Klimaschutzverträge
Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) ist nicht zu beneiden. Die deutsche Wirtschaft stagniert, und die Industrie investiert vermehrt im Ausland - vor allem wegen hoher Energie- und Arbeitskosten. Und auch in der Klimapolitik läuft es nicht rund: Der Emissionshandel und der CO2-Preis reichen nicht aus, um die Unternehmen zum Umstieg auf klimafreundliche Produktionsverfahren zu bewegen. Und nicht zuletzt rügte der Bundesrechnungshof den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Habeck zu vertreten hat, als völlig ungenügend.
Robert Habeck wäre kein politischer Profi, wenn er in dieser Lage nicht versuchen würde, die allgemeine Stimmung gegen sich mit einer neuen Idee zu drehen. Die Idee besteht aus einem milliardenschweren Förderprogramm des Bundes, mit dem die Industriebetriebe dabei unterstützt werden sollen, ihre Produktionsprozesse klimaneutral umzugestalten.
Dazu will das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit den Unternehmen private „Klimaschutzverträge“ abschließen, mit denen die Mehrkosten für eine klimafreundliche Produktion gegenüber der herkömmlichen Produktion mit fossilen Energieträgern über einen Zeitraum von 15 Jahren hinweg subventioniert werden sollen. Das darin liegende Risiko für den Staat ist Habeck durchaus bewusst. „Sollte der Marktpreis exorbitant höher sein, ist es ein Risiko für die öffentliche Hand“, sagte Habeck. Wenn die klimafreundliche Produktion allerdings günstiger wird als die mit fossilen Energieträgern, sollen die Unternehmen drei Jahre lang Geld an den Staat zurückzahlen.
Das Programm richtet sich vor allem an energieintensive Unternehmen – etwa aus der Glas-, Papier- oder Zementindustrie. Am Dienstag, dem 12. März 2024, startete bereits die erste Ausschreibung. Die Unternehmen müssen angeben, wie viel Euro sie benötigen, um eine Tonne CO2 einzusparen. „Die Unternehmen können über 15 Jahre mit einem festen grünen Energiepreis kalkulieren“, sagte Habeck. Deutschland sei das erste Land, das solche Verträge einführe. Er wolle dafür sorgen, dass die Unternehmen „nicht fossile Energien auslutschen, bis es nicht mehr geht“.
Bei den Wirtschaftsverbänden kam das Programm gut an. Siegfried Russwurn, Präsident des BDI sagte: „Umfangreiche staatliche Unterstützung ist nötig, wenn die politisch gewünschte Transformation hin zur Klimaneutralität in kurzer Zeit gelingen soll.“ Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des VCI, sprach von einem positiven Signal. Insoweit hat Habeck sein Ziel schon erreicht.
Finanziert wird das Programm aus dem Klima- und Transformationsfond (KTF). Dort sind 23 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen für die Dekarbonisierung der Industrie vorgesehen, die in diesem Jahr für Ausschreibungen verwendet werden sollen. Das Programm sei mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) abgestimmt, sagte Habeck. Im kommenden Jahr sollen weitere Ausschreibungen folgen, deren Volumen Habeck aber offen ließ. Alles in allem werde die Ampelkoalition in dieser Legislaturperiode „einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag“ für Klimaschutzverträge ausgeben, versprach Habeck. Damit sollen 350 Millionen Tonnen CO2 bis zum Jahr 2045 eingespart werden.
Klaus Schmidt, Volkswirt und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums, sagte zu den Klimaschutzverträgen, es "muss jetzt entschieden werden", da die Investitionen der Unternehmen Laufzeiten von 20 oder 30 Jahren hätten. Die Verträge sicherten die Betriebe vor politischen Unsicherheiten. Der CO2-Preis reiche aber nicht aus, weil er von der Politik auch gesenkt werden könne. Die grünen Produzenten verlören dann ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Zu Klimaschutzverträgen sieht Schmidt keine Alternative, wenn die grüne Transformation der Industrie forciert werden soll. Man dürfe aber nicht den ganzen Markt so organisieren. Vielmehr gelte es, nun zeitgleich sogenannte „grüne Leitmärkte“ für klimaneutral produzierte Produkte zu schaffen, auf denen zum Beispiel der Staat als Nachfrager und Auftraggeber auftritt. Der Gedanke dahinter sei, dass die Förderung der klimafreundlichen Produktion ohne einen solchen Markt ins Leere laufen würde.
Wir dürfen gespannt sein, wann Robert Habeck uns auch mit dieser Idee überrascht.