Undemokratische Klimapolitik
Auf der Pariser Weltklimakonferenz im Dezember 2015 einigten sich die Teilnehmerstaaten darauf, die Erderwärmung "möglichst" nicht über 1,5 Grad steigen zu lassen. Um dieses 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, sollte spätestens bis zum Jahr 2050 „Klimaneutralität“ hergestellt werden. Das bedeutete, dass ab Mitte des Jahrhunderts nicht mehr Treibhausgasemissionen ausgestoßen werden sollen, als zum Beispiel durch Aufforstung, unterirdische Kohlenspeicher etc. aufgefangen werden können.
Artikel 4 des Übereinkommens der Klimakonferenz lautet: „Zum Erreichen des [...] langfristigen Temperaturziels sind die Vertragsparteien bestrebt, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen, [...] und danach rasche Reduktionen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen, um in der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken [...] herzustellen.“
Der abgeschlossene Klima-Vertrag war rechtlich nicht bindend, sondern legte die Umsetzung des vereinbarten Ziels in die Hände der Vertragsstaaten. Sie sollten sich konkrete Ziele zur Minderung des CO2-Ausstoßes setzen, die alle fünf Jahre überprüft und verschärft werden sollten. Sanktionsmöglichkeiten gab es nicht. Doch die Europäische Union (EU) und einige EU-Länder wie Deutschland, verpflichteten sich durch Gesetz, bis 2050 klimaneutral zu werden.
Bei der Wahl der Mittel zur Erreichung des 1,5 Grad-Zieles waren die Regierungen relativ frei. Das verpflichtende Ziel der Klimaneutralität sollte jedoch der Antrieb für die Vertragsstaaten sein, klimapolitische Aktivitäten zu ergreifen. So wurde in der EU ein Emissionshandelssystem geschaffen, um die Emissionen zu reduzieren. Zusätzlich setzte die EU im Verordnungswege insbesondere für den europäischen Verkehrssektor zahlreiche Grenzwerte für den Ausstoß klimaschädlicher Gase fest. Außerdem wurde ein CO2-Grenzausgleich eingeführt. Dieser erhebt eine CO2-Abgabe auf Importe bestimmter Waren aus Ländern mit geringeren Klimaaktivitäten.
Ziele der Bundesregierung
Darüber hinaus bekennen sich alle Bundesregierungen (von Schröder über Merkel bis zu Scholz) zu dem Vorschlag des „Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderung (WBGU)“ in seinem Hauptgutachten aus dem Jahr 2011, es bedürfe für die Herstellung der Klimaneutralität einer „Großen Transformation der Gesellschaft“, die mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts vergleichbar wäre. In der Gesellschaft werde sich alles verändern müssen, „nicht nur Produktions- und Konsumgewohnheiten, sondern auch Anreizsysteme, Institutionen, normative Maximen und Wissenschaftsdisziplinen“. Diese Transformation müsste „innerhalb der nächsten zwanzig Jahre“ stattfinden, weil die Klimaänderung nicht warten würde. Sie ergäbe sich aber nicht von selbst, sondern erfordere bewusste Planung und den „gestaltenden Staat“. Notfalls müsste sie auch „gegen demokratische Mehrheiten durchgesetzt“ werden !!!
Die Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirates wurden Grundlage des Regierungsprogramms aller von Angela Merkel geführten Bundesregierungen. Die ehemalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) schrieb dazu in einem Beitrag für die FAZ vom 26. Mai 2015: Beim Klimaschutz „geht es um viel mehr als die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien…. Es geht in der Klimapolitik darum, gesellschaftliche Strukturen neu zu denken und neue Geschäftsmodelle für die Wirtschaft zu entwickeln. Dazu braucht es Pioniere, die innovative Konzepte und Techniken nicht nur in Forschung und Entwicklung fördern, sondern erproben, weiterentwickeln und kosteneffizient machen. Deutschland ist entschlossen, dafür auch in Zukunft ein Wegbereiter zu sein.“
Klimaschutzprogramm 2030
Zu Verwirklichung solcher Ziele beschloss die Bundesregierung unter Angela Merkel im September 2019 in Abstimmung mit den Regierungschefs der Bundesländer das „Klimaschutzprogramm 2030“. Die Bundesregierung wollte Handlungsfähigkeit zeigen.
Ziel dieses Programms war es, den Bau von Solar- und Windparks zu beschleunigen, Kraft- und Brennstoffe zu verteuern und den Klimaschutz in allen CO2-emittierenden Sektoren zu intensivieren. Zitat: „Der weitere zielstrebige, effiziente, netzsynchrone und marktorientierte Ausbau der Erneuerbaren Energien ist ein entscheidender Baustein zur Erreichung der Klimaziele. Die Bundesregierung hat das Ziel, im Jahr 2030 einen Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von 65 % zu erreichen.“ Dazu waren folgende Maßnahmen geplant:
Die Abstandsregeln für Windräder sollten verkürzt und die finanziellen Vorteile für Kommunen bei der Genehmigung von Windrädern erhöht werden. Zitat: „Neue Abstandsregelungen sollen die Akzeptanz für die Windkraft ebenso erhöhen wie neue finanzielle Vorteile für Kommunen, in denen Windräder gebaut werden dürfen.“ Außerdem sollten das Ziel für den Ausbau der Windenergie auf See auf 20 Gigawatt angehoben und der noch bestehende Deckel von 52 Gigawatt für den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen aufgehoben werden. So sollte der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2030 auf 65 Prozent erhöht werden.
Im Mittelpunkt des Programms stand jedoch die Einführung einer CO2-Abgabe ab 2021 für die Sektoren Verkehr und Gebäude. Hierfür sollten Unternehmen, die Brenn- und Kraftstoffe in Verkehr bringen, verpflichtet werden, CO2-Zertifikate zu erwerben. Die Kosten dafür sollte der Brennstoff- und Kraftstoffhandel dann über den Preis der Produkte an die Verbraucher weitergeben. Davon erhoffte man sich - wie in den Sektoren Energie und Industrie - auch für die Sektoren Verkehr und Gebäude neben einem sparsameren Energieverbrauch den Umstieg auf regenerative Energien (E-Mobilität, Erd-Wärme etc.).
Der Preis für das Zertifikat sollte nach dem Vorschlag der Bundesregierung mit 10 Euro pro Tonne CO2 beginnen und bis zum Jahr 2025 auf 35 Euro pro Tonne steigen. Ab 2026 sollte der Preis zwischen einem festgelegten Mindest- und einem Höchstpreis durch den Markt bestimmt werden. Die Bundesregierung versprach, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren oder sie den Bürgern in Form von Entlastungen oder von Fördermaßnahmen zurückzugeben.
Das Klimapaket der Bundesregierung geriet von vielen Seiten unter Beschuss. Die Einführung einer systematischen CO2-Bepreisung wurde zwar allgemein befürwortet, die vorgesehene Verteuerung fossiler Brenn- und Treibstoffe hielten die Umweltverbände Nabu, Greenpeace und BUND aber nicht für ausreichend. In einer gemeinsamen Stellungnahme hieß es: „Der homöopathische Einstieg in die CO2-Bepreisung von 10 Euro die Tonne CO2 wird keinerlei Lenkungswirkung entfalten.“ Die Bundeskanzlerin hielt solchen Einwendungen entgegen, dass die Menschen sich zunächst an die CO2-Bepreisung gewöhnen sollten, bevor die CO2-Preise angehoben würden.
Tatsächlich lagen die 10 Euro je Tonne deutlich unter dem vom Sachverständigenrat der Bundesregierung empfohlenen Preis von 25 bis 50 Euro je Tonne CO2, den der Rat zum Erreichen der deutschen Klimaziele 2030 für erforderlich hielt. Folglich beurteilte ihr Vorsitzender, Christoph Schmidt, die Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm ähnlich kritisch wie die Umweltverbände. Von einem „großen Wurf“ könnte keine Rede sein, schließlich bemesse sich der Erfolg nicht an der Fülle der Einzelmaßnahmen – „sondern daran, ob das Paket dafür sorgt, dass die in Europa bis 2030 verbindlich zugesagte Emissionsreduktion wirksam und kosteneffizient erreicht wird“. Und da sei Skepsis angebracht, sagte Schmidt.
Des Weiteren enthielt das Klimaschutzprogramm 2030 für die verschiedenen Sektoren Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Industrie und Energie jeweils konkrete CO2-Budgets und „Minderungsziele“, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden müssen. Dazu kündigte die Bundesregierung folgende Vorgehensweise an:
Die jährlichen Minderungsziele sollten gesetzlich festgeschrieben werden, und das Klimakabinett sollte jährlich überprüfen, wie wirksam und zielgenau die Maßnahmen waren. Erfüllte ein Sektor seine Ziele nicht, sollte das zuständige Ministerium unverzüglich ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vorlegen.
Der Energie- und Klimafonds, ein Nebenhaushalt der Bundesregierung, sollte das zentrale Finanzierungsinstrument für die Energiewende werden. Zusammen mit Mitteln außerhalb des Fonds wollte die Bundesregierung bis 2030 für Energiewende und Klimaschutz einen dreistelligen Milliardenbetrag zur Verfügung stellen. Beschlossen waren bereits die Aufhebung der EEG-Umlage und die staatliche Subventionierung der Erneuerbaren Energien, um die Verbraucher von der EEG-Umlage zu entlasten.
Klimaschutzgesetz 2019/2021
Am 18. Februar 2019 legte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Referentenentwurf für ein Klimaschutzgesetz vor, der in seinen Grundzügen dem Klimaschutzprogramm 2030 entsprach. Zweck dieses Gesetzes ist es, zum Schutz vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten.
Die Treibhausgasemissionen sollten bis 2030 um 55 Prozent (zum Ausgangswert des Jahres 1990) gemindert werden. Hierzu legte das Gesetz bis zum Jahr 2030 „Minderungsziele“ in Form von verbindlichen jährlichen Emissionsmengen für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft fest.
Für die Einhaltung der jährlich sinkenden Emissionsgrenzen sollten die für den jeweiligen Sektor zuständigen Bundesministerien verantwortlich sein. Bei Überschreiten der zulässigen Jahresemissionsgrenze musste das verantwortliche Ministerium aus eigenem Budget Emissionsrechte zukaufen. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Ministerien die im Klimagesetz festgelegten Aufgaben erledigen.
Die unionsgeführten Ministerien in der Regierung lehnten eine solche verbindliche Festlegung von Ressort-Zielen ab und veranlassten das Bundeskanzleramt, den Entwurf des Klimaschutzgesetzes zurückzuhalten und nicht in den üblichen Umlauf zu geben. Daraufhin leitete Bundesumweltministerin Schulze (SPD) im Mai 2019 eigenmächtig die Ressortabstimmung ein. Das Bundeskanzleramt widersprach zwar förmlich „der Einleitung der Ressortabstimmung, der Versendung an Länder und Verbände sowie der Veröffentlichung im Internet“, akzeptierte dann aber den Verfahrensfehler, weil die Bundeskanzlerin das Klimaschutzgesetz schnell in Kraft setzen wollte. Am 9. Oktober 2019 wurde es in unveränderter Fassung vom Bundeskabinett verabschiedet und in den Bundestag eingebracht.
Der Gesetzesentwurf war an sich nicht an die Zustimmung des Bundesrates gebunden, so dass er vom Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD verabschiedet werden konnte. Bei der strittigen Frage, wie hoch der Preis für eine Tonne CO2 sein sollte, spielte das Kanzleramt jedoch mit den oppositionellen Grünen über Bande: Die Kanzlerin nahm mit ihnen Verhandlungen auf und verknüpfte das „Klimapaket“ mit einer Reform der Pendlerpauschale, wozu ein Steuergesetz geändert werden musste. Das wiederum ging nicht ohne den Bundesrat – und damit nicht ohne die Grünen, die drohten, die neue Pendlerpauschale zu blockieren, wenn die CO2-Steuer nicht deutlich angehoben werden würde. Merkel ließ sich auf diesen Kuhhandel ein. So stieg der Einstiegspreis für die Tonne CO2 von 10 Euro auf 25 Euro. Am 12. Dezember 2019 wurde das Klimaschutzgesetz beschlossen und trat sechs Tage später in Kraft.
Mit Beschluss vom 24. März 2021 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Festsetzung der zulässigen Jahresemissionsmengen im Klimaschutzgesetz 2019 mit den Grundrechten für unvereinbar, soweit eine Regelung über die Fortschreibung der nationalen Minderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2032 fehlte. Das Gericht gab damit überraschend den Verfassungsbeschwerden verschiedener Umweltverbände und junger Umweltschützer statt, denen die Ziele und Maßnahmen des Gesetzes nicht weit genug gingen.
Zur Begründung sagte das Gericht, das Klimaschutzgesetz verschiebe hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030. Dies ginge zulasten der jüngeren Generation, weil die Begrenzung der Erderwärmung dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Maßnahmen machbar wäre. Davon seien dann praktisch sämtliche grundgesetzlichen Freiheitsrechte der jüngeren Generation zumindest potentiell betroffen, weil derzeit noch fast alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht seien. Es dürfe nicht dazu kommen, dass einer Generation das Recht zugestanden werde, „unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.“
Nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts konnte es der Bundesregierung mit einer Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes gar nicht schnell genug gehen. Innerhalb weniger Wochen legte sie einen Entwurf für ein erstes Änderungsgesetz zum Klimaschutzgesetz vor. Bis zur Beschlussfassung durch den Bundestag hatten die anzuhörenden Interessenverbände nur wenige Stunden Zeit, um dazu Stellung zu nehmen.
In dem geänderten Gesetz wurde die Frist zum Erreichen der Klimaneutralität von 2050 auf 2045 vorgezogen. Außerdem sollten die Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 statt um 55 Prozent um 65 Prozent sinken. Der Gesetzentwurf verschärfte zudem die für den Zeitraum bis 2030 geltenden Ziele, vor allem für die Sektoren Industrie und Energiewirtschaft, obgleich das Bundesverfassungsgericht dies nicht gefordert hatte. Die Novelle trat am 18. August 2021 in Kraft.