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Europawahl 2024 - eine Richtungswahl
14.06.2024 17:00 (353 x gelesen)

Europawahl 2024 – eine Richtungswahl

Die Europawahl 2024 sollte eine Testwahl werden, tatsächlich wurde sie dann eine Richtungswahl. Die Konservativen und Rechten gehen gestärkt aus der Wahl hervor, SPD und Grüne sind geschwächt. Der CDU-Gruppenvorsitzende im Europaparlament, Daniel Caspary, wartete nicht lang mit seinem Urteil: „Der grün-rote Kurs in Europa ist klar abgewählt.“ So sehen die Ergebnisse in Deutschland aus:

CDU/CSU kommen auf 30 Prozent der Stimmen und sind damit stärkste Kraft geworden. Den 2019 erlittenen Verlust von -8,4 Prozent der Stimmen konnten sie allerdings nicht aufholen. Im Europaparlament ist die Union wie in der letzten Legislaturperiode künftig mit 29 Abgeordneten vertreten.

Die SPD verliert knapp zwei Punkte und landet bei 13,9 Prozent. Den Verlust von -11,5 Prozent der Stimmen bei der Europawahl 2019 konnte sie auch nicht ausgleichen. So verliert sie zwei weitere Sitze und ist im europäischen Parlament nur noch mit 14 Abgeordneten vertreten;

Verlierer der Europawahl 2024 sind eindeutig die Grünen. Im Vergleich zur vergangenen Europawahl verlieren sie 12 Prozent der Stimmen und kommen nur noch auf 15,2 Prozent. Während die Grünen in der vergangenen Legislaturperiode im Europaparlament über 21 Sitze verfügten, sind es künftig nur noch 12 Abgeordnete.

Der große Gewinner der Wahl 2024 ist die AfD, die mit einem Plus von 4,9 Prozent auf 15,9 Prozent kommt. Die AfD konnte schon 2019 ihren Stimmenanteil auf 11,0% steigern, wodurch sie 11 Sitze im Parlament erhielt. Jetzt erhält sie 4 Sitze hinzu, so dass es künftig im Europaparlament 15 AfD-Vertreter gibt.

Die Verteilung der Sitze im Europaparlament sieht folgendermaßen aus: Die konservative Parteienfamilie EVP kommt voraussichtlich auf 189 der insgesamt 720 Parlamentssitze. Die Fraktion der Sozialdemokraten landet mit 135 Sitzen auf Platz 2. Die rechten Fraktionen legen zu, die nationalkonservative EKR kommt auf 73 Sitze, die rechtsextreme ID-Fraktion auf 58. Die Grünen kommen nur noch auf 53 Sitze.

von der Leyens „Green Deal“

Manfred Weber (CSU) ist seit vielen Jahren Partei- und Fraktionsvorsitzender der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP). Für die Europawahl 2019  wurde er auf dem Kongress der EVP am 8. November 2018 mit 79,2 Prozent der Stimmen offiziell zum EVP-Spitzenkandidaten und damit zum Bewerber für das Amt des Kommissionspräsidenten gewählt. Weber legte das Mandat des Spitzenkandidaten am 2. Juli 2019 nieder, weil der französischen Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht ihn, sondern Ursula von der Leyen für dieses Amt auserkoren hatten.

Als die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 11. Dezember 2019 im Europäischen Parlament ihren „Green Deal“ zum europäischen Klimaschutz vorstellte, sagte sie: „Das ist Europas Mann-auf-dem-Mond-Moment“. Damit wollte sie zum Ausdruck bringen, dass der Klimaschutz das wichtigste Projekt ihrer Amtszeit werden sollte.

Mit dem Green Deal setzte sich die Europäische Union (EU) das politische Ziel, Europa als Vorreiter im Klimaschutz bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Um der Welt dies zu erklären, war der Zeitpunkt kurz vor dem Ende des internationalen Klimagipfels in Madrid klug gewählt.

Von der Leyen begründete die Notwendigkeit schnellen Handelns mit einer angeblich unmittelbar bevorstehenden Klimakatastrophe: „Die Menschheit steht vor einer existenziellen Bedrohung – und die ganze Welt fängt an, das zu verstehen. In Deutschland bedrohen Trockenheit, Brände und der Borkenkäfer unsere Wälder, von Afrika bis Asien breiten sich die Wüsten aus. Der steigende Meeresspiegel bedroht europäische Städte und pazifische Inseln: Solche Phänomene hat die Menschheit zwar schon früher erlebt, aber noch nie in dieser Geschwindigkeit.“

In ihrem „Green Deal“ sah von der Leyen nicht nur ein Schutzprogramm für das Klima, sondern auch eine „neue Wachstumsstrategie“ für Europa. „Er wird die Emissionen senken und gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen und unsere Lebensqualität verbessern. Er ist der grüne Faden, der sich durch all unsere Politikfelder ziehen wird – vom Verkehr bis zu den Steuern, von den Lebensmitteln bis zur Landwirtschaft, von der Industrie bis zur Landwirtschaft.“

In den Jahren 2019 bis 2024 hat die Kommission unter von der Leyen nach dieser klimapolitischen Leitlinie auch gehandelt. Insgesamt sind es 69 Umweltgesetze, die die Europäische Union erlassen hat, mehr als ein Gesetz pro Monat. Adressat dieser Gesetzesflut waren vor allem Unternehmen, denen die Europäische Union alles Mögliche vorschrieb: Wie viel Methan aus alten Bergwerken strömen darf. Wieviel Strom Küchengeräte verbrauchen dürfen. Welche Stoffe nicht mehr verwendet werden dürfen. Wie Supermärkte Lebensmittel verpacken müssen. Ab wann nur noch Elektroautos gefahren werden dürfen etc.

Wie Ursula von der Leyen heute zum „Green Deal“ und seinen Auswüchsen steht, ist nicht bekannt. Das hätte man aber gern gewusst, bevor die Europäischen Volkspartei (EVP) sie auf dem Parteikongress im März 2024 zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europawahl 2024 wählte. Ursula von der Leyen ist damit offiziell auch Kandidatin der europäischen Parteienfamilie EVP für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission.

In ihrer Bewerbungsrede erklärte von der Leyen die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen sowie den Aufstieg Chinas als die wichtigsten Herausforderungen für die 27 EU-Mitgliedsstaaten. "Und hier zu Hause versuchen die Freunde von Russlands Präsident Wladimir Putin, unsere Geschichte umzuschreiben und unsere Zukunft zu kapern", fügte sie hinzu. "Es darf keinen Zweifel darangeben, was bei dieser Wahl auf dem Spiel steht." Den Green Deal erwähnte sie nicht mehr.  

CDU-Chef Friedrich Merz hatte von der Leyen zuvor in einer Rede gewürdigt. Sie habe "Europa eine starke Stimme in der Welt gegeben" und in der Corona-Pandemie wie während des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine "Führungsstärke gezeigt". Auch EVP-Chef Manfred Weber (CSU) stellte sich hinter von der Leyen: "Ursula von der Leyen ist unsere Spitzenkandidatin, und alle programmatischen Positionen der Europäischen Volkspartei werden von Ursula von der Leyen geteilt." Dies gelte selbstverständlich auch für das Europawahl-Manifest.

Richtungswechsel?

Als von der Leyen ihren Green Deal zu „Europas Mondlandung“ erklärte, erlebte die Klimabewegung ihren Höhepunkt. Weltweit demonstrierten Hunderttausende Menschen für mehr Umweltschutz. Greta Thunberg fuhr auf einem Segelboot nach New York, um den Vertretern der Vereinten Nationen vorzuhalten: „how dare you“.

Doch jetzt, nach der Europawahl, dem Erstarken der Konservativen und dem geringeren Gewicht der Grünen, dürfte sich der politische Schwerpunkt der EU verschieben: weg vom Kampf gegen die Erderwärmung, hin zur Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Tatsächlich geschieht das längst. Manfred Weber, Fraktionschef der EVP, hat seine Partei schon früh auf die Abkehr vom Green Deal und von links-grünen Projekten wie dem Lieferkettengesetz eingeschworen. Er reagierte damit rechtzeitig auf die Wahlerfolge von rechten, populistischen Parteien in verschiedenen EU-Ländern.  

Der Erfolg bei der Europawahl – die EVP hat als einzige Mitte-Partei dazugewonnen und ist die stärkste Fraktion – bestätigt Weber. Er kann damit gegenüber von der Leyen, die die Belange ihrer eigenen Partei weitgehend ignoriert hat, gestärkt auftreten. Manfred Weber ist der neue starke Mann in Brüssel, gegen ihn wird nicht mehr viel gehen in Brüssel. Er fordert seit längerem weniger Vorschriften für Unternehmen, eine wirtschaftsfreundlichere Regulierung und weniger Umweltschutz in der Landwirtschaft.

Auf der anderen Seite haben die Grünen im europäischen Parlament an Einfluss verloren. Bisher konnten sie gemeinsam mit den Sozialdemokraten gegen den Willen der EVP zahlreiche Vorhaben wie das Lieferkettengesetz und das Verbrenner-Aus durchsetzen. Das ist nun wohl vorbei.

Auf der Kippe dürfte auch das geplante Verbot „ewiger Chemikalien“ (sog. PFAS) stehen. Dabei handelt es sich um eine Gruppe aus mehr als 10.000 Stoffen, die Öl und Schmutz abweisen und sich in zahllosen Gebrauchsgütern befinden. Ohne sie würde die heutige Wirtschaft nicht funktionieren. Das Problem ist nur, dass sie widerstandsfähig sind und lange im Boden bleiben.

Umstritten ist auch das EU-Renaturierungsgesetzgesetz, dem das europäische Parlament gegen den Widerstand der EVP zugestimmt hat. Es sieht vor, dass 20 Prozent aller ökologisch geschädigten Landflächen und Meere innerhalb Europas in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden müssen. Das Gesetz wird jedoch von einigen Staaten blockiert. In Österreich hat das Gesetz zu einer Regierungskrise geführt, weil die grüne Umweltministerin gegen den Willen des konservativen Bundeskanzlers für das Gesetz gestimmt hat. Die österreichische Regierung plant, gegen das Gesetz Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu erheben.

Das Vorhaben der Kommission, den Einsatz von Pestiziden einzuschränken, ist bereits vom Tisch. Aufgeschreckt durch den Protest der Bauern, hat die Kommission ihren Vorschlag zurückgezogen. Einen neuen Anlauf wird sie nach dem Erstarken der Konservativen vermutlich nicht machen.  

Und wie steht mit dem Verbrenner-Aus? Ab 2035, so beschloss Brüssel im vergangenen Jahr, sollen in der EU keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Es sei denn, sie fahren mit E-Fuels, also mit synthetischem Sprit auf Basis von Wasserstoff, wofür sich der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) eingesetzt hat. Die EVP will das ganze Gesetz neu verhandeln und das Verbrenner-Aus kippen. Von der Leyen hat diesem Ansinnen auf dem Parteikongress der EVP in ihrer Bewerbungsrede um die Spitzenposition nicht widersprochen.

Zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit Europas hat die EU bereits zwei Initiativen ergriffen: Der ehemalige italienische Ministerpräsident Enrico Letta hat hierzu im Auftrag des EU-Rates einen „Bericht zur Zukunft des Binnenmarktes“ erstellt, in dem er vor allem für eine aktive Industriepolitik und eine starke europäische Finanzierung wirbt. Außerdem hat Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin den ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi beauftragt, Empfehlungen für ein „wettbewerbsfähiges“ Europa auszuarbeiten.

Man darf davon ausgehen, dass Mario Draghi zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auch die Schaffung einer Kapital- und Bankenunion vorschlagen wird. Der freie Verkehr von Kapital ist neben dem Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen eine der vier Säulen des Binnenmarktes. Tatsächlich bestehen aber – nach Jahrzehnten der Integration – noch immer zahlreiche Hindernisse. Deshalb gibt es im Euro-Gebiet nicht einen Kapitalmarkt, sondern 27 davon, weil jedes EU-Mitgliedsland eigene Kapitalmarktgesetze, Steuerregeln und Aufsichtsbehörden hat.

Für einen gemeinsamen Kapital- und Bankenmarkt gibt es viele gute Argumente und zahlreiche Verfechter. Das Projekt könnte aber an den Euroskeptikern in den rechten Parteien scheitern, von denen viele jetzt in das europäische Parlament einziehen. Statt die europäische Integration zu vertiefen, wollen sie vor allem die nationale Eigenständigkeit stärken.

Das Erstarken der rechten Parteien könnte insbesondere zu einem Problem im Wettbewerb mit China und den USA werden. Die Kommission will dem bisher mit bilateralen Handelsabkommen begegnen, um neue Märkte zu erschließen, stößt dabei auf den Widerstand einiger EU- Staaten. Vor allem Frankreich dringt seit langem auf Abschottung nach außen und dem Aufbau der nationalen Industrie, wenn nötig mit staatlicher Finanzierung. In diesem Punkt unterscheiden sich Macron und Le Pen kaum.

Mit dem Erstarken der Rechten im europäischen Parlament dürfte der Druck auf die EU-Kommission zunehmen, Importe vor allem aus China und den USA mit Zöllen zu belegen und die heimische Industrie mit staatlichen Subventionen zu fördern. Die Mitte Juni 2014 ohne Vorankündigung verhängten Strafzölle der EU auf den Import von chinesischen Autos zeigen, unter welchem Druck die EU-Kommission schon heute steht. Mit Sicherheit wird dieser Schritt von China mit Gegensanktionen beantwortet. Die Gefahr eines Handelskrieges steht damit vor der Tür.  

Diese Befürchtungen werden vom Centrum für Europäische Politik geteilt: „Die Konsequenz aus dem Wahlergebnis wird in vielen Mitgliedstaaten darin bestehen, sich noch stärker innenpolitisch zu orientieren und nationale ökonomische Interessen wahrzunehmen“, warnt das Centrum. „Für die EU würde ein Weg zurück in die Nationalstaaten den Tod Europas bedeuten.“     


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