industrie beteiligt: Die Emissionen der knapp 850 Anlagen fielen um 10 Prozent auf 101 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. 

Wie sollen Klimaschutzverträge funktionieren?

Klimaschutzverträge beruhen auf der klimapolitischen Annahme, dass die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Klimawandels, die durch die heute vorherrschenden Produktionsverfahren mitverursacht werden, noch nicht vollständig in den Produktionskosten eingepreist sind. Dadurch sind klimaschädliche Produktionsverfahren für Unternehmen oft noch günstiger als eine klimafreundliche Produktion, die häufig sogar so kostenintensiv ist, dass Unternehmen auf diese aus wettbewerblichen Gründen garnicht umstellen können.

An diesem Punkt setzen die Klimaschutzverträge nach dem Konzept der CO2-Differenzverträge an: Auf ihrer Grundlage sollen Mehrkosten von Unternehmen aus emissionsintensiven Branchen ausgeglichen werden, die diesen durch die Errichtung (Investitionsausgaben) und den Betrieb (Betriebskosten) von klimafreundlicheren Anlagen im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen entstehen.

Das geschieht durch gegenseitige Zahlungsverpflichtung der Vertragspartner, die aus der Differenz eines vertraglich festgelegten Preises (Strike-Price) für Treibhausgasemissionen und dessen Marktpreis resultiert. Im konkreten Fall garantiert die Bundesregierung die Förderung der Differenzkosten zwischen tatsächlichen projektbezogenen Minderungskosten und EU ETS-Preisen nach bestimmten Parametern. Maßgebliche Größen für den Vertrag sind insbesondere die durch das geförderte Projekt vermiedenen Emissionen sowie die auf die CO2-Minderung bezogenen Mehrkosten, die sich aus der Produktion mit der Klimaschutztechnologie im Vergleich zu einer Referenztechnologie ergeben. Hinsichtlich der Kosten für Emissionszertifikate wird die Differenz der realen Kosten des umzusetzenden Verfahrens und des Referenzverfahrens bei der Auszahlung berücksichtigt, das heißt diejenigen Kosten, die unter Berücksichtigung der kostenfreien Zuteilung bei den Unternehmen real anfallen.

Dieser Vertragsmechanismus soll den Unternehmen die Umstellung auf eine klimafreundlichere Produktion ermöglichen, weil Risiken und letztlich Kosten berechenbarer werden und wodurch auch Finanzierungen aufgrund von Eigen- und Fremdkapital in klimafreundliche Technologien ermöglicht werden. Klimaschutzverträge machen somit neue Technologien marktfähig.

Das darin liegende Risiko für den Staat ist Habeck durchaus bewusst. „Sollte der Marktpreis exorbitant höher sein, ist es ein Risiko für die öffentliche Hand“, sagte Habeck. Wenn die klimafreundliche Produktion allerdings günstiger wird als die mit fossilen Energieträgern, sollen die Unternehmen drei Jahre lang Geld an den Staat zurückzahlen. Dem tragen die Klimaschutzverträge in besonderer Weise Rechnung: Sofern im Laufe der Vertragslaufzeit der effektive CO2-Preis den im Klimaschutzvertrag festgelegten Vertragspreis übersteigt, endet die staatliche Förderung nicht nur, sondern kehrt sich in eine Zahlungspflicht der Zuwendungsempfänger an den Staat um. Dies senkt die Belastung des staatlichen Haushalts.

Wer finanziert die Klimaschutzverträge?

Finanziert werden die Klimaschutzverträge aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF), der sich vor allem aus den Einnahmen durch den CO2-Preis speist. Diese zahlen die Verbraucher schon seit einigen Jahren auf Benzin, Heizöl und Gas. Indirekt werden also die Verbraucher mit den Zahlungen an die Unternehmen belastet.

Im KTF sind für dieses Jahr 23 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen für Klimaschutzverträge vorgesehen. Bereitgestellt für die erste Runde der Klimaschutzverträge hat Habeck 4 Milliarden Euro. Für den Herbst dieses Jahres hat er eine zweite Ausschreibungsrunde mit 19 Milliarden Euro angekündigt. Für das nächste Jahr sind zwei weitere Runden geplant. Insgesamt soll seinen Worten zufolge „ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag“ in die Klimaverträge fließen. Eine Einigung darüber ist in der Ampelkoalition aber noch nicht erfolgt.

Ein Plan mit Risiken

Die Finanzierung über den KTF ist mit Risiken behaftet, weil dessen Finanzausstattung seit dem Karlsruher Haushaltsurteil vom letzten November weiterhin unsicher ist. Es zeichnet sich auch schon heute ab, dass der KTF im kommenden Jahr nicht über ausreichende Mittel verfügen wird, um die vielen angedachten Klimaschutzprojekte zu finanzieren.

Mit den Klimaschutzverträgen übernimmt der Staat die Garantie, 15 Jahre lang für etwaige Mehrkosten der Betriebe, die auf klimaschonende Produktionen umstellen, aufzukommen. Auf die nur schwer abzuschätzenden finanziellen Verpflichtungen daraus hat der Wissenschaftliche Beirat beim Wirtschaftsministerium hingewiesen. Die Klimaschutzverträge gehen demgegenüber von der Annahme aus, dass die subventionierten Betriebe über die Jahre immer weniger Hilfe benötigen werden. Allerdings kann es auch ganz anders kommen.

Der Wissenschaftliche Beirat hat zudem darauf hingewiesen, dass die Klimaschutzverträge ein tiefer Eingriff in den Markt sind, der die Preisbildung beeinflussen und die Wettbewerbsverhältnisse verzerren wird. Mit der Ausschreibung über ein Auktionsverfahren versucht Habeck, solche Bedenken auszuräumen. Die Klimaschutzverträge sind aber kein mit einem Bieterverfahren vergleichbarer Vorgang, sondern beeinflussen für die Dauer von immerhin fünfzehn Jahren die Verhältnisse auf den subventionierten Märkten zugunsten ausgewählter Betriebe.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat den Start der Ausschreibung für die Klimaschutzverträge begrüßt. Für die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft sei eine umfangreiche staatliche Unterstützung nötig, so BDI-Chef Russwurm.

Der Sprecher für Energiepolitik und Klimaschutz der Unionsfraktion, Andreas Jung, ist zwar nicht prinzipiell gegen Fördermittel für den industriellen Umbau, will sich die Klimaschutzverträge allerdings genau anschauen. „Der Staat kann einen Anschub finanzieren. Aber er kann nicht dauerhaft Risiken abdecken, er kann nicht dauerhaft subventionieren“, so Jung. Genau letzteres ist bei den Klimaschutzverträgen aber der Fall, so dass die Union sie grundsätzlich ablehnen müsste.

Das gebietet auch die politische Klugheit: Ob die deutschen Klimaschutzverträge international neue Standards setzen werden, lässt sich heute kaum vorhersagen. Klar ist aber, dass der Staat mit den Verträgen Garantien und Subventionsverpflichtungen übernimmt, die weit über die Legislaturperiode hinausreichen werden. Die Einlösung dieser Verpflichtungen wird deshalb voraussichtlich in eine Zeit fallen, in der möglicherweise andere Parteien  Regierungsverantwortung tragen werden.  


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