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Jackson Hole 2022
29.08.2022 20:46 (917 x gelesen)

Jackson Hole 2022

Zum traditionellen Treffen in Jackson Hole kommen Notenbanker, Banker und Forscher aus aller Welt zusammen, um über Geldpolitik zu sprechen. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, reiste in diesem Jahr (2022) nicht an, sondern ließ sich von Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel vertreten.

Dabei brennt auch in Frankfurt die Hütte. 8,9 Prozent betrug die Inflation im Euroraum zuletzt, in einzelnen Euroländern mehr als 20 Prozent. Im Juli hatte die EZB erstmals die Zinsen um 0,5 Prozent angehoben; ohne dass irgendjemand glaubt, dass das jetzt reicht.

Lagarde will den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik möglichst behutsam vollziehen. Von einer Normalisierung der Zinspolitik ist die Geldpolitik aber noch weit entfernt. Wegen der hohen Inflation bleibt die Realverzinsung im tiefroten Bereich.

Noch im November 2011, als die Inflation schon über 5 Prozent gesprungen war, sagte Isabel Schnabel: „Wir wissen, dass die Preise im nächsten Jahr allmählich zurückgehen werden.“ Also musste die EZB nicht tätig werden, als andere Notenbanken die Leitzinsen bereits angehoben hatten.

Als Lagarde im November 2019 als Juristin und ohne Erfahrungen im Notenbankgeschäft zur EZB kam, war hohe Inflation seit vielen Jahren kein ernsthaftes Problem gewesen. Man lebte in der „Nullzeit“ mit sehr niedrigem Realzins und niedrigen Inflationsraten. Die Hauptaufgabe der EZB bestand darin, den Staaten im Süden Europas durch Ankauf von Staatsanleihen die benötigte Liquidität zur Verfügung zu stellen.

Zwei Jahre später begannen die Preise zu steigen und die EZB kämpft heute mit einer Rekordinflation von über 9 Prozent. Gleichzeitig ist der Wechselkurs des Euro gegenüber Dollar und Schweizer Franken schwach wie nie. Der Euro droht zur Weichwährung zu werden – wie einst die italienische Lira.

Die EZB sieht eine zentrale Aufgabe aber weiterhin darin, die verschuldeten Südländer mit dem Kauf von Staatsanleihen über Wasser zu halten. Das zeigt vor allem das mit der Zinserhöhung von 0,5 Prozent beschlossene „Antifragmentierungsinstrument“, das der EZB weiterhin gezielte Eingriffe am Anleihemarkt zugunsten hoch verschuldeter Länder gestattet, wenn im Zuge der Zinswende die Renditen der Staatsanleihen solcher Länder in die Höhe schießen. Und Lagarde betonte dabei, dass für das neue Programm „kein Limit“ gelte.

Von diesem Instrument macht die EZB inzwischen bereits Gebrauch, indem sie im Rahmen des PEPP-Programms italienische, spanische und griechische Staatsanleihen aufkauft und im gleichen Zug deutsche und niederländische Staatsanleihen verkauft. Lagarde begründet diese Aktionen damit, dass die EZB die „Transmission“ ihrer geldpolitischen Maßnahmen in allen Euroländern sicherstellen müsse. Die könnte aber gefährdet sein, wenn es zu einer „Fragmentierung“, also Zersplitterung des Euroraumes durch unterschiedliche Anleiherenditen in den Einzelstaaten käme.

 „Es ist sehr deutlich von nordeuropäischen Staatsanleihen in südeuropäische Staatsanleihen umgeschichtet worden“ sagte Friedrich Heinemann vom ZEW in Mannheim dazu. Es handelt sich also um die Fortsetzung der alten Geldschöpfungspolitik mit dem Unterschied, dass die Liquidität, die den hoch verschuldeten Südstaaten durch den Ankauf von Staatsanleihen zugeführt wird,  dem Geldmarkt durch den Verkauf von Anleihen einiger Nordstaaten wieder entzogen wird. 

Ökonomen in Deutschland üben heftige Kritik an Lagardes Manöver. „Eine Konföderation kann nur existieren, wenn Staaten, die sich höher verschulden, höhere Zinsen zahlen müssen“, betont Hans-Werner Sinn.

„Angesichts der hohen Inflation geht der alte Weg, alle Probleme mit immer mehr Geld zuzuschütten, nun nicht mehr“, sagt Hans-Werner Sinn dazu. Denn neue Schulden würden den Inflationsdruck noch verstärken. „Der Entzug wird schmerzhaft“, warnt Sinn. „Denn wenn kein Geld da ist, drohen Verteilungskämpfe.“

Der Makroökonom Ricardo Reis kritisiert, dass die Notenbanken die Inflation falsch eingeschätzt haben. Sie hätten geglaubt, dass sie vorübergehender Natur seien, tatsächlich stellte sie sich aber als längerfristig heraus.

Verschiedene Notenbanker halten es inzwischen für sehr wahrscheinlich, dass die Euro-Zone in eine Rezession rutscht. „Bei dieser hohen Inflation wird es schwierig sein, eine Rezession zu vermeiden“, sagte Lettlands Notenbank-Gouverneur Kazaks.

Der Chef der amerikanischen Zentralbank, Jerome Powell, hat deshalb die Entschlossenheit der Federal Reserve bekräftigt, die Geldpolitik so lange straff zu halten, bis die Inflation die geldpolitische Zielmarke von 2 Prozent erreicht hat.

Im vorigen Jahr noch hatte Powell Gründe aufgeführt, warum die Inflation nur vorübergehend sei. Erst später entschloss sich die Fed zu einem Kurswechsel und räumte schließlich Fehleinschätzungen ein. Inzwischen hat die Fed in zwei aufeinander folgenden Sitzungen den Leitzins um jeweils 0,75 Prozentpunkte angehoben, zuletzt Ende Juli in der Bandbreite zwischen 2,25 und 2,5 Prozent.

In seiner Rede in Jackson Hole stellte Powel klar, dass die Fed zur Erreichung stabiler Preise höhere Zinsen, Wachstumseinbußen und einen schwächeren Arbeitsmarkt in Kauf nehmen würde. Entschlossenheit ist laut Powell auch deshalb zwingend, weil die im Moment verankerten Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure nach oben ausbrechen, je länger die Inflation hoch bleibt. Das könne eine neue Teuerungsspirale auslösen, die es dringend zu verhindern gelte.

Inzwischen setzt auch bei der EZB ein Umdenken ein. Schnabel wies in Jackson Hole auf die Gefahr hin, dass Menschen beginnen, an der langfristigen Stabilität ihrer Währung zu zweifeln. „Je länger die Inflation hoch bleibt, desto größer ist das Risiko, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen in unsere Entschlossenheit und Fähigkeit verliert, Kaufkraft zu bewahren“, sagte sie. Eine angesichts der hohen Inflation notwendigerweise „robuste“ Geldpolitik müsse daher das Risiko eines niedrigeren Wirtschaftswachstums und einer höheren Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen. Denn eine zögerliche Geldpolitik könne noch viel schlimmere wirtschaftliche Folgen haben.

Am 8. September 2022 trifft sich der EZB-Rat das nächste Mal. Banker und Wissenschaftler sind der Meinung, dass eine deutliche Leitzinserhöhung dringend von Nöten ist. Die Commerzbank hat vorgeschlagen, dass 4 Prozent Leitzins notwendig wären, um die Inflation zu bekämpfen.

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