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Wirtschaftspolitik : Die Deindustrialisierung der deutschen Wirtschaft
18.02.2024 13:57 (437 x gelesen)

Die Deindustrialisierung der deutschen Wirtschaft

Industrie und Mittelständler beklagen sich seit Jahren über eine wirtschaftsferne Wirtschaftspolitik und die sich verschlechternden Wettbewerbsbedingungen, ohne von der Politik gehört zu werden. Wirtschaftsvertreter haben insbesondere davor gewarnt, dass der Wirtschaft in Deutschland ein wesentlicher Teil ihrer industriellen Basis wegbricht.

Jetzt – zwei Jahren nach Bildung der Ampel-Regierung - haben Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) öffentlich eingestanden, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland große Probleme hat und international an Wettbewerbsfähigkeit verliert. In dieser neuen Einsicht mag man einen ersten Erfolg sehen, sie bedeutet aber nicht, dass die Ampel-Regierung in der Lage ist, darauf die richtigen Antworten zu geben. Dafür sind die Probleme inzwischen zu groß und die Bundesregierung nach den gemachten Erfahrungen für einen grundsätzlichen Neuanfang zu schwach.

Zu einem solchen Neuanfang gehören zunächst eine ehrliche Lagebeschreibung, danach eine gründliche Analyse der Krisenursachen. Schon daran fehlt es, so dass die bisherigen Lösungsvorschläge wenig helfen. Dazu gehört auch das „Wachstumschancengesetz“ der Bundesregierung, mit dem die Liquiditätssituation der Unternehmen verbessert und Impulse für Investitionen gesetzt werden sollen. Mit dem Gesetz sollen das Steuersystem vereinfacht und kleine Unternehmen entlastet werden; außerdem enthält das Gesetz Vorkehrungen gegen unerwünschte Steuergestaltungen. Für eine wirksame Wirtschaftswende reichen solche Maßnahmen heute nicht mehr aus.

Deindustrialisierung

Unter dem Schlagwort der „Deindustrialisierung“ versteht man den Abbau der Industrie innerhalb einer Volkswirtschaft. Gemessen wird dieser Befund an der sinkenden Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes. Die Definition ist allerdings nicht so eindeutig, wie sie klingt.

Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes (Industrieanteil) an der Bruttowertschöpfung in Deutschland ist seit der Wiedervereinigung, als im deutschen Osten viele Betriebe dicht machten, von 28 Prozent auf 22 Prozent und ab 2018 weiter auf 20 Prozent gesunken. Das ist international immer noch ein hoher Wert. Zum Vergleich: Der Industrieanteil in Frankreich und in den USA liegt bei rund 11 Prozent.

Die Klagen der deutschen Unternehmer sind leichter verständlich, wenn man auf die Industrieproduktion blickt. Diese ist seit 2018 im Trend um etwa 8 Punkte gesunken; gleichzeitig ist allerding die Bruttowertschöpfung auf Grund höherer Preise um die gleiche Punktzahl gestiegen.

Ein weiterer Indikator für die Deindustrialisierung auf Grund nachlassender Standortqualität sind die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland und ausländischer Unternehmen in Deutschland. Seit 2015 sind die deutschen Direktinvestitionen im Ausland deutlich gestiegen, während die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland zumindest seit 2019 im Trend zurückgehen. 2022 flossen rund 125 Milliarden Euro mehr als Direktinvestitionen ins Ausland als hereinkamen. Das Institut der deutschen Wirtschaft sieht darin ein deutliches Zeichen, dass Deutschland für die Industrie an Attraktivität verloren hat.

Welche Industriebranchen von der Deindustrialisierung betroffen sind, lässt sich an der sinkenden Produktion seit den Jahren 2017/8 erkennen: Die chemische Industrie mit einem Minus von 20 Prozent, die Automobilindustrie mit minus 14 Prozent, die Metallindustrie mit minus 13 Prozent und der Maschinenbau mit minus 10 Prozent. Zusammen entfällt auf diese Branchen mehr als die Hälfte der Produktion im verarbeitenden Gewerbe. Ihnen ist gemeinsam, dass sie sich seit Jahren schlechter als die Konkurrenz in den anderen Staaten der Europäischen Union entwickelt haben.

Spezielle Ursachen

Für die Deindustrialisierung gibt es allgemeine und spezielle Gründe:

Zu den allgemeinen Gründen in Deutschland zählen steuerliche Nachteile, hohe Arbeitskosten, Facharbeitermangel, bürokratische Hemmnisse und politische Unsicherheiten. Dazu kommen die im internationalen Vergleich viel zu hohen Energiepreise, die sich für viele Branchen als schwere Belastung und starkes Investitionshindernis erweisen.

Laut Statistischem Bundesamt ist die Produktion in den energieintensiven Branchen 2023 um 10,2 Prozent zurückgegangen, nachdem sie schon im Vorjahr um 7 Prozent geschrumpft war. Betroffen sind vor allem die chemische Industrie, die Metallindustrie und die Glaswirtschaft, aber auch die Papierherstellung, die Kokereien und die Mineralölverarbeitung. Gemessen an der Wertschöpfung machen diese Branchen etwa 16 Prozent der Industrie aus.  „Wir gehen nicht davon aus, dass die energieintensive Produktion wieder zurückkommt“, sagte Stefan Kooths vom Kieler IfW der FAZ. „Es ist nicht erkennbar, dass Deutschland in der Energieversorgung gegenüber anderen Weltregionen wieder wettbewerbsfähiger werden kann.“

Besonders stark trifft die teure Energie die Chemieindustrie, deren Produktion im Jahr 2023 um 10,6 Prozent zurückgegangen ist, nach minus 12 Prozent im Vorjahr. Damit fiel der Chemiesektor auf das Niveau von 1995 zurück. „Goodbye Deutschland, wird mehr und mehr ein denkbares Szenario“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, der FAZ. Den Unternehmen fehle zunehmend die Perspektive für den Standort Deutschland. 

Auch der deutsche Maschinen- und Anlagenbau gehört trotz seiner besonderen Stärken nicht mehr zu den wachsenden Branchen. Das liegt einerseits an einer schwachen Weltwirtschaft und andererseits am steigenden Kostendruck, dem Fachkräftemangel und den politischen Entwicklungen im Ausland. Es gibt vor allem Anzeichen für eine Verlagerung von Investitionen in osteuropäische Länder, weil die Produktion dort kostengünstiger ist.

Außerdem werden im Maschinen- und Anlagenbau zunehmend Schwierigkeiten bei der Finanzierung und ein zähes Regulierungsumfeld als Wachstumshindernis beklagt. „Was wir momentan am wenigsten brauchen können, sind mehr Einschränkungen unternehmerischen Handelns“, sagte Bernd Jung, Leiter der Praxisgruppe Industrial Manufacturing bei PwC. „Investitionsbereitschaft und Innovationsfreude fördert dieses Klima nicht.“

Die deutsche Automobilindustrie steht vor den Herausforderungen, die sich aus der staatlich verordneten Transformation vom Verbrenner zur Elektromobilität ergeben. 2023 stieg die Produktion mit einem Plus von 11,5 Prozent, weil die Hersteller noch von einem großen Auftragspolster zehrten. Die Verkaufserfolge der chinesischen Konkurrenz in Deutschland zeigten jedoch, dass sich die hiesige Automobilindustrie nicht auf der Überholspur fühlen darf. Mit dem Wechsel zur Elektromobilität könnte mehr verloren gehen als nur der Verbrenner-Motor (Patrick Welter in FAZ vom 10. Februar 2024).

Das Beispiel Stahlindustrie

 „Stahl steht am Anfang vieler Wertschöpfungsketten“, sagte Miguel López, Vorstandschef von Thyssen-Krupp. Die deutsche Industrie basiert in besonderer Weise auf der Verarbeitung von Stahl, sei es in der Automobilindustrie, im Maschinenbau oder am Bau. Allein vier Millionen Arbeitsplätze und zwei Drittel der Exporte aus Deutschland entfallen auf stahlintensive Branchen. Zudem ist Stahl die Basis aller Energiewende-Technologien.

Tatsächlich verliert der deutsche Stahlstandort jedoch deutlich an Bedeutung. Während die Stahlunternehmen Thyssen-Krupp, ArcelorMittal, Salzgitter, Saarstahl oder Georgsmarienhütte von 2010 bis 2018 jährlich mehr als 42 Millionen Tonnen Rohstahl produzierten, ist die Produktion danach deutlich eingebrochen. Mit 35,4 Millionen Tonnen im Jahr 2023 war das hergestellte Volumen so niedrig wie zuletzt während der Finanzkrise.

„Die Jahresbilanz zeigt deutlich, dass die Lage für die Stahlindustrie sehr ernst ist“, sagte Kerstin Maria Rippe, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Die Stahlkonjunktur sei zwar seit jeher zyklisch, einen derart lang gezogenen Einbruch habe es in Deutschland bislang aber noch nicht gegeben. Als Grund dafür nannte Rippel die schwache Nachfrage, vor allem aber die hohen und nicht wettbewerbsfähigen Strompreise. Zudem steht die Stahlbranche vor einer herausfordernden Umstellung der Produktionstechnik.

Der Rohstahl wird in Deutschland entweder über die Hochofenroute mit Koks und Kohle oder strombasiert in sogenannten Direktreduktionsanlagen hergestellt. Die Bundesregierung fördert die Stahlhersteller im Rahmen ihrer klimapolitischen Ziele bei der „Transformation“ vom Kohlestahl auf den Elektrostahl mit Milliardenbeträgen. So kostet allein das von Thyssenkrupp in Duisburg geplante Vorhaben zur Dekarbonisierung etwa drei Milliarden Euro, wobei zwei Drittel aus staatlichen Fördertöpfen stammen.

Die Stahlbranche sieht durchaus die Gefahr, dass die Transformation zum grünen Stahl wegen der hohen Strompreise und des weiteren Absinkens des Produktionsvolumens misslingen kann. Am Beispiel des Stahlwerks von Thyssenkrupp in Duisburg erläuterte Konzernchef Bernhard Osburg, um welche Dimensionen es sich handelt: Der derzeitige Betrieb benötigt 4,5 Terawattstunden Energie. „Wenn wir klimaneutral produzieren, verzehnfacht sich dieser Bedarf.“ Die dann benötigten 45 Terrawattstunden entsprechen dem 4,5-fachen Strombedarf der Stadt Hamburg. „Das sind Dimensionen, die vielen noch gar nicht bewusst sind“, warnte der Manager.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betont zwar die Bedeutung der Stahlindustrie für die deutsche Wirtschaft und insbesondere deren Umstellung auf Elektrostahl. Fraglich ist aber, ob die Bundesregierung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Grenzen schuldenfinanzierter Staatsausgaben überhaupt noch in der Lage ist, der Industrie dafür die benötigte finanzielle Unterstützung zu geben. Bernhard Osburg warnte bereits: „Wenn die Politik jetzt keine klare Antwort findet, wie die Transformation der Industrie verlässlich finanziert werden kann, droht ein Stillstand bei Investitionen und bei zentralen Projekten der Transformation mit weitreichenden Folgen für die Klimaschutzziele, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes und für die Beschäftigung“.

Kritik gibt es auch von fachlicher Seite. Der Ökonom Lars Feld, Leiter des Walter-Eucken-Instituts in Freiburg, hält finanzielle Hilfen des Staates für den klimafreundlichen Umbau der Stahlindustrie in Deutschland für einen Fehler. „Es gibt jederzeit die Möglichkeit, Stahl von außen zu importieren“, argumentiert der Wissenschaftler. „Wir leben in einer hocharbeitsteiligen Wirtschaft. Grüner Stahl kann beispielsweise aus den USA kommen.“ Die deutsche Stahlindustrie rechnet Lars Feld dagegen zu den „Altindustrien“, die keine Förderung verdienen.

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl kann diese ablehnende Einschätzung nicht nachvollziehen und betont die Verflechtung mit anderen Industrien und dem Mittelstand. So argumentiert auch der Thyssenkrupp-Chef Miguel López: “Stahl, Automobilfabriken und andere Branchen bilden ein Cluster. Wer das eine verliert, würde auf Dauer auch große Schwierigkeiten haben, das andere zu sichern.“

Das Rezessionsjahr 2023

Auf ein schnelles Anspringen der wirtschaftlichen Konjunktur in Deutschland kann die Stahlbranche nicht hoffen. Nach den beiden Schrumpfungsjahren 2009 und 2020 als Folge der Finanz- und der Corona-Krise ist die deutsche Wirtschaft 2023 erneut um 0,3 Prozent geschrumpft.

Auch für 2024 sehen die Konjunkturforscher keine Besserung. Das Ifo-Institut erwartet für 2024 nur noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,7 Prozent. Die meisten Prognostiker sind pessimistischer und erwarten für dieses Jahr nur noch ein Wirtschaftswachstum von knapp 0,3 Prozent. Deutschlands Wirtschaft stagniert also.

Begründet wird die wirtschaftliche Stagnation von den Ökonomen mit der Zinspolitik der Bundesbank, unter der vor allem die Bauwirtschaft leidet, und mit den Ausgabenkürzungen des Bundes auf Grund des Verfassungsgerichtsurteils. Ein weiterer Grund ist der Handlungsdruck, unter dem wichtige Industriebranchen wie Stahl, Zement oder Chemie stehen, um die verordnete Dekarbonisierung in Deutschland umzusetzen.

An Zielen mangelt es den Unternehmen laut einer Untersuchung der Wirtschaftsberatungsgesellschaft EY nicht. Fast die Hälfte der befragten Betriebe strebt an, in Zukunft die Emissionen auf netto Null zu bringen. „Allerdings tun sich viele Unternehmen schwer, ihre Ziele in die Tat umzusetzen“, heißt es in der Untersuchung. Das liegt zum einen an Finanzierungsproblemen, aber auch an stark gestiegenen Energie- und Personalkosten und vor allem an den Umsatz- und Ertragsrückgängen angesichts der anhaltenden Konjunkturflaute. Außerdem beklagen die Betriebe standortspezifische Hindernisse durch bürokratische Vorschriften und teils sehr lange Genehmigungsverfahren.

„Nun geht es darum, auch in Produktionsabläufe einzugreifen oder sogar den gesamten Prozess zu verändern“, erklärte EY-Experte Simon Fahrenholz. Das aber sei deutlich schwieriger, weil Maschinen und Anlagen vielfach noch nicht abgeschrieben seien oder die nötige Technik noch nicht ausgereift sei. Fahrenholz rechnet daher mit etlichen Zielkorrekturen in den kommenden Jahren.    

Vom Ausland her erwarten die meisten Konjunkturforscher wegen der abschwächenden Konjunktur in den USA und der Immobilienkrise in China nur geringe Impulse. Wie drastisch die Wachstumsprognosen revidiert werden müssen, zeigt das Beispiel der Bundesregierung. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte Mitte Februar 2024, dass die Regierung ihre Prognose von 1,3 auf 0,2 Prozent herabsetzen werde. Entsprechend sind die Einnahmen des Staates aus Abgaben und Steuern zu korrigieren. Das sei „dramatisch schlecht“ sagte Habeck.

Bestätigt werden die Pessimisten durch Umfragen unter Unternehmern und Verbrauchern. Laut Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft erwarten nur 9 von 47 Wirtschaftsverbänden ein Ansteigen der Produktion ihrer Unternehmen. 23 Verbände rechnen sogar damit, dass es noch schlechter werden wird. 22 Verbände rechnen mit einem Rückgang der Investitionen. Besonders gilt das für die energieintensiven Wirtschaftsbereiche und für das Baugewerbe.

Auf europäischer Ebene sieht es nicht viel besser aus. Nach der jüngsten Prognose der Europäischen Kommission ist das Bruttosozialprodukt im Euroraum 2023 nur um 0,5 Prozent gewachsen. Dieses schlechte Ergebnis beruht in erster Linie auf dem Schrumpfen der Deutschen Wirtschaft. In Frankreich ist die Wirtschaft 2023 um 0,9 Prozent, in Italien um 0,7 Prozent und in Spanien sogar um 2,5 Prozent gewachsen. Deutschland bildet unter den europäischen Volkswirtschaften inzwischen das Schlusslicht.

Wirtschaftspolitische Konsequenzen

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte mit Blick auf das prognostizierte Wirtschaftswachstum für 2024 von nur 0,2 Prozent: „Ich finde das nachgerade peinlich und in sozialer Hinsicht gefährlich.“ Das „Aufstiegsversprechen“ in der Gesellschaft sei in Gefahr. Es brauche eine Wirtschaftswende.

Dazu meinte Robert Habeck (Grüne), dass Deutschland zu den Schlusslichtern beim Wachstum gehöre, dürfte Lindner nicht peinlich sein, weil die Schuld dafür bei Lindner und seiner Partei liege, mit denen eine Aufweichung der Schuldenbremse nicht zu machen sei. Aber nur mit zusätzlichen kreditfinanzierten Milliardenprogrammen sei eine Lösung für viele wirtschaftlichen Probleme möglich. „Alle müssen raus aus ihren gemütlichen Ecken, die Zeit für Gemütlichkeit ist wirklich vorbei“, sagte Habeck an die Adresse der Liberalen. So gut wie alle Ökonomen seien für die Aufweichung der Schuldenbremse, auch in der CDU/CSU bewege sich etwas.  

Außerdem verwies Habeck auf die Verfassungsrichter in Karlsruhe, die mit ihrem Urteil zum Haushalt vom November 2023 für die Einhaltung zwingender Haushaltsgrundsätze gesorgt hatten. Dadurch würde 2024 weniger Geld für Staatsausgaben zur Verfügung stehen, und das kostete nun einmal Wachstum.

Mit dem Versuch, die Schuld bei anderen zu suchen, macht Habeck jedoch sich selbst und der Öffentlichkeit etwas vor. Der Regierungsentwurf des Bundeshaushalts sah ursprünglich Ausgaben in Höhe von 446 Milliarden Euro vor. Obgleich 60 Milliarden Euro auf Grund des Urteils der Verfassungsrichter gestrichen werden mussten, endet der endgültige Bundeshaushalt mit Ausgaben in Höhe von 477 Milliarden. Der Haushalt 2024 ist also kein Sparhaushalt, wie Habeck behauptet, und das Urteil des Verfassungsgerichts hat mit den schlechten Wirtschaftszahlen nichts zu tun.

Das schwache Wirtschaftswachstum hat aus Sicht des Ökonomen Jens Südekum andere Ursachen, vor allem die gestiegenen Zinsen und die schwächelnde Weltkonjunktur. „Dagegen setzt der Staat zwar keine großen Impulse, aber er hat keine Vollbremsung hingelegt, wie einige behaupten“, sagte Südekum. Die konjunkturelle Wirkung des Bundeshaushalts sei „tendenziell neutral“.

Auch Habecks Behauptung, so gut wie alle Ökonomen seien für eine Aufweichung der Schuldenbremse, ist nicht richtig. Laut einer Umfrage des Münchner Ifo Instituts und der FAZ unter 187 Volkswirtschaftsprofessoren wollen 48 Prozent die Schuldenbremse so belassen, wie sie ist; 44 Prozent wollen sie reformieren; 6 Prozent sprachen sich für ihre Abschaffung aus und 2 Prozent enthielten sich. Doch selbst bei den Ökonomen, die die Schuldenbremse reformieren wollen, stehen nur wenige für das, was Habeck fordert, nämlich eine Finanzpolitik, die für seine klimapolitischen Ambitionen keine Grenzen kennt.   


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