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Klima und Energiewende : Ideologie und Dirigismus bei den Grünen
18.03.2023 22:10 (783 x gelesen)

Ideologie und Dirigismus bei den Grünen

Die zurückliegenden Wahlen haben gezeigt, dass das Thema Klimawandel die Wähler, insbesondere junge weibliche Wähler, mobilisieren kann und den Grünen beachtliche Erfolge beschert. Die Grünen haben inzwischen in vielen politischen Fragen - der Klima- und Energiepolitik, der Wirtschafts- und Verkehrspolitik und in der Gesellschafts- und Kulturpolitik - die politische Deutungshoheit erlangt und geben die politische Richtung in Deutschland vor. Der Partei gelingt es seit Jahren, die anderen politischen Parteien und die jeweilige Bundesregierung mit ihren klimapolitischen Forderungen vor sich herzutreiben und zu verhindern, dass marktwirtschaftliche Lösungen umgesetzt werden. Mittlerweise haben sie es sogar erreicht, dass sich bedeutende Politiker aus dem bürgerlichen Lager als engagierte Klimapolitiker in Szene setzen und dirigistische staatliche Eingriffe befürworten.
Die Grünen verstehen sich als postindustrielle Partei und als die Verkörperung des modernen Zeitgeistes. Tatsächlich gehören sie inzwischen – auch dank der medialen Öffentlichkeit – mit ihrem kosmopolitisch-städtischen Lebensstil, mit ihren Vorstellungen von einer multikulturellen Gesellschaft und ihrem Öko-Label zur tonangebenden Bevölkerungsgruppe in der Gesellschaft.
Doch was wollen die Grünen wirklich? Den zentralen Markenkern der Grünen bildet eine wohlklingende ökologische Ideologie, verbunden mit einem hohen moralischen Anspruch, einem unerschütterlichen Machbarkeitsglauben und der Neigung zum allumfassenden Staatsdirigismus. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass das Denken und Handeln der Grünen in vielen Teilen mit demokratisch/rechtsstaatlichen Prinzipien und einer marktwirtschaftlichen Ordnung in Widerspruch steht.

Politikangebot der Grünen

Die Grünen sehen sich selbst als die „moralischste aller Parteien in Deutschland“– so Boris Palmer, Oberbürgermeistervon Tübingen. Das „Moralisieren“ der Grünen zieht sich durch nahezu alle privaten, gesellschaftlichen und politischen Bereiche. Das erlaubt ihnen, die Welt in ein Gut-Böse-Schema einzuteilen und ihre eigene moralische Überlegenheit gegenüber anderen herauszustellen. Dabei wird gutes Handeln nicht durch positive Handlungsfolgen, sondern vor allem durch gute Gesinnung und ökologische Absichten zum Ausdruck gebracht.
 Den Grünen dient vor allem die Klimakrise dazu, die Welt in „gute“ und „schlechte“ Menschen einzuteilen. Nach ihrem Verständnis wird das Weltklima destabilisiert, weil rücksichtslose und böswillige, also schlechte  Menschen, das Klima absichtlich gefährden, um ihre egoistischen Ziele zu verfolgen. Sich selbst rechnen die Grünen zu den guten Menschen, weil sie mit der Absicht angetreten sind, das Klima zu schützen und eine Klimakatastrophe zu verhindern. Ob der eigentliche Handlungszweck tatsächlich erreicht wird, ist dabei unerheblich. Die gute Absicht legitimiert auch das eigene umweltschädliche Handeln wie das Fahren eines Verbrenners oder eine Öl- bzw. Gasheizung.
Die Grünen sprechen im Rahmen der Klimapolitik gezielt von „Klimakatastrophe“ oder „Klimanotstand“, um den Menschen Angst zu machen und akuten Handlungsdruck zu erzeugen. Als Lösung präsentieren sie dann ihre meist populistischen Konzepte, die der Staat durchsetzen soll. Der so verängstigte Bürger soll nicht an Eigeninitiative und rationales Handeln denken, sondern seine Hoffnungen in den fürsorglichen und dirigistischen Staat setzen. Die Grünen setzen hier auf den Zeitgeist einer Null-Risiko-Gesellschaft, die von jeglichen Lebensrisiken freigehalten werden will.
Ihr zentrales Politikangebot besteht also darin, den Menschen mit angeblich drohenden Krisen Angst zu machen, um dann zur Rettung staatlichen Schutz anzubieten. Diese Angst-Strategie kontrastiert fundamental mit der Sozialen Marktwirtschaft, der ein individualistisches Menschenbild zugrunde liegt und der eigenverantwortlich handelnde Mensch im Vordergrund steht.
Mit dem angeblich erforderlichen Schutz des Klimas und der Erhaltung der Erde leiten die Grünen auch die Legitimation für ihr politisches Handeln ab. Die Klimakatastrophe zu verhindern und diesem Ziel alles unterzuordnen, sehen sie als ihre höchste Verpflichtung an. Ihr politischer Auftraggeber ist also nicht der mündige und wahlberechtigte Bürger, wie es in Demokratien der Fall ist. Die Grünen sehen sich unabhängig vom Votum der Wähler einzig dem Klimaschutz verpflichtet, den nur sie selbst definieren und den Bürgern vermitteln können.

Ideologische Politik

Ideologien lassen sich vereinfacht als System von Ideen bezeichnen, die der Interpretation der Welt in einer von Interessen geleiteten und damit verfälschenden Sichtweise dienen. Sie sind regelmäßig durch die Eindimensionalität der Zielsetzung und der Kompromisslosigkeit bei ihrer Durchsetzung charakterisiert.
In diesem Sinne ist insbesondere die Klimapolitik der Grünen stark ideologiegeprägt. Der Klimaschutz wird von ihnen zur entscheidenden Überlebensfrage der Menschheit verabsolutiert, der sich alle anderen Ziele – auch die allerhöchsten gesellschaftlichen Ziele – unterzuordnen haben. Das gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben hat sich nach grüner Vorstellung am Klimaschutz auszurichten, nicht an den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen.
Einer sachorientierten Debatte entziehen sich die Grünen mit Begriffen wie Klimakatastrophe und Klimanotstand, mit denen die komplexen Sachverhalte und Sachzusammenhänge schlagwortartig reduziert und auf eine gesinnungsethische Ebene gehoben werden, auf der dann die eigentliche Meinungsbildung stattfindet. Anders ist es nicht zu erklären, weshalb die Grünen trotz des geringen deutschen Anteils von 2 Prozent am weltweiten Ausstoß von CO2 und der geringen Erfolgsbilanz im globalen Klimaschutz auf immer ambitionierteren nationalen Klimazielen bestehen.   
Das fehlende Interesse der Grünen an einer sachorientierten Debatte zeigt sich auch an ihrem selektiven Wissenschafts- und Technikverständnis: Ihrer großen Wissenschaftsgläubigkeit in bestimmten Bereichen, (wie zum Beispiel bei CO2-Budgets und Klimamodellen), steht in anderen Bereichen eine extreme Technologiefeindlichkeit gegenüber, (zum Beispiel bei der Kernkraft- oder Kernfusionstechnologie). Eine solche Selektierung entspricht weder den anerkannten Standards der Wissenschaft noch dem Prozess einer demokratischen Willensbildung, sondern beruht einzig und allein auf der gesinnungsethischen Voreingenommenheit der Grünen.
Und natürlich sind ihnen alle Mittel recht und billig, um ihre klimapolitischen Ziele durchzusetzen – Schulstreiks, Verkehrsblockaden und Verstöße gegen die öffentliche Ordnung. Kompromisse sind für sie angesichts des bevorstehenden Weltuntergangs nicht mehr möglich. Mit dem Slogan „Es ist klimapolitisch fünf vor Zwölf“ wird der Öffentlichkeit die Dringlichkeit klimapolitischer Maßnahmen vor Augen geführt – notfalls auch unter bewusster Verletzung demokratischer Prinzipien und der privaten Freiheitsrechte Dritter.
 Hier offenbart sich eine autoritäre Haltung der Grünen, die mit demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar ist. Diese Haltung erklärt sich aus dem Ursprung der Grünen, den linken Protestbewegungen (Friedensmärsche, Studentenrevolte, Anti-Atom-Demonstrationen, Hausbesetzungen etc.), aus denen die grüne Partei entstanden ist. Es gibt deshalb bei ihren Mitgliedern nur geringe Berührungsängste gegenüber provokativen Klimaaktivitäten; im Gegenteil können Klimaaktivisten bei ihren Protesten und Demonstrationen regelmäßig mit Sympathiebekundungen und Unterstützung aus dem grünen Lager rechnen.
Das gilt selbst dann, wenn Klimaaktivisten die bundesrepublikanische Rechtsordnung im Wege der Selbstjustiz mit Füßen treten (Beispiele sind die Ereignisse um die Rodung des Hambacher Forstes, die Klimastreiks in Berlin oder die Aktivitäten der radikalen Gruppe „Extinction Rebellion“). Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier warnt deshalb: „Eine solche Haltung ist (…) von einem hohen Maß an Arroganz und Selbstüberschätzung gekennzeichnet; Menschen verkennen schnell, dass ihre eigenen subjektiven Moralvorstellungen kein Allgemeingut sind. In der rechtsstaatlichen Demokratie ist es der durch Volkswahlen legitimierte Gesetzgeber, der den Auftrag zur Bestimmung und zur Konkretisierung dessen hat, was das Wohl des Gemeinwesens ist und was der Allgemeinheit am meisten nützt.“

Populistische Partei

Generell lässt sich sagen, dass es den Grünen in der Klima- und Energiepolitik nicht um effiziente und ausgewogene Sachergebnisse geht, sondern sie sehen darin in erster Linie eine Mobilisierungsstrategie zugunsten ihre Partei. Für Robert Habeck wird die  Klimapolitik „eben nicht nur als ökonomische Debatte geführt, sondern auch als kulturelle“. Das bedeutet, dass die Grünen mit ihren klimapolitischen Vorschlägen gezielt Menschen ansprechen wollen, die sich von guten Worten und politischen Symbolen beeindrucken lassen. Dazu gehört insbesondere auch die Aufforderung an die Bürger, mit einem kleinen persönlichen Beitrag (Fahrrad fahren, vegane Ernährung, Verzicht auf Flugreisen etc.) an der gesellschaftlichen Umgestaltung mitzuwirken. Wer mitmacht, gehört automatisch zur grünen Gemeinschaft guter Menschen.
Und viele Menschen stimmen den Grünen gern zu, weil sie mit der Komplexität der energie- und klimapolitischen Zusammenhänge überfordert sind. Politisches Moralisieren reduziert diese gesellschaftliche und technische Komplexität auf das Gut-Böse-Schema, das in plakativen Forderungen nach Verboten und Verzicht sowie in Bevormundung und Umerziehung der Menschen endet. Auch die starke Fokussierung der Grünen auf die erneuerbaren Energien mit der eingängigen Werbung „Wind und Sonne schreiben keine Rechnungen“ dient vor allem ihrer politischen Selbstinszenierung.  
Die Grünen setzen gezielt auf einen gesinnungsethischen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung, den sie mit den Mitteln der politischen Bevormundung und Erziehung durchzusetzen versuchen. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn in der politischen Öffentlichkeit – wie der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger formuliert – der Eindruck vorherrscht: „Ein Grüner ist tendenziell ein Umerzieher und Oberlehrer, der Dir sagt, was Du zu essen hast, was Du anzuziehen hast und wie Du im Auto zu fahren, wie Du zu wohnen hast!“
Vor diesem Aspekt gewinnt die Aussage von Habeck, die Klimapolitik sei als kulturelle Debatte zu verstehen, eine besondere Brisanz: Bei einem kulturellen Konflikt geht es – anders als bei einem ökonomischen Konflikt – um wahr oder falsch, also um grundsätzliche bzw. moralische Sichtweisen, die aus Sicht der Betroffenen nicht verhandelbar sind und keine Kompromisse zulassen. Das bedeutet, dass die Grünen in dem Maße, in dem sie die Klimapolitik gezielt zu einer kulturellen Debatte uminterpretieren, eine Polarisierung in der Gesellschaft befördern, die als demokratiegefährdend einzustufen ist.   

Staatlicher Dirigismus

Die Verbots- und Ausstiegsliste der Grünen ist lang: Sie sind für einen konsequenten Atomausstieg; sie sind aber auch für einen Ausstieg aus der Kohle und aller fossilen Energieträger. Sie sind gegen die Dieseltechnologie und Verbrennungsmotoren, gegen die SUVs, gegen freie Fahrt auf deutschen Autobahnen und generell gegen die Automobilindustrie, gegen die Energiewirtschaft (wenn nicht erneuerbar), gegen den Luftverkehr, Kurzstreckenflüge und Flughäfen mit ihren Start- und Landebahnen, gegen Einfamilienhäuser; sie sind im Grunde gegen Wirtschaftswachstum und plädieren lieber für Verzicht.
Um dem Makel einer Verbortspartei zu entgehen, bemühen sie sich, dies durch geschickte Rhetorik zu kaschieren. So spricht Katrin Göring-Eckardt nicht von Verboten, sondern von „radikal-realistischen Forderungen“, und Robert Habeck deutet die Grünen zur „Gestaltungspartei“ um. Tatsächlich geht es aber um Verbote, die schärfsten Maßnahmen des Staates, die keinen Verhandlungsspielraum, keine Kompromisse und Ausnahmen und keine Kosten-Nutzen-Abwägung kennen.
Auch außerhalb der klimapolitischen Debatte rufen die Grünen immer stärker nach staatlichen Eingriffen, Beschränkungen und Verboten, vor allem lehnen sie die verteilungspolitischen Ergebnisse der Marktwirtschaft in vielen Bereichen ab. Sie schlagen direkte staatliche Preiseingriffe vor, mit denen sie bestimmten Bevölkerungs- und Wählergruppen finanzielle Vorteile zukommen lassen wollen, ohne dass es den Staat (scheinbar) etwas kostet. Die gesellschaftlichen Kosten der Preiseingriffe werden auf andere Bevölkerungsgruppen (bei staatlichen Höchstpreisen etwa auf Anbieter und Produzenten) abgewälzt.
Im Hintergrund solcher Maßnahmen stehen das Menschenbild und Gerechtigkeitsverständnis der Grünen. Sie kritisieren die Verteilungsergebnisse des Marktes per se als ungerecht und unsozial und lehnen damit Leistungsgerechtigkeit bzw. Regelgerechtigkeit als gesellschaftliche Verteilungsprinzipien ab. Die Grünen  konzentrieren sich auf die Ergebnisse und fordern Ergebnisgerechtigkeit oder gleich gesellschaftliche Egalität. Der Prozess der Ergebniserstellung, also der eigentlichen Produktionsprozess, interessiert sie nur am Rande.
Das Wahlprogramm der Grünen zur Bundestagswahl 2021 gibt der deutschen Industrie deshalb erheblichen Anlass zur Sorge, weil es nur auf dirigistische Preissetzungsmechanismen und ordnungsrechtliche Vorgaben setzt. Die Erfolge und Errungenschaften der Sozialen Marktwirtschaft werden kategorisch als Profitstreben abgewertet; gleichzeitig wird das Zerrbild einer ungleichen und ungerechten Gesellschaft in Deutschland gezeichnet. Die Soziale Marktwirtschaft soll nach den Vorstellungen der Grünen zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft unter dem alleinigen Leitgedanken des „klimagerechten Wohlstands“ umgebaut werden, was nur mit einer grundlegend veränderten Gesellschaft möglich ist.
Dem Staatsoptimismus auf der einen Seite steht auf der anderen Seite eine tiefe Marktskepsis gegenüber, die die Grünen - insbesondere die Vertreter der weniger pragmatischen Richtung - weitreichend kultivieren. Sie können und wollen nicht verstehen, dass die Menschen sich in ihrem eigeninteressierten Verhalten an Anreizen (insbesondere finanziellen) orientieren, und fremdeln mit marktwirtschaftlichen Strukturen und Ergebnissen. Eine Wirtschafts- und insbesondere Klimapolitik, die auf Anreize und freiwilliges Handeln setzt und zum Beispiel eine CO2-Bepreisung als zentrales Instrument fordert, kommt für gesinnungsethische Grüne grundsätzlich nicht infrage.
Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass eine solche grundlegende gesellschaftliche Umgestaltung dem High-Tech-Industrieland Deutschland die Arbeitsplätze und dem Hochlohnland Deutschland das Einkommen und der Wohlstand rauben würde. Eine von oben verordnete Klimadiktatur führt eben nicht zur Dekarbonisierung, sondern zur Deindustrialisierung. In einigen Bereichen der Industrie stellt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bereits einen langsamen schleichenden Kapazitätsabbau insbesondere in den energieintensiven Industrien in Deutschland aufgrund der bisherigen Klima- und Energiepolitik fest. Und jüngst hat der Bundesrechnungshof die Energiewende als eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland und als Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland bezeichnet.
(Vorlage für diesen Beitrages ist der von der Ludwig-Erhard-Stiftung veröffentlichte Artikel von Prof. Fritz Söllner und Dr. Rupert Pritzl „Moralismus, Ideologie und staatlicher Dirigismus bei den Grünen – Das Beispiel der Klimapolitik“)


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