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Kernfragen der Klimapolitik
21.05.2023 16:29 (1243 x gelesen)

 

Kernfragen der Klimapolitik

Gespräch von Dr. Josef Schlarmann mit Dr. Philipp Lengsfeld, Gründer, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor der re:look climate gGmbH, eines kleinen freien wissenschaftlichen start-up, welches sich mit Fragen der Klima- und Umweltwissenschaft beschäftigt

Teil 2 Über die Kernfragen in der Klimaproblematik

Frage:

Lieber Herr Lengsfeld, im Teil 1 unserer Diskussion haben wir uns mit dem sogenannten Klima-Konsens auseinandergesetzt – Sie haben darauf hingewiesen, dass die re:look climate nicht nur den 97.1% claim entzaubert hat, sondern letztlich festgestellt hat, dass die Datenlage zu GHG-AGW* erstaunlich dünn zu sein scheint. Haben Sie hier inhaltlich noch weitere Erkenntnisse?

Antwort:

Ich würde sagen ja: Mein Team und ich haben versucht uns mit den Säulen der momentanen GHG-AGW-Hypothese auseinanderzusetzen.

Lassen Sie mich dies aus meiner Sicht präzisieren: Im Kern beruht die GHG-AGW-Hypothese auf Klima-Modellierungen, mit zwei Kernannahmen: CO2/AGW-Forcing-Parameter und der Frage der CO2-Verweilzeit in der Atmosphäre. Die Kombination beider Parameter bedingt dann die Bedeutung von zusätzlichem menschgemachten CO2 durch fossile Verbrennung für die Klimarechnungen.

Nehmen wir den zweiten Punkt, die CO2-Verweilzeit, zuerst: Sie haben ja sicherlich bestimmt auch schon mal davon gehört, dass Teile des CO2 sehr lange in der Atmosphäre verweilen. Manchmal wird sogar das Bild eines „CO2-Endlagers“ in der Atmosphäre bemüht. Dieser Punkt spielt auch eine sehr große Rolle bei der Frage historischer vs. aktueller gesellschaftlicher Verantwortung – der wirklich kleine Beitrag von Deutschland an den aktuellen CO2-Emissionen im Vergleich zu China, Indien oder den USA wird gerne mit dem Verweis auf die kumulative historische Verantwortung gekontert. Die entsteht aber durch die angenommene lange Verweildauer.

Auch bei der sogenannten Attributionsforschung spielt die CO2-Kumulation eine enorme Rolle – es gibt ja an mehreren Orten der Welt den Versuch Firmen oder gar Länder für lokale Wetterkatastrophenereignisse und ihre jeweiligen Schadwirkungen in Mithaftung zu nehmen mit der Begründung, durch massive historische Emissionen hätte die jeweilige Firma bzw. das jeweilige Land eine Mitschuld oder Mitverantwortung für die in Rede stehende Katastrophe.

Frage:

Was ist der wissenschaftliche Kern dieser Frage?

Antwort:

Der wissenschaftliche Kern dieser Diskussion ist eigentlich sehr leicht zu verstehen: Wie lange verbleibt das CO2 tatsächlich in der Atmosphäre?

Und hier hat die re:look climate zwar keine eigenen Daten erhoben oder Rechnungen durchgeführt, aber wir haben die wissenschaftliche Diskussion sehr genau analysiert und verfolgt. Die aktuelle GHG-AGW-Lehrmeinung ist dabei das sogenannte Berner Modell:  Teile des CO2 verbleiben sehr lange in der Atmosphäre. Dieses Resultat erhält man in den entsprechenden Modellrechnungen durch die Einführung langsamer Zeitkonstanten in zweiter, dritter und vierter Ordnung. Aber dies ist auch ein Grundprinzip, Grundproblem von Modellen – es kommt letztlich das raus, was man als Annahme reingesteckt hat. Diesen Mechanismus könnte man so nennen: Eingabe in Modell treibt Output des Modells.

Für das Berner Modell heißt das konkret: Ja, es werden lange Verweilzeiten des CO2 in der Atmosphäre gefunden, aber die sind letztlich schon in den Grundannahmen der Rechnung angelegt. Mit drastischen Konsequenzen: Nimmt man langsame Abnahmemechanismen an, rechnet lange Verweildauern in der Atmosphäre und kombiniert diese mit starken forcing-Parametern, dann hat man eine GHG-AGW-Modellierung mit starken menschgemachten Effekten.

Kombiniert man diese Annahmen mit einer Annahme eines weiter drastisch steigenden CO2-Ausstoßes weltweit, diese Szenarien werden in der aktuellen Diskussion RCP, representative carbon pathways genannt, dann ergibt sich das extreme RCP-8.5-Szenario: Mit Annahme weitere drastischer CO2-Emissionen (ungefähre Verdopplung des jetzigen weltweiten Ausstoßes bis 2040) ergibt sich ein Erwärmungsszenario von plus 5 Grad zum vorindustriellen Niveau.

Dieses Szenario ist der reinste Klimahorror, auch weil bei diesen Szenarien sogenannte Kipppunke wahrscheinlicher erscheinen – RCP-8.5 ist oft die Basis für diverse politische Angst- und Untergangsszenarien (im Anhang finden Sie einen Link zu der Diskussion um dieses Szenario). Trotzdem enthält diese Modellierung gleich drei fundamentale Annahmen, die jede für sich genommen schon sehr fragwürdig ist – nur durch die Kombination ergibt sich dann das Angstzukunftsbild.

Frage:

Bleiben wir zunächst beim ersten Parameter: Wie gut ist die Beweislage für eine Langverweildauer von CO2 in der Atmosphäre?

Antwort:

Sehr dünn, um es milde auszudrücken: Dabei muss man sich eines klarmachen: Jedes Modell ist nur so gut, wie seine Annahmen. Nur wenn man die Annahmen wirklich plausibel sind, kann man mit den Ergebnissen gut weiterarbeiten. Das Berner Modell ist schlicht die Rechnung mit der Annahme, dass es mehrere CO2-Entzugsmechanismen aus der Atmosphäre gibt und dass die langsamen eine bedeutende Rolle spielen und die schnellen behindern – damit errechnet das Modell natürlich eine lange Verweildauer von CO2 in der Atmosphäre.

Was passiert aber, wenn man diese Annahme einfach nicht macht, sondern eine einfache Absorptionsrate erster Ordnung rechnet?

Diese Art von Ansatz ist in der Wissenschaft schon mehrfach versucht worden und kürzlich von Dengler und Reid noch mal sehr stringent durchexerziert worden (Link zur Publikation im Anhang): Dabei stellt sich raus, dass komplexe Annahmen für den CO2-Zyklus überhaupt nicht notwendig sind – ein einfacher Summenparameter erklärt die Daten völlig ausreichend. Eine elegante Rechnung, aber mit einem dramatischen Ergebnis, was die Bewertung der Folgen angeht. Dengler und Reid errechnen eine Halbwertszeit des CO2 in der Atmosphäre von 28 Jahren und errechnen mit einem realistischen CO2-Emissionsszenario einen CO2-Gehalt in der Atmosphäre im Jahr 2100 von 475 ppm. Dies würde gemäß der aktuellen Klimamodelle nicht zu einer Erwärmung jenseits von 2°C oberhalb des vorindustriellen Niveaus führen – die Temperaturziele gemäß des Pariser Abkommens wären damit erfüllt, zumindest bezüglich CO2. Und das schlicht durch besseres Rechnen.

Frage:

Also lügen die momentanen Modellierungen?

Antwort:

Nein, ein Modell lügt nicht, sondern rechnet. Auch Daten können nicht lügen, sondern sind da. Aber was man sich klar machen muss ist die Frage, wie gut sind die Daten? Wie gut sind die Modelle? Was wurde eigentlich gerechnet? Und was folgt daraus?

Frage:

Wie bewerten Sie die momentanen Modellierungen?

Antwort:

Ich argumentiere jetzt an dieser Stelle nicht rein sachlich, sondern etwas pointierter: Bei den Modellen hängt alles davon ab, wie diese konstruiert, aber eben auch wie diese gefüttert werden. Im Englischen gibt es den drastischen Merkspruch: GI-GO: Garbage in, garbage out – wenn man falschen Annahmen reinsteckt, kommt überraschend nichts Belastbares raus.

Für die Klimamodellierungen würde ich dies und das ist zunächst eine persönliche Bewertung von mir im Deutschen vielleicht zu AR-PR übertragen: Angst rein Panik raus – seit dem Club of Rome werden Teile der modernen Wissenschaften auch von einer gehörigen Portion Angstmache dominiert: Zunächst war es die Angst vor der Bevölkerungsexplosion in Kombination mit Rohstoffknappheit. Hier rechneten dann die Modelle schreckliche Hungerkatastrophen und andere Schreckensszenarien. Mit bekanntem Schluss: Zwar hat sich die Weltbevölkerung seit den 70ern von 4 auf 8 Milliarden verdoppelt, aber die Schreckensszenarien mussten um 50-100 Jahre in die Zukunft verschoben werden.

Mit GHG-AGW wurde es wissenschaftlicher und subtiler: Jetzt wurde die Angst vor dem Wachstum über den CO2-Ausstoß sublimiert, aber letztlich ist es immer noch eine Angstannahme: Und so laufen die Modelle: Man steckt Fortschrittsangst rein und es kommen Schreckensszenarien raus. Übrigens stört dabei die CO2-arme Kernkraft: Eine klare Wachstums- und Fortschrittstechnologie, die sich überhaupt nicht negativ in den klassischen CO2-Modellierungen auswirkt.

Frage:

Aber die GHG-AGW haben einen wissenschaftlichen Kern?

Antwort:

Natürlich. Bei der GHG-AGW-Modellierung sind dies die schon angedeuteten drei Faktoren: Die Annahme für das GHG-forcing, die CO2-Verweildauer und die Annahme für den zukünftigen menschengemachten CO2-Emssionsverlauf.

Verfeinert werden die Szenarien durch Rückkopplungen und die Annahme von möglichen Kipppunkten.

Frage:

Rückkopplungen und Kipppunkte verschärfen das Bild in einem Szenario?

Antwort:

Genau: Weil Modellierungen so sensitiv auf Annahmen reagieren ist es auch zentral wichtig hier einen hochseriösen, wissenschaftlichen Umgang zu pflegen. Deshalb gibt es auch Richtlinien für gute Modellierungspraxis. Die re:look climate versucht da momentan z.B. mit dem PIK, dem Potsdamer Institut für Klimafolgenabschätzung in einen Dialog zu treten.

Ein policy (or intention)-driven evidence making gilt es dabei unbedingt zu vermeiden.

Und die Kipppunktszenarien?

Hier verweise ich auf einen kürzlich erschienenen Hintergrundbericht des Wissenschaftsjournalisten Axel Bojanowski, der sich intensiv damit beschäftigt hat, wie die Kipppunkte in die Klimadiskussion Einzug fanden und dort dann enorme Wirkung entfalteten (Link in den Quellen): Mich persönlich erinnert dies sehr stark an die Klima-Konsens-Diskussionen, die wir im Teil 1 unseres Interviews besprochen haben.

Frage:

Mir wird bei Ihrer Beschreibung der GHG-AGW-Modelle etwas mulmig: Aber basieren die Modellierungen nicht auf plausiblen, hochsuggestiven Daten, nämlich dem Anstieg der Temperatur- und des CO2 in der Neuzeit?

Antwort:

Sehr gut, dass Sie dies fragen, denn dieser Punkt ist natürlich auch zentral. Und während wir beim Thema Modellierung noch relativ am Anfang stehen, sind wir beim Thema unterstützende Daten relativ weit.

Die erste auch für mich durchaus überraschende Erkenntnis war dabei: Es gibt auch bei diesen Daten sehr viel Raum für Interpretationen. Und es gibt vor allem keine Datensätze, die nicht durch teils aufwändige Modellierungs- und Rechnungsprozesse gegangen sind. Bei Temperaturdaten ist dies noch leicht verständlich: Verlässliche Thermometer gibt es noch nicht so lange. Und auch da, wo es lange, gute Datenreihen gibt, muss man gegebenenfalls für Urbanisierungseffekte oder andere Störungen korrigieren, wenn man wirklich einen rein durch großklimatische Effekte getriebenen Temperaturverlauf sucht.

Frage:

Auch die Welt der Klimadaten der Vergangenheit ist eine Welt voller Modellierungen und Annahmen?

Antwort:

So ist es, aber wie oft in der Wissenschaft eröffnet sich ein weiteres Universum: Die Welt der Paleowissenschaften ist ein faszinierendes Gebiet mit Temperatur-Proxys aus dem Bereich Botanik (z.B. Baumringe) oder Geologie (z.B. Stalaktiten, Sedimente). Eine verlässliche Rekonstruktion einer z.B. regional repräsentativen Temperaturkurve für die letzten 2000 oder 5000 Jahre ist dabei alles andere als trivial. Aber eines ist ganz sicher: Die Temperatur hat sich regional und global in den letzten 10.000 Jahren stark gewandelt und die sogenannte Temperatur-Hockeyschlägerkurve ist nicht nur „umstritten“, sondern wissenschaftlich praktisch widerlegt.

Ähnlich wie bei Modellierungen müssen auch bei der Rekonstruktion von Temperaturdaten ganz strenge Maßstäbe angelegt werden: Ich habe zu dieser Frage mit einem externen Partner publiziert (Link in Quellen).

Frage:

Sie erwähnten die berühmte Temperaturhockeyschlägerkurve des bekannten Klimaforschers Michael Mann. Aber gibt es nicht auch eine ähnliche, sehr suggestive Kurve über den CO2-Verlauf der Vergangenheit? Auch ein Hockeyschläger mit sehr langem, sehr konstantem Verlauf und einem rasanten Anstieg in der Neuzeit?

Antwort:

Richtig. Aber auch die Rekonstruktion der Zusammensetzung der Paleoatmosphäre, z.B. des CO2-Gehalts ist aber alles andere als trivial – hier sind wir in der Welt der Eisbohrkerne und auch hier gibt es keinen Datensatz ohne komplexe Modellierungen und Anpassungen.

Ob hier die von Ihnen richtig erwähnte CO2-Hockeyschlägerkurve („Keeling-Kurve“) Bestand hat, dazu habe ich eine persönliche-wissenschaftliche Einschätzung, aber hier müssen die re:look climate und ich noch etwas arbeiten. Fakt ist, dass auch hier sich die vermeintlich eindeutige Sachlage bei näherer Betrachtung als alles andere als gesichert darstellt.

Frage:

Sie sagen, dass die Temperatur- und vielleicht auch die CO2-Daten der Vergangenheit gar nicht so eindeutig sind. Da muss ich aber an die sogenannten Klimastreifen denken: Waren die nicht ein ungeheurerer Erfolg?

Antwort:

Natürlich. Unbestritten.

Der Meteorologe und Klimaaktivist Ed Hawkins aus England hat damit einen wirklichen Großerfolg hingelegt.

Wir als re:look climate haben uns mit der Thematik auch befasst und wie Sie in unseren Beiträgen dazu nachlesen können (siehe Links im Anhang): Auch hier gilt wieder: Absicht rein - Wirkung raus - Ed Hawkins hat länger mit der Visualisierung von Temperaturverläufen experimentiert und letztlich gemerkt, dass die simplistischste Darstellung die mit Abstand größte Wirkung erzielt – schade, dass er dazu nie etwas wissenschaftlich veröffentlicht hat. Als Werkzeug der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung sind die Klimastreifen jedenfalls nicht wirklich gut geeignet – als medial-politische Signal- und Parteigeber dafür umso mehr.

Frage:

Je länger ich Ihnen zuhöre, desto mulmiger wird mein Gefühl, was die momentane politische Diskussion in Deutschland und im Westen angeht – bauen wir ein Angstgebäude auf Sand?

Antwort:

Hier kann und werde ich definitiv keine Antwort als Wissenschaftler oder für die re:look climate geben: Wissenschaft kann und sollte sich nur um die Daten und Fragestellungen kümmern, die politischen Schlussfolgerungen müssen andere ziehen.

Aber als Alt-MdB und politisch denkende und handelnde Person will ich Ihnen auch die Antwort nicht ersparen: Die gute Nachricht ist: Ich halte die Angstszenario-Datenbasis der momentanen „Klima“politik für alles andere als sattelfest. Die schlechte Nachricht ist: Deshalb bin ich politisch auch sehr unzufrieden mit dem momentanen deutschen und auch europäischen Klima- und Energiekurs vor allem in Hinblick auf die -wie ich sie nenne- CO2-Planwirtschaft.

In Deutschland kommt verschärfend hinzu, dass der Kernkraftausstieg auch noch diametral den europäischen und deutschen CO2-Zielen zuwiderläuft. Politischer Wider- und Irrsinn pur.

Frage:

Was kann gemacht werden, damit die Umweltpolitik in Deutschland wieder vernünftiger und datenbasierter abläuft?

Antwort:

Auch hier antworte ich nicht als reiner Wissenschaftler, sondern mit der Summe meiner bisherigen Erfahrung: Die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Weg von Angstmodellierungen, hin zu konkreten kurz- und mittelfristigen Anpassungs- und Verbesserungsschritten: Wohl durchdacht, auf soliden Daten mit handfesten, aber erreichbaren Zielen, nicht gegen, sondern mit der Gesellschaft und den Menschen.

Ich nehme mal ein konkretes Beispiel aus dem momentan stark diskutierten Verkehrsbereich: Welche Geschwindigkeiten sind auf deutschen Straßen für unsere heutige Zeit und die nähere Zukunft die Richtigen? Für mich ist die Sache relativ eindeutig: Tempo 130 auf Autobahnen und ein Konzept von Tempo 40/20-Konzept in Großstädten.

Frage:

Das sagen Sie jetzt als Politiker, nicht als Wissenschaftler?

Antwort:

Ja und nein.

Zentral wichtig ist die Rollentrennung. Und realistische, adaptive Erwartung: Wissenschaft kann der Politik nur gute Antworten auf klar formulierte Fragen liefern. Je besser die Frage, je geschickter die Auswahl der Institutionen, die auf die Frage angesetzt werden und je wettbewerblicher und offener der Prozess, desto besser und vor allem belastbarer das Resultat.

Im konkreten Bespiel: Wenn die Fragen klar und offen formuliert werden, es geht ja nicht nur um CO2, dann werden wissenschaftliche Untersuchungen bestimmt das Tempo 130 auf Bundesautobahnen als überlegen gegenüber dem jetzigen Ist-Zustand feststellen. Und in Großstädten ist das Tempo 40 (auf Hauptstraßen) und Tempo 20 (in Wohnvierteln und bei Geschwindigkeitsbegrenzungen) garantiert dem jetzigen 50/30, aber auch dem momentan von Seiten insbesondere der Grünen propagierten flächendeckenden Tempo 30 überlegen.

Die Politik oder meinetwegen die Gesellschaft müssen die richtigen Fragen an die Wissenschaft stellen, aber das enthebt sie nicht der politischen Verantwortung: Die Durchsetzung von gegebenenfalls zunächst vielleicht nicht von allen sofort unterstützten Änderungen und Verbesserungen.

Frage:

Und im Bereich Umweltpolitik?

Antwort:

Bei Wetter, Klima- u Umweltfragen sind die Fragen etwas komplexer, aber letztlich läuft alles nach dem gleichen Schema ab: Richtig ist die gezielte Konsultation von Wissenschaft. Aber Wissenschaft kann nur Szenarien entwerfen, Konzepte andenken. Es gibt keine eineindeutigen Antworten. Entscheiden muss Politik und Gesellschaft: Was wollen wir versuchen? Welchen Zustand wollen wir erreichen? Welche Absicherung gibt es, um Fehlentwicklungen schnell zu erkennen und abzustellen?

Gefährlich ist dagegen eine Politisierung von Wissenschaft. Die missbräuchliche Beeinflussung durch politische Vorgaben, vordefinierte Wunschergebnisse, selektives Funding, Denkverbote und Kampagnen gegenüber Wissenschaftlern, die unliebsame Analysen durchführen - hier gibt es ein ganzes Arsenal von missbräuchlichen Techniken (siehe unsere re:look climate Aufriss im Anhang als link): Das ist schlecht und gefährlich für die Wissenschaft und die Gesellschaft.

Nur mit einem offenen, responsiven, sich gegenseitig kontrollierenden, transparenten, wettbewerblichen, also letztlich durch und durch demokratischen System werden wir mit den besten und innovativsten Lösungen immer zwei Schritte vor autokratischen und geschlossenen Planwirtschaftssystemen sein.

Frage:

Wo stehen wir da gerade in unserem Land?

Antwort:

Ich bin nicht ganz sicher, aber ich habe schon den Eindruck, dass Deutschland oft sehr kollektivistisch agiert, gerne in vielen gesellschaftlichen Fragen eher auf einen Experten-Konsens hofft, statt sich in harte Diskussions- und Lösungsarbeit einzubringen und schlicht auch in Fragen der Eigenverantwortung erstaunlich passiv wirkt.

Hier mache ich auch ein Fragezeichen an ein momentan oft zu beobachtendes Verhalten der Industrie: Ein Klassiker ist für mich das Verhalten der Atomindustrie, die sich irgendwann komplett in ihr Schicksal gefügt hat, ohne dass man verstünde, was sie eigentlich gehindert hat für ihre Produkte, also ihre Technologie, ihre Mitarbeiter und vor allem ihre Kunden, die Bürgerinnen und Bürger und die energieintensive Industrie einzustehen. Insbesondere, da der Atomaussieg mittlerweile fast eine Art deutscher Sonderspleen ist…

Industrie hat wie Politik eine komplette Eigenverantwortung.

Und Wissenschaft ist von beiden getrennt, kann aber ohne Gelder von Politik oder Industrie nicht bestehen.

Aber ich sehe auch viele positive Ansätze, Dinge geraten in Bewegung, gesellschaftliche Kräfte sind an wirklichen Lösungen, auch hart errungenen, guten Kompromissen interessiert.

Und diese Prozesse kann man unterstützen: Es gibt viele in der Wissenschaft, die sich selbst auferlegt haben, z.B. keine Gelder von der Industrie als Ganzem oder bestimmten Industrien anzunehmen – die re:look climate gGmbH gehört absolut nicht dazu. Im Gegenteil, ich halte es für einen Fehler. Wir würden Industriegelder annehmen, genau wie wir ordentliche Privatspenden begrüßen – Wissenschaft kostet halt Geld. Aber wir haben deutliche Herausforderungen: Liegt das vor allem an uns? Vielleicht, man kann immer in allen Bereichen besser werden und wir versuchen das auch, aber ich spüre schon häufiger eine gewisse Zurückhaltung, ja auch oft eine gewisse Ängstlichkeit. Man möchte sich nicht exponieren.

Dabei ist mit unserer Gemeinnützigkeit alles geregelt: Die gemeinnützige re:look climate steht dafür ein, dass Spenden gemäß Satzung, also bei uns für Förderung von Wissenschaft und Forschung verwendet werden, der Staat kontrolliert dies und die Spender können ihre Gelder von der Steuer absetzen. Sie müssen sich nicht nur keinerlei Vorwurf gefallen lassen, sondern könnten zu Recht stolz darauf verweisen für gemeinnützige Zwecke, hier für die Stärkung von freier Wissenschaft gespendet zu haben.

Frage:

Ich denke, mit diesem Interview setzen Sie ja auch ein Zeichen: Freie Wissenschaft kann ziemlich einfach unterstützt werden.

Antwort:

Genau. Wir sind da, aber wir brauchen die Unterstützung, denn sie ist die Basis unserer Arbeit. Und deshalb bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Dr. Schlarmann, ganz herzlich für die Möglichkeit die re:look climate gGmbH und unsere Arbeit bei Ihnen so ausführlich darstellen zu können.

Quellen:

Quellen zum Thema: CO2-Szenarien, Verweilzeiten, Kipppunkte und historische Temperaturdaten (Teils in Deutsch, teils in Englisch)

Eine kritische Einordnung des RCP-8.5-Szenarios

RCP-8.5: Business-As-Usual or Unrealistic Worst-Case? The contested interpretation of climate change scenarios – Climate Matters (uni-hamburg.de)

Arbeit von Dengler und Reid zum Thema CO2-Verweildauer

Atmosphere | Free Full-Text | Emissions and CO2 Concentration—An Evidence Based Approach (mdpi.com)

Axel Bojanowski über die Geschichte der Klima-Kipppunkte

Kipppunkte im Klima die ganze Geschichte (substack.com)

Arbeit von Sebastian Lüning und Philipp Lengsfeld zum Thema Qualitätskritierien für Temperaturrekonstruktionen

Earth | Free Full-Text | How Reliable Are Global Temperature Reconstructions of the Common Era? (mdpi.com)

Kritische Beleuchtung der Klimastreifen durch die re:look climate

Diskussion Klimastreifen (Teil I) (Darstellung und Referenztemperatur) (relook-climate.de)

Über Temperaturstreifen - Teil 2: Der abgebildete Datenzeitraum (relook-climate.de)

Gefahren für die Wissenschaft: Ein re:look climate Aufriß:

Scientism – con’t: Threats to the Integrity of Science (relook-climate.de)

Sie können der re:look climate gGbmH spenden:

Spendenaufruf | re:look climate gGmbH (relook-climate.de)

Sie können Dr. Philipp Lengsfeld auch gerne direkt schreiben: Als Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor der re:look climate gGmbH: lengsfeld@relook-climate.de oder als in Politik und Öffentlichkeit Agierender unter: p.lengsfeld@arcor.de.

++++Ende Teil 2 und Abschluss ++++


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